Dieser Band versammelt literarische Fundstücke prominenter Autoren, in denen die malerischen Winkel, die Ruhe, der Wein des Moseltals gerühmt, aber auch historische Verhältnisse und soziale Umbrüche dokumentiert werden. Ergänzt werden die Texte durch Postkarten, mit denen Unbekannte zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ihre Lieben von der Mosel grüßten.
»An der Mosel ging es noch an. Wir soffen uns langsam den Fluss hinab, wir fuhren mit dem Saufbähnchen von Trier nach Bulley hinunter, und auf jeder dritten Station stiegen wir aus und sahen nach, wie es mit dem Weine wäre. Es war.«
Kurt Tucholsky
»An der Mosel ging es noch an. Wir soffen uns langsam den Fluss hinab, wir fuhren mit dem Saufbähnchen von Trier nach Bulley hinunter, und auf jeder dritten Station stiegen wir aus und sahen nach, wie es mit dem Weine wäre. Es war.«
Kurt Tucholsky
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2011Große Weine, traurige Unterkünfte
Goethe, natürlich. Der Deutschen Dichterfürst darf nicht fehlen im Reigen von Schriftstellern, Journalisten, Künstlern und anderen Berühmtheiten - darunter der aus dem Weindorf Winningen stammende Automobilbauer August Horch -, die über die Mosel geschrieben haben. Nicht die Passage von der dramatischen Flussfahrt mit anschließender glücklicher Rettung und wegen des frostigen Empfangs durch die Hausherrin nicht ganz so glücklicher Einkehr in Traben-Trarbach fand indes Aufnahme in den Band. Die Herausgeber entschieden sich vielmehr für das "Monument von Igel", wie die Begebenheit in Traben-Trarbach erstmals veröffentlicht in der "Campagne in Frankreich 1792". "Lust und Liebe" vermochte Goethe am spätantiken Grabmal, das nach wie vor an seinem Platze steht, auszumachen und notierte minutiös jedes Detail. Apropos Spätantike: Ausonius, vom Jahr 365 an in Trier Lehrer und Erzieher des Kaisersohns Valentinian I., besingt "die wunderbaren und schmackhaften Fische der Mosel". Fortunatus, der im sechsten Jahrhundert seine Reise von Metz nach Trier beschreibt, setzt die literarische Geschichte der Mosel fort. Von Wein ist in beiden Texten keine Rede, obwohl seit den Römern Reben die sich dramatisch aufwerfenden Uferhänge bedecken. Das Alleinstellungsmerkmal des Flusses aber war der Wein noch nicht. Was sich ändern sollte. Als Mary Shelly im Juni 1840 eine Bootsreise von Piesport nach Trarbach unternahm, konnte die Frankenstein-Erfinderin vor der Besteigung eines Hügels bereits darauf hoffen, "mit dem versprochenen hervorragenden Wein der Region die Kräfte wieder herzustellen". Es bedurfte des erlösenden Trunks aus einem weiteren Grund: Der Gasthof, in dem die britische Schriftstellerin abstieg, war "elend", die Zimmer waren "wenig trostspendend", zu essen gab es Bratkartoffeln. Die Mischung aus großen Weinen und traurigen Unterkünften dürfte heutigen Moselreisenden noch immer bekannt vorkommen. Warum es also nicht gleich wie Kurt Tucholsky halten? Er soff sich 1922 "langsam den Fluß hinab", stieg auf jeder dritten Station zwischen Trier und Bullay aus, um nachzusehen, "wie es mit dem Weine wäre". Ja wie schon? "Es war", antwortet der fidele Publizist sich selbst.
ksi
"Mosel. Eine Lese-Verführung" herausgegeben von Hans Jürgen Balmes und Jürgen Hosemann. Fischer Verlag, Frankfurt 2010. 287 Seiten. Gebunden, acht Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Goethe, natürlich. Der Deutschen Dichterfürst darf nicht fehlen im Reigen von Schriftstellern, Journalisten, Künstlern und anderen Berühmtheiten - darunter der aus dem Weindorf Winningen stammende Automobilbauer August Horch -, die über die Mosel geschrieben haben. Nicht die Passage von der dramatischen Flussfahrt mit anschließender glücklicher Rettung und wegen des frostigen Empfangs durch die Hausherrin nicht ganz so glücklicher Einkehr in Traben-Trarbach fand indes Aufnahme in den Band. Die Herausgeber entschieden sich vielmehr für das "Monument von Igel", wie die Begebenheit in Traben-Trarbach erstmals veröffentlicht in der "Campagne in Frankreich 1792". "Lust und Liebe" vermochte Goethe am spätantiken Grabmal, das nach wie vor an seinem Platze steht, auszumachen und notierte minutiös jedes Detail. Apropos Spätantike: Ausonius, vom Jahr 365 an in Trier Lehrer und Erzieher des Kaisersohns Valentinian I., besingt "die wunderbaren und schmackhaften Fische der Mosel". Fortunatus, der im sechsten Jahrhundert seine Reise von Metz nach Trier beschreibt, setzt die literarische Geschichte der Mosel fort. Von Wein ist in beiden Texten keine Rede, obwohl seit den Römern Reben die sich dramatisch aufwerfenden Uferhänge bedecken. Das Alleinstellungsmerkmal des Flusses aber war der Wein noch nicht. Was sich ändern sollte. Als Mary Shelly im Juni 1840 eine Bootsreise von Piesport nach Trarbach unternahm, konnte die Frankenstein-Erfinderin vor der Besteigung eines Hügels bereits darauf hoffen, "mit dem versprochenen hervorragenden Wein der Region die Kräfte wieder herzustellen". Es bedurfte des erlösenden Trunks aus einem weiteren Grund: Der Gasthof, in dem die britische Schriftstellerin abstieg, war "elend", die Zimmer waren "wenig trostspendend", zu essen gab es Bratkartoffeln. Die Mischung aus großen Weinen und traurigen Unterkünften dürfte heutigen Moselreisenden noch immer bekannt vorkommen. Warum es also nicht gleich wie Kurt Tucholsky halten? Er soff sich 1922 "langsam den Fluß hinab", stieg auf jeder dritten Station zwischen Trier und Bullay aus, um nachzusehen, "wie es mit dem Weine wäre". Ja wie schon? "Es war", antwortet der fidele Publizist sich selbst.
ksi
"Mosel. Eine Lese-Verführung" herausgegeben von Hans Jürgen Balmes und Jürgen Hosemann. Fischer Verlag, Frankfurt 2010. 287 Seiten. Gebunden, acht Euro.
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