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Mohammed und kein Ende: Gilt einerseits die traditionelle Prophetenbiografie als bare Münze, werden andererseits Zweifel an seiner historischen Existenz laut. In der Figur Mohammeds bündelt sich ein religiös und ideologisch motivierter Kampf um "Wahrheiten". Rainer Brunner beleuchtet das historische Umfeld des Propheten, seine Funktion als Staatsmann und Religionsstifter. Und die Wirkung Mohammeds auf das islamische Recht, die Geschichtsschreibung und die Volksfrömmigkeit.

Produktbeschreibung
Mohammed und kein Ende: Gilt einerseits die traditionelle Prophetenbiografie als bare Münze, werden andererseits Zweifel an seiner historischen Existenz laut. In der Figur Mohammeds bündelt sich ein religiös und ideologisch motivierter Kampf um "Wahrheiten". Rainer Brunner beleuchtet das historische Umfeld des Propheten, seine Funktion als Staatsmann und Religionsstifter. Und die Wirkung Mohammeds auf das islamische Recht, die Geschichtsschreibung und die Volksfrömmigkeit.
Autorenporträt
Rainer Brunner, Dr. phil., geb. 1964; Privatdozent für Islamwissenschaft am Orientalischen Seminar der Universität Freiburg. Seit 2005 Directeur de recherche am CNRS (Paris); umfangreiche Vortragstätigkeit, unter anderem zum Thema Islam in Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2012

Die Beleidigung des Propheten
Mohammed ist den Muslimen eine Projektionsfläche für eine bessere Welt

Die Anhänger des Islams nennen sich Muslime und nicht "Mohammedaner". Denn Mohammed ist für die Muslime nicht Gott, sondern lediglich ein Prophet, wenn auch der letzte in einer langen Kette von Propheten. Auf das, was sie als Verunglimpfung ihres Propheten empfinden, reagieren Muslime jedoch berechenbar in einer Art, die Angehörige anderer Religion nicht billigen und bei Verletzungen ihrer religiösen Gefühle auch nicht nachahmen würden.

In jüngster Zeit reicht der Bogen von Salman Rushdies "Satanischen Versen" über den Karikaturenstreit bis zum pakistanischen Blasphemiegesetz, das zur Verfolgung religiöser Minderheiten missbraucht wird. Nur vorläufig endet er bei der Erstürmung der amerikanischen Botschaft in Kairo und des amerikanischen Generalkonsulats in Benghasi. Nie geht es um die historisch fassbare Gestalt Mohammeds, sondern um das Bild, das sich die Gläubigen von ihm machen. Der Freiburger Islamwissenschaftler Rainer Brunner, der auch in Paris am CNRS forscht, hat ein handliches und gut lesbares Taschenbuch herausgebracht, das beide Themenbereiche abdeckt. Vor allem widmet sich Brunner der Frage, worin Mohammeds Wirkung auf das muslimische Selbstverständnis liegt und weshalb heutige Kontroversen so sehr von ihm abhängen.

Die Quellen zu seinem Leben halten einer modernen Quellenkritik nicht Stand. Der Koran geize "mit belastbaren Fakten merkwürdig", schreibt Brunner, und in der zweitwichtigsten Quelle, dem Hadith, den Worten und Taten des Propheten, sei nach Mohammeds Tod viel erfunden worden. "Sie zeigen die Geschichte des frühen Islams mithin nicht, wie sie möglicherweise war, sondern wie sie, jedenfalls in den Augen der jeweiligen Parteiungen, hätte sein sollen." Eine tendenziöse Historiographie bescheinigt Brunner der dritten Quelle, der Prophetenbiograhie des Ibn Ishaq (st. 767), die mehr als ein Jahrhundert nach den Ereignissen verfasst wurde, die sie beschreibt. Wichtig ist sie dennoch. Denn bis heute ist sie die Grundlage sämtlicher muslimischer und vieler westlicher Darstellungen zu Mohammed. Ein Bild von Mohammed und der frühislamischen Geschichte entstand, das im Lauf der Zeit zu einem "zentralen Identitätsanker der heutigen muslimischen Welt" wurde.

Dabei wurde die Prophetenverehrung auch zu einer politischen Waffe. Das pakistanische Blasphemiegesetz formuliert etwa: "Wer durch geschriebene oder gesprochene Worte, durch eine versteckte Anspielung oder Andeutung den geheiligten Namen des heiligen Propheten Mohammed besudelt, ist mit dem Tod oder einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu bestrafen."

Mohammed ist den Muslimen zweifach wichtig. Zum einen ist er in allen fünf Grundpflichten des Islams präsent, beispielsweise im Glaubensbekenntnis, das lautet: "Es gibt keinen Gott außer (dem einen) Gott, und Mohammed ist sein Prophet." Wichtig ist er ihnen auch als Projektionsfläche für alle Sehnsüchte nach einer besseren Welt. Über Jahrhunderte ist sie durch die Heiligenlegenden, die sich um den historischen Mohammed zu ranken begannen, entstanden. Die Hoffnung wuchs, seine Vollkommenheit als sündloser Mensch nun auch in der Gegenwart wieder lebendig werden zu lassen, damit Allah die Teilhabe der Gläubigen an seiner Allmacht sicherstelle.

Religion ist, was ihre Anhänger aus ihr machen. Die Geschichte der Religionen sei die Geschichte der menschlichen Hoffnungen, schreibt Brunner. Und Propheten werden zu Flächen, auf die diese Hoffnungen projiziert werden. Sprengstoff birgt das dann, wenn Muslime auf Darstellungen mit Gewalt reagieren, die Mohammed nach ihrem Verständnis respektlos und in einem anderen Kontext zeigen als es die hagiographische Prophetenverehrung vorgibt. Wer glaubt, lässt sich durch wissenschaftliche Zweifel der heutigen Welt nicht beeindrucken. Selbst wenn viele Gewissheiten zur Geschichte des frühen Islams kritischen Fragen heute nicht standhalten, treibt der Mohammed des 7. Jahrhunderts auch noch im 21. Jahrhundert die Menschen um. Der Einband des Taschenbuchs zeigt daher das Transparent einer Demonstration, auf dem es heißt: "Wer unseren Propheten beleidigt, beleidigt uns alle."

RAINER HERMANN

Rainer Brunner. Mohammed. Wissen, was stimmt. Herder 2011, 127 Seiten, 8,99 Euro.

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