Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 10,00 €
  • Gebundenes Buch

Fünf Jahrzehnte nach dem Bau der Berliner Mauer und zwanzig Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung berichten Heidemarie und Dr. Günter Zytariuk über ihr Leben in der DDR und ihre Flucht in die Bundesrepublik. Als Leiter einer staatlichen Praxis im brandenburgischen Löwenberg hatten der Mediziner und seine Familie ein materiell sorgenfreies Leben. Aber Propaganda und Wirklichkeit des Sozialismus der DDR widersprachen sich, die Staatspartei SED beherrschte das Leben der menschen und duldete keine öffentliche Kritik; staatliche Willkür, Überwachung und Kontrolle bestimmten den Alltag. Bei…mehr

Produktbeschreibung
Fünf Jahrzehnte nach dem Bau der Berliner Mauer und zwanzig Jahre nach dem Ende der deutschen Teilung berichten Heidemarie und Dr. Günter Zytariuk über ihr Leben in der DDR und ihre Flucht in die Bundesrepublik. Als Leiter einer staatlichen Praxis im brandenburgischen Löwenberg hatten der Mediziner und seine Familie ein materiell sorgenfreies Leben. Aber Propaganda und Wirklichkeit des Sozialismus der DDR widersprachen sich, die Staatspartei SED beherrschte das Leben der menschen und duldete keine öffentliche Kritik; staatliche Willkür, Überwachung und Kontrolle bestimmten den Alltag. Bei Heidemarie und Dr. Günter Zytariuk wurde so schon früh der Drang nach Freiheit geweckt und er wurde von Jahr zu Jahr stärker. Schließlich sollten die beiden Söhne nicht in Unfreiheit erwachsen werden. Der Arzt und seine Frau beschlossen, der DDR den Rücken zu kehren. Seit 1977 probierten sie, auf eigene Faust in die Bundesrepublik zu flüchten. Aber erst 1983, nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen, erreichten sie mit Unterstützung von Helfern in einer spektakulären Aktion und unter großer Gefahr ihr Ziel. Sie haben es nie bereut: "In Freiheit leben zu können, ist aller Mühe wert. In der gleichen Situation würden wir wieder so handeln.", lautet ihr Fazit heute.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2011

Die Flucht
Wahre Geschichten über die Mauer beginnen mit der Frage: Gibt es einen Ausweg?

Eigentlich geht es an diesem 13. August um die Mauer, und wie sie vor fünfzig Jahren durch Berlin gebaut wurde. Aber die Mauer war nicht nur die Mauer. Deshalb wird in diesen Tagen an all die Geschichten erinnert, die erzählt werden müssen, wenn es um "die Mauer" geht. Es sind die Geschichten, die dem monströsen Bauwerk die Bedeutung geben, die es nicht anders verdient - das Leben mit der Mauer, das für viele kein Leben mehr war. Die Geschichten drehen sich um Flucht und Fluchthelfer, um Ausreise und Verbote, um Tote und Verletzte.

Solche Geschichten spielen weitab der Weltpolitik, ja oft auch weitab der Mauer, aber den Flüchtlingen ging es mindestens einmal so im Leben wie dem Ärztepaar aus Löwenberg in der Nähe Berlins, dessen Erzählung hier herausgegriffen sei. Sie standen im Osten Berlins immer wieder vor der Mauer - und dachten nicht, wie es das Regime gerne gehabt hätte, dass sie von fürsorglichen Antifaschisten vor dem Rest der Welt geschützt werden mussten. Sondern an Demütigung und Hilflosigkeit. Und an die Frage: Gibt es einen Ausweg?

Wer sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen wollte, für den gab es nur einen Ausweg: die Flucht. Warum aber flieht ein Arzt aus der DDR, gehörte er nicht zu den Privilegierten, die sich einen bescheidenen Wohlstand organisieren konnten? Ging es ihm nicht eigentlich ganz gut? Die Frage verrät jemanden, der sich nicht erklären kann, warum neun Fluchtversuche unternommen werden, warum es von 1977, dem Jahr des ersten Versuchs, bis 1983 dauerte, bis es endlich gelang. Das waren sieben Jahre der Angst, entdeckt zu werden, sieben Jahre der Vertuschung, der Vorbereitungen, des Scheiterns, der Enttäuschungen, des Sich-wieder-Aufraffens, des unfreiwillig konspirativen Lebens.

Warum nimmt man das auf sich? Der Bruch mit dem System sei der Mauerbau gewesen, schreiben Günter und Heidemarie Zytariuk, damals noch Schüler; am ersten Jahrestag habe es ein geheimes Schülertreffen gegeben - die dritte Strophe des Deutschlandlieds wurde gesungen. Vielleicht ist das Warum auch deshalb heute im Westen so schwer zu erklären - welcher Schüler wäre hier in den sechziger Jahren auf den Gedanken gekommen, das Deutschlandlied zu singen (wenn er denn den Text kannte)?

Aber als das Ehepaar dann 1977 zum ersten Mal die ersten Vorbereitungen traf, ging es auch schon gar nicht mehr nur um Freiheit. Es ging um noch viel mehr: Die Kinder sollten es einmal besser haben.

Günter und Heidemarie Zytariuk wählten, um ganz sicherzugehen, nicht den direkten Weg über die Mauer oder den Todesstreifen, sondern die Route über die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien. Die Fluchtvorbereitungen wurden immer wieder als Urlaub getarnt. Leider blieb es dann auch immer wieder nur beim Urlaub. Bis dann der 8. Oktober 1983 kam, als Fluchthelfer sie auf einem Campingplatz in Ungarn mit ihren beiden Söhnen in den präparierten Hohlraum eines Lastwagens einschweißten, in dessen Laderaum ein Formel-eins-Rennwagen stand - zur Ablenkung der Grenzwächter. Das gelang.

Die Mauer war aber nicht nur im Osten so allgegenwärtig. Sie blieb es auch im Westen - jedenfalls für diejenigen, die aus dem Osten kamen. Im Notaufnahmelager Gießen soll Günter Zytariuk den Fluchtweg schildern. Dann aber wird ihm gesagt: "Schreiben Sie nicht zu genau, denn in unserer Dienststelle hat die Stasi mindestens zwei Spitzel, wir wissen nur nicht, wer es ist."

JASPER VON ALTENBOCKUM

Günter und Heidemarie Zytariuk: Mit Formel 1 durch den Eisernen Vorhang. Aus dem Leben einer deutschen Arztfamilie. Pro Message Verlag, Ludwigshafen 2011. 144 Seiten, 17,80 Euro.

Rezensionen, Artikel, Aufsätze, Bücher zum Mauerbau aus fünfzig Jahren als Dossier des F.A.Z.-Archivs unter www.faz-download.de

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr