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Produktdetails
  • Verlag: Laaber-Verlag
  • 3. Aufl.
  • Seitenzahl: 332
  • Deutsch
  • Abmessung: 245mm
  • Gewicht: 816g
  • ISBN-13: 9783890073958
  • ISBN-10: 3890073956
  • Artikelnr.: 07480887
Autorenporträt
Peter Gülke, geb. 1934; Professor an der Universität Basel. Dirigent und Musikschriftsteller. Nach Tätigkeit an den Opernhäusern in Stendal, Potsdam, Stralsund, Dresden und Weimar zuletzt 1985-1996 Generalmusikdirektor in Wuppertal. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Musik der deutschen Klassik und Romantik. 1995 Verleihung des Sigmund-Freud-Preises der Darmstädter Akademie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.1999

Ein Klassebuch ohne Klassenkampf

Neuauflagen sind Wertmesser für ein Buch: Es verkauft sich immer noch. Eine neue Ausstattung verrät den gewandelten Geschmack. Der unveränderte Nachdruck dagegen signalisiert Gültigkeit, Nostalgie oder die Verbeugung vor einem verehrungswürdigen Quellentext. Angefügte Kapitel setzen die Geschichte fort. Hinter der Verheißung "Völlig überarbeitete Neuauflage" verbirgt sich oft nur ein Make-up: ergänzte Literaturlisten und Register. Einen ungewöhnlichen Weg ist ein Autor gegangen, der im Nachwort zum unveränderten Nachdruck eines immerhin schon ein Vierteljahrhundert alten Buches aus seiner Feder zum kritischen Lesen auffordert: Lektüre mit doppeltem Boden, zwischen den Zeilen lugt der Autor biographisch hervor. "Mönche, Bürger, Minnesänger": Im DDR-Sozialismus, in dem der gebürtige Weimarer litt und wegen seines Widerspruchsgeistes von der Stasi verhört wurde, konnte der Buchtitel als subversiv gelten - er zielte auf die falschen Klassen. Der Autor lenkt mit einer scheinbar unverdächtigen Spur ab: der Sympathie für die arbeitende Klasse. Zuflucht zur offiziellen Nomenklatur oder deren Verinnerlichung? Der Schreiber mahnt, "vor einer unsauberen Vermischung soziologischer und ästhetischer Wertungen auf der Hut zu sein und falsche Rückschlüsse von der schmalen sozialen Basis" her zu meiden. Doch manchmal erliegt er beinahe den Verlockungen des rechten Glaubens an die Abhängigkeit des Überbaus von der Basis. Beinahe erliegt unser Autor auch der Versuchung, in forscher Schubladentechnik das musikalische Mittelalter im "Gänsemarsch der Epochen" (Ernst Bloch) abzuhandeln. Ist der selbstgewisse Ton bloß der Bestimmung des Buchs für einen breiteren Interessenkreis geschuldet oder "vulgärmarxistischen Vereinfachungen"? Der Autor geht im Nachwort mit sich ins Gericht und folgt den Spuren seines Buches, wo solche Vereinfachungen sich trotz aller Gegenwehr niedergeschlagen haben - "in einer von den Tatsachen nicht gedeckten Sicherheit in bezug auf den Verlauf mancher Konfliktlinien und Abgrenzungen". Er fordert seinen Leser dringend auf, "mißtrauisch zu sein gegenüber verdächtig griffigen Vereinfachungen". Natürlich zählt unser kritischer Leseunterweiser auch Stichpunkte auf, an denen die musikwissenschaftliche Kenntnis den Stand des Buches überholt hat. Sie mögen Fachleute mehr ansprechen als Laien. Und gerade hier sichert der Autor sich und den geneigten Leser doppelt ab: durch die selbstkritische Gewissenhaftigkeit, die er allen Fallstricken zum Trotz schon vor fünfundzwanzig Jahren erreichte, und die Hilfen, die er im Nachwort zur Neuauflage dem Leser gewährt, der sich mit dem neueren Forschungsstand auseinandersetzen möchte. Viel aufschlußreicher wäre eine Antwort darauf, ob das Buchthema nicht eine Flucht ins politisch fernliegende Mittelalter impliziert, weit weg vom real existierenden Sozialismus. Aber da schweigt sich der Autor in seiner persönlichen Vergangenheitsbewältigung aus - das wäre für ihn selbst womöglich allzu gefährliches Terrain. "Es gab also viele Gründe", so das Resümee, "derentwegen der Verfasser den Nachdruck nicht lauthals begrüßen konnte." Aber gerade im Verzicht, sein Buch "zum neuen Kenntnisstand hin aufzuarbeiten" - was einem neu geschriebenen Buch gleichgekommen wäre -, liegt der Gewinn eines kritischen Leselehrgangs: gleichsam mit zwei Augen, die in verschiedene Richtungen weisen. Der Verfasser lehrt das Rezipieren zwischen den Zeilen, das er, unter zwei totalitären Regime einzuüben gezwungen war. Glücklicherweise hat er - der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke - sich die Aufsässigkeit bewahrt, mit der er jetzt den Leser unverblümt an die Hand nimmt ("Mönche, Bürger, Minnesänger". Die Musik in der Welt des Mittelalters. 3. Auflage. Laaber Verlag, Laaber 1998. 332 S., Abb., geb., 78,- DM). Kunst ist ihm nach wie vor eine moralische Anstalt, Gewissenhaftigkeit sich selbst, der Forschung und der klingenden Musik gegenüber eingeschlossen.

ELLEN KOHLHAAS

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