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Diese Hardcover-Ausgabe ist Teil der TREDITION CLASSICS. Der Verlag tredition aus Hamburg veröffentlicht in der Buchreihe TREDITION CLASSICS Werke aus mehr als zwei Jahrtausenden. Diese waren zu einem Großteil vergriffen oder nur noch antiquarisch erhältlich. Mit TREDITION CLASSICS verfolgt tredition das Ziel, tausende Klassiker der Weltliteratur verschiedener Sprachen wieder als gedruckte Bücher zu verlegen und das weltweit! Die Buchreihe dient zur Bewahrung der Literatur und Förderung der Kultur. Sie trägt so dazu bei, dass viele tausend Werke nicht in Vergessenheit geraten.

Produktbeschreibung
Diese Hardcover-Ausgabe ist Teil der TREDITION CLASSICS. Der Verlag tredition aus Hamburg veröffentlicht in der Buchreihe TREDITION CLASSICS Werke aus mehr als zwei Jahrtausenden. Diese waren zu einem Großteil vergriffen oder nur noch antiquarisch erhältlich. Mit TREDITION CLASSICS verfolgt tredition das Ziel, tausende Klassiker der Weltliteratur verschiedener Sprachen wieder als gedruckte Bücher zu verlegen und das weltweit! Die Buchreihe dient zur Bewahrung der Literatur und Förderung der Kultur. Sie trägt so dazu bei, dass viele tausend Werke nicht in Vergessenheit geraten.
Autorenporträt
Adalbert Stifter wurde am 23.10.1805 in Oberplan (Böhmerwald) geboren. Er kam als Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers aus einfachen Verhältnissen. Als er 12 Jahre alt war, starb der Vater, und er wurde von da ab von den Großeltern erzogen. Er besuchte von 1818 bis 1826 das Gymnasium und studierte anschließend bis 1830 in Wien zunächst Jura, dann Naturwissenschaften und Geschichte, machte aber keine Abschlußprüfung. Stifter wollte gern Landschaftsmaler werden. Den Lebensunterhalt verdiente er sich als Privatlehrer in Wiener Adelshäusern. 1848 zog Stifter nach Linz und lebte dort die letzten Jahrzehnte seines Lebens. In seinen letzten Lebensjahren war er schwerkrank und litt unter Depressionen. Ob er Selbstmord beging, ist nicht sicher nachzuweisen. Er starb am 28.1.1868.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2012

Am Anfang dieses Schriftstellerlebens stand ein Sprachverbot

Komödiantische Verzweiflung: Die späten Erzählungen Adalbert Stifters offenbaren überraschend parodistische Töne und faszinierende autobiographische Einblicke.

Das Spätwerk Stifters, das dieser Band der "Bibliothek des österreichischen Eigensinns" präsentiert, gehört zu den rätselhaftesten literarischen Hervorbringungen des neunzehnten Jahrhunderts. Von den Zeitgenossen, deren Leseerwartungen sich zunehmend am Realismus ausrichteten, wurde es verschmäht - zu altersabstrakt erschienen Erzählungen wie "Nachkommenschaften", "Der Kuss von Sentze" und "Der fromme Spruch". So war Stifter immer ein Wiederentdeckter, von der "Nachsommer"-Begeisterung Nietzsches bis zu den Stifter-Exerzitien Peter Handkes und Arnold Stadlers. Wiederentdeckt wurde der späte Stifter auch von der jüngeren Literaturwissenschaft. Der zeremonielle Leerlauf der Sprache faszinierte semiotische Leser, denen die realistische Abbildfunktion literarischer Sprache längst suspekt geworden war.

In komödiantischem Verzweiflungston verflucht der Ich-Erzähler der Novelle "Nachkommenschaften" die Landschaftsmalerei und die Maler, die sich vor Wasserfällen und Ritterburgruinen postieren, um ein Landschaftsbild nach dem anderen zu malen: Kulturinfarkt. Allerdings ist dieser Friedrich Roderer selbst ein Landschaftsmaler, und er rechnet aus, wenn er fortan sein Leben lang - und er entstammt einer sehr zur Langlebigkeit tendierenden Familie - immer weiter Landschaften malt, wie viele große Wagen voller Landschaftsbilder da am Ende zusammenkommen: "Es ist entsetzlich. . ." Dieser manische Ton, rhythmisiert durch Wiederholungen, liest sich wie eine Parodie des Thomas-Bernhard-Stils, nur dass er hundert Jahre früher geschrieben wurde. Man spürt, wie viel Bernhard Stifter zu verdanken hat, auch wenn er diese Spur in den Stifter-Beschimpfungen des Romans "Alte Meister" verwischt hat.

Friedrich Roderer versucht auf einer Leinwand akribisch die Moorlandschaft festzuhalten, die sein Verwandter, der Großgrundbesitzer und Philanthrop Peter Roderer, unterdessen trockenlegt. Am Ende erweist sich Friedrich als echter Roderer. Zur Familientradition gehört es nämlich, sich eines Tages radikal von dem abzuwenden, was man bis dahin mit fanatischer Leidenschaft betrieben hat. So wie Peter Roderer sich einst von der Dichtung abkehrte, als er einsehen musste, dass er Homer wohl doch nicht übertrumpfen würde, so rodet Friedrich Roderer seine Kunst aus, vernichtet all seine Gemälde und heiratet zum "Doppelrodererwohl" die Tochter Peter Roderers. Es ist eine Parodie auf die Kunstreligion des neunzehnten Jahrhunderts, der Stifter selbst in vielen seiner Werke zugearbeitet hat. Sehr überraschend, wie selbstironisch der oft gravitätisch ernste Autor hier auftritt.

