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Mit einigen Gedanken über den Jagdhund bei Dante und einer empfindlichen Kränkung beginnt dieser schlanke, anmutige Briefwechsel, in dem sich Verena Auffermann und Iso Camartin mit leicher Feder, unterhaltsam und doch nicht frei von Bildung über alles auslassen, was ihnen zum Hund einfällt. Sie haben ihre Korrespondenz mit dem Untertitel "Romanze" versehen - und halten, was sie versprechen, sogar in zweierlei Hinsicht.

Produktbeschreibung
Mit einigen Gedanken über den Jagdhund bei Dante und einer empfindlichen Kränkung beginnt dieser schlanke, anmutige Briefwechsel, in dem sich Verena Auffermann und Iso Camartin mit leicher Feder, unterhaltsam und doch nicht frei von Bildung über alles auslassen, was ihnen zum Hund einfällt. Sie haben ihre Korrespondenz mit dem Untertitel "Romanze" versehen - und halten, was sie versprechen, sogar in zweierlei Hinsicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.1997

Grüßend winkt die Hundepfote
Für Verena Auffermann und Iso Camartin hat das Glück vier Beine

Zu den Leidenschaften längst vergebener Damen gehört bekanntlich das Verbandeln täppischer Singles, die kaum noch ahnen, was ihnen fehlt, mit einem passenden Gegenpart. In der Rolle der kuppelnden Dame beobachten wir diesmal eine Theater- und Literaturkritikerin, in der ebenso klassischen Rolle des unbewußt willigen Toren einen Gelehrten, dessen Realitätserfahrung vom Zwang zur Bildungsassoziation sehr bereichert, aber eben auch phantastisch beschränkt bleibt. Es ist eine Sache, über den Windhund in Dantes "Göttlicher Komödie" und seine rein allegorische Bedeutung zu forschen und über die Vielzahl der möglichen Entschlüsselungen sich gewissenhaft zu verbreiten - es ist eine andere, in diesen hochtrabenden Bemühungen und ihrem Scheitern an der Banalität der Hundepfote das Bedürfnis eines Menschen nach der Gemeinschaft mit einem Hund zu erkennen und sich als Kuppelmutter dann kritisch und werbend einzumischen.

Am Ende hat der Gelehrte einen italienischen Straßenköter adoptiert, und die Kuppelmutter, von Kindesbeinen an in Symbiose mit Airedales und ordentlich numerierten Irish Terriern lebend, kann es zufrieden sein. Ihr bleibt das letzte Wort und eine gewisse Unsicherheit, ob das Glück, das sie gestiftet, auch von Dauer sein wird. Mit Rilke - für die Echtheit des Zitats will ich nicht bürgen - setzt sie auf den Freund in Zürich und seine erahnte Möglichkeit, Literaturhunde mit einem echten zu komplettieren: "Wer dich nur einmal sah, beneidet deinen Hund."

Zwischen dem Vortrag über Dantes Windhund in Ascona und dem wackligen Happy-End, bei dem wir den Professor mit einem in der Vagabondage erfahrenen Straßenköter in die Zukunft entlassen, liegt der Briefwechsel zweier wissenschaftlich und publizistisch tätiger, naturgemäß gebildeter und versierter Freunde über den Hund in Literatur, Kunst und persönlicher Gegenwart. Was ist echt an diesem charmanten Kleinwerk literarisch vermittelter Zivilität, was ist durch Weglassung und Beschönigung falsch, was am Exhibitionismus unserer Briefschreiber dubios?

Seit alters sind Hunde eine Angelegenheit der Aristokratie, auch der intellektuellen, und des Proletariats. Die bürgerliche Mittelklasse tut sich schwer und verzettelt sich teils in Tierschutzbemühungen, teils im oft vergeblichen Versuch, dem eigenen Nachwuchs statt des ersehnten Vierbeiners ein stilleres Aquarium aufzuschwatzen. Nachweislich ihres verspielt-preziösen Zugriffs auf die uralte Symbiose von Mensch und Hund müssen wir die Literaturkritikerin und den Zürcher Professor der Geistesaristokratie zurechnen. Ihnen ist der Hund das lebende Spielzeug, mit dem sich Langeweile und Melancholie, diese notorischen Leiden der happy few, aufs beste kalmieren lassen. Das Proletariat tritt an den Hund dagegen seinen Anspruch aufs richtige Leben ab. Hier gedeiht der sentimentale Kult des Hundes, der verständnisvoller, treuer und mutiger ist als jeder Mensch. Ob die Popularität sogenannter Kampfhunde in diesen Kreisen heute nicht sogar Rückschlüsse auf die Wiederkehr des Klassenkampfs in zeitgemäßer Form erlaubt?

Es gibt zwar, so erfährt man, Musikerhunde, Forscherhunde und sogar Lufthunde, aber politische kommen nicht vor, wie auch das ganze große Gebiet der Hundepolitik ausgespart bleibt, das der Mehrzahl der Hunde, die ja bekanntlich nicht im Grünen, sondern in Ballungszentren leben, ein dringendes Anliegen ist. Auch Sex und Tod, wahrlich große Themen für Mensch wie Hund, werden für manchen Geschmack eher elegant übergangen denn ernsthaft erörtert. Und außerdem: Kein Hund wird ein Wiener Schnitzel, werde es ihm in einem Nobelrestaurant oder auf der Straße vorgelegt, je verschmähen. Zu raten wäre aber unbedingt, die sonst obligate Zitrone wegzulassen, Herr Professor!

Aber vergessen wir über solche Kritteleien nicht die Hauptsache, die Verkuppelung des Gelehrten mit dem Wesen, das ihm bisher entgangen ist, dem Hund, durch eine erfahrene Dame. Offenbar ist er erst reif für "Caruso", den italienischen Straßenköter, nachdem er sein ganzes gelehrtes Hundewissen auf dem Briefpapier abgestreift hat. Die Dame arbeitet der Entscheidung mit maliziösen Korrekturen und Berichten von ihrem jüngsten Hund "Nelke" mitspielend, aber bodenständiger zu. Gründliche Kenntnisse der Literatur und vor allem der Literaturhunde werden bei diesem linden Spaß zwischen zwei bekannten Autoren aber vorausgesetzt. Sie kokettieren ja nicht nur mit ihrer Intimität in der Öffentlichkeit, sondern auch mit ihrem selten entschlüsselten, Namen und Werken zugeordneten Wissen. Vielleicht wird, wer alle Anspielungen verstanden hat, in die Oberstufe versetzt? Taugt der Briefwechsel als literarisches Quiz, so ist doch durch ihn der Klassiker von Konrad Lorenz "So kam der Mensch auf den Hund" für die Hinführung zum "Hund an sich" nicht zu ersetzen und bleibt weiter unentbehrlich. KATHARINA RUTSCHKY

Verena Auffermann und Iso Camartin: "Nelke und Caruso. Über Hunde". Eine Romanze. Berlin Verlag, Berlin 1997. 160 S., geb., 29,80 DM.

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