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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Metropolis
  • Seitenzahl: 233
  • Erscheinungstermin: 28. Oktober 2010
  • Deutsch
  • Abmessung: 208mm
  • Gewicht: 310g
  • ISBN-13: 9783895188435
  • ISBN-10: 3895188433
  • Artikelnr.: 31844717
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2011

Wirtschaftsbücher
Alles eine Frage
der Haftung
Der Präsident war wie gelähmt. „Wenn wir nicht entschieden handeln, werden wir eine Krise erleben, die schlimmer sein wird, als die Große Depression“, hatte ihm sein Finanzminister Henry Paulson soeben gesagt. Fassungslos starrte George W. Bush vor sich hin. „Wie konnte es so weit kommen?“, fragte er nur. Zweieinhalb Jahre liegt diese Szene aus dem Weißen Haus inzwischen zurück. Doch Bushs Frage ist noch immer nicht zufriedenstellend beantwortet. Erklärungsversuche für die Finanzkrise gibt es zwar zuhauf, doch allzu oft erschöpfen sie sich in einer Auflistung von Faktoren, die irgendwie beigetragen haben zum Chaos auf den Märkten. Auch der Abschlussbericht der Kommission, die der US-Kongress zur Ursachenforschung berufen hatte, enttäuschte. Was nach wie vor fehlt, ist eine Struktur, ein Gedankengerüst.
Die jungen deutschen Ökonomen Armin Steinbach und Philipp Steinberg bieten gleich zu Beginn ihres Buches „Nach der Krise ist vor der Krise“ einen Ansatz, der Bushs Ratlosigkeit zumindest lindern könnte. Die Finanzkrise sei das Resultat einer systematischen Missachtung des Haftungsprinzips, schreiben sie. Schon daran wird deutlich: Das Buch ist klüger als sein Titel. Die Autoren haben mehr zu bieten als abgewandelte Fußballweisheiten. Sie analysieren die Fehlentwicklungen vor und nach der Finanzkrise von 2008, und sie zeigen die Bedingungen für nachhaltiges Wachstum auf. Eine davon ist, den zentralen Stützpfeiler der Marktwirtschaft wieder aufzurichten, der in den Jahren vor der Krise weggebrochen war. Haftung, schreiben die Autoren, „dient als Sanktionsinstrument für verantwortungsloses Handeln“. Soll heißen: Wer die Verluste aus seinen Geschäften selbst tragen muss, zügelt seinen Risikodrang. In den Jahren vor der Krise hafteten Banken und ihre Besitzer nur sehr eingeschränkt. Gewinne wurden privatisiert, Verluste sozialisiert. Auch bei den Gehältern zeigte sich ein eklatanter Mangel an Haftung. In keiner anderen Branche wird Versagen so fürstlich honoriert.
Neue Regulierungsvorschriften könnten dem Haftungsprinzip in der Finanzwelt zur Gültigkeit verhelfen, glauben die Autoren. An diesem Maßstab messen sie Reformen, insbesondere in Deutschland und Europa, und kommen zu einem ernüchternden Ergebnis. Zwar erhöhen die verschärften Kapitalvorschriften die Haftungsgrenze der Aktionäre, was ihnen den Anreiz geben sollte, auf verantwortungsvolles Handeln der Banker zu dringen. Allerdings gibt es weiter Großbanken, die als systemrelevant gelten, aber kein schlüssiges Konzept, wie man mit ihnen im Krisenfall verfahren sollte.
Die Autoren schreiben aus linksliberaler Perspektive. Steinberg ist Redenschreiber von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Steinbach arbeitet als Referent im Wirtschaftsministerium. Vor allem im dritten Abschnitt des Buches wird die politische Orientierung deutlich. Kapitel für Kapitel deklinieren sie sozialdemokratische Forderungen durch, samt Transaktionssteuer und Mindestlöhne. Leider gelingt es den Autoren nicht immer, die komplexe Materie verständlich zu präsentieren. Zu unvermittelt führen sie Kernkapitalquoten und Liquiditätshebel an. Damit befinden sie sich zwar in guter deutscher Akademikertradition. Nur verblasst das Buch im Vergleich zur angelsächsischen Fachliteratur, die zugänglicher, zugleich aber nicht weniger analytisch ist. Dennoch ist „Nach der Krise ist vor der Krise“ ein informatives Buch. Es richtet sich an all jene, die sich schon mit dem Finanzsystem beschäftigt haben – und sich zugleich nicht an den Fußballmetaphern stören. Denn diese ziehen sich durchs ganze Buch, Halbzeitstand und Schlusspfiff inklusive.
Moritz Koch
Armin Steinbach, Philipp Steinberg: Nach der Krise ist vor der Krise. Haben wir die richtigen Lehren gezogen, und was bleibt zu tun? Metro-polis Verlag 2010.
233 Seiten. 19,80 Euro.
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