Die Geschichten spielen in Adelskreisen, und meist haben sie eine komödienhafte, ihre Konstruiertheit geradezu ausstellende Handlung: Hochzeiten mit Hindernissen. Zentral ist der Familienkult, der vom Biedermeierlichen ins Bizarre hinübergespielt wird. Es geht um die Erzeugung von existentieller Wiederholung und Gleichförmigkeit mittels Verwandtenehe. Zusammengeschmolzene Geschlechter zeugen sich fort in Unnatur. An dieser auch formalen "Unnatur" störte sich zuletzt auch Stifters Verleger Heckenast. Er beklagte die Steifheit und Gezwungenheit; die Dialoge seien alle "wie auf Schrauben gestellt". Tatsächlich dürfte es kaum ein anderes Werk der Vormoderne geben, das in der Rücknahme explizierender Beschreibung zugunsten formelhafter Benennung so weit geht wie "Der fromme Spruch". Die Geschwister Gerlint und Dietwin treffen sich, um der Spruchweisheit, die Ehen würden im Himmel geschlossen, ein wenig nachzuhelfen und die Vereinigung der nächsten Generation voranzutreiben. Auch deren Vertreter heißen Gerlint und Dietwin, woraus sich merkwürdig spiegelbildliche Satzgebilde ergeben. Die Reden der Figuren bestehen aus unermüdlich replizierten Grußformeln und anderen Sprechritualen, die alles Unvorhersehbare tilgen. Man spricht, um möglichst wenig zu sagen und sich immer aufs Neue des Einverständnisses zu versichern: Leben und Reden als Tautologie. Daraus ergibt sich eine stark formalisierte, artifizielle, wie unter Ordnungszwang stehende Prosa, die wie eine sanfte Parodie des befriedeten Wunschlebens wirkt, das Stifter im "Nachsommer" entfaltet hat. Befremdlich ragt eine einzige gewaltsame Erinnerung aus der geglätteten Erzähloberfläche: wie Gerlint einst Dietwin zu Boden warf und ihren Kopf ins Gras drückte, bis sie sich nicht mehr regte. Worauf Dietwin aufsprang, ein Messer vom Gartentisch nahm und auf Gerlint einstach. Ansonsten werden Rosen gezüchtet oder, im "Kuss von Sentze", Moose anhand der wissenschaftlichen Literatur klassifiziert.

Gelegentlich schlägt Liebe durch, so in der pädagogischen Novelle "Der Waldbrunnen", wo ein alter Mann fassungslos zum ersten Mal im Leben Zuneigung um seiner selbst willen erfährt - ausgerechnet von einem verwilderten Waisenkind. Momente der wahren Empfindung, wie in den großen Novellen der "Studien" gibt es auch in der autobiographischen Erzählung "Aus dem bayrischen Walde", der Beschreibung einer Naturkatastrophe, eines ungeheuren dreitägigen Schneefalls. Es beginnt mit differenzierter Landschaftsbeschreibung; dann aber wird alle Differenzierung ins weiße wirbelnde Nichts zurückgenommen. Die Stimmung des Erzählers kippt von Faszination in Entsetzen. Er wird den Schnee nicht mehr los; auch wenn er die Augen schließt, hat er das Flirren innen auf den Lidern. Als es endlich aufhört zu schneien, ist draußen alles so zugeschüttet, dass das landschaftliche Orientierungswissen, das zuvor behäbig ausgebreitet wurde, hinfällig ist. Thomas Mann nahm sich diese Erzählung zum Vorbild für das Schnee-Kapitel des "Zauberbergs". Sie zeigt mit ihrem Einbruch des Erhabenen, wie sehr die harmonisierten Kunstwelten Stifters Schutzvorrichtungen gegenüber Gefährdungen, Schrecknissen und Verstörungen sind, die sich sonst in seinen Texten eher als bedrohliche Unterströmung geltend machen.

In dem nur achtseitigen Versuch einer Autobiographie behauptet Stifter, sein Leben sei so einfach gewesen "wie ein Halm wächst". Und liefert gleich konträr dazu seine erste Erinnerung: ein Gefühl des Entsetzens. Klirren, Schmerz, blutige Hände - offenbar hat er eine Scheibe zerschlagen, denn die Großmutter sagt: "Mit einem Knaben, der die Fenster zerschlägt, redet man nicht." Am Anfang dieses Schriftstellerlebens: ein Sprachverbot. Und die Erinnerungskonstruktion reicht noch weiter zurück ins Vorsprachliche, in frühkindliche oder gar pränatale Zustände: Gefühlsinseln, die "feen- und sagenhaft in dem Schleiermeere der Vergangenheit liegen, wie Urerinnerungen eines Volkes". Am Ende dieses faszinierenden Textes findet der Junge zur Sprache. Auf dem Fensterbrett sitzend, liest er Bücher, beobachtet die Straße und bringt die Welt in Form und Formulierung: "Da geht ein Mann nach Schwarzbach, da fährt ein Mann nach Schwarzbach, da geht ein Hund nach Schwarzbach, da geht eine Gans nach Schwarzbach... Ich mache Schwarzbach."

WOLFGANG SCHNEIDER

Adalbert Stifter: "Nachkommenschaften". Späte Erzählungen.

Hrsg. v. Karl Wagner. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2012. 367 S., geb., 24,- [Euro].

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