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Präsidenten-Wahlkampf mit TV-Duellen, Sex-Affären und Schlammschlachten: Aus der Sicht des Ich-Erzählers Henry Burton, Mitglied des Wahlkampfstabes von Jack Stanton, wird der scheinbar unaufhaltsame politische Aufstieg Stantons beschrieben, eines unbekannten Gouverneurs aus den Südstaaten, der zusammen mit seiner energischen Frau Susan das Ziel hat, den mächtigsten Job der Welt zu bekommen. Dann werden erste Skandale bekannt, die das strahlende Bild Stantons zu trüben beginnen... Unschwer läßt sich in diesem spannenden Thriller der Aufstieg von Bill und Hillary Clinton wiedererkennen, der…mehr

Produktbeschreibung
Präsidenten-Wahlkampf mit TV-Duellen, Sex-Affären und Schlammschlachten: Aus der Sicht des Ich-Erzählers Henry Burton, Mitglied des Wahlkampfstabes von Jack Stanton, wird der scheinbar unaufhaltsame politische Aufstieg Stantons beschrieben, eines unbekannten Gouverneurs aus den Südstaaten, der zusammen mit seiner energischen Frau Susan das Ziel hat, den mächtigsten Job der Welt zu bekommen. Dann werden erste Skandale bekannt, die das strahlende Bild Stantons zu trüben beginnen... Unschwer läßt sich in diesem spannenden Thriller der Aufstieg von Bill und Hillary Clinton wiedererkennen, der Roman - eine Mischung aus Facts und Fiction - zeigt, wie Politik und Macht funktionieren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.1996

Skorpione belügt man nicht
Anonym, aber deutlich: "Mit aller Macht" erzählt aus Clintons Wahlkampagne · Von Burkhard Scherer

Henry Burton ist alles andere als ein politisches Greenhorn: Gleich nach dem Studium wurde er von einem Kongreßabgeordneten engagiert, und in den sechs Jahren, in denen er ihm zuarbeitet, schafft der es bis zum Mehrheitsführer im amerikanischen Kongreß. Da wird Burton die Luft zu dünn, er steigt aus, doch lange dauert die Verschnaufpause nicht, ein bis dahin kaum bekannter Südstaatengouverneur nimmt den jetzt Dreißigjährigen in sein Wahlkampfteam auf. Dort hat man Großes vor: Jack Stanton will Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden, und Henry Burton traut ihm das zu, denn er ist für ihn "das größte politische Naturtalent, das ich je erlebt habe". Für Stantons Frau Susan hingegen ist der Kandidat "ein unzuverlässiger, rücksichtsloser, chaotischer und undisziplinierter Scheißkerl", was sie freilich nicht daran hindert, die Ambitionen des Gatten nach Kräften zu fördern.

Jack Stanton hat in der Tat auch einige Eigenschaften, die das Vorankommen ein wenig erschweren. Ein Kernproblem faßt Olivia Holden, eine alte Freundin der Stantons, in dem Satz zusammen: "Jack hat seinen Schniedel schon in weiß nicht was gesteckt", und in dem "weiß nicht was" steckt eine unkalkulierbare Bedrohung. Denn was immer darüber in die Hand der Medien gelangte, könnte die ganze Kampagne torpedieren. Olivia Holden bekommt deshalb den Job, und ihre Aufgabe ist es, die Vergangenheit des Kandidaten wie auch die seiner Kokurrenten zu klären. Aus Olivia wird "Libby Dustbuster".

Das ganze Wahlkampfteam läuft monatelang übertourig, jäh schwankend zwischen Euphorie nach einem gelungenen Fernsehauftritt Stantons und tiefer Depression nach schlechter Presse oder neuen Negativzahlen des Hausdemoskopen Leon Birnbaum. Es sind ständig übermüdete, mit Junk Food vollgestopfte Menschen, stets in der Furcht vor dem einen Satz, der ihnen oder dem Kandidaten das Genick brechen kann, und immer auf der Hut vor den Medienvertretern, die unablässig herumlungern, umhegt und umpflegt sein wollen und von denen man doch nie weiß, was sie im Köcher haben. Im Wahlkampfslang heißen sie "Skorps", Skorpione. "Es ging nicht mehr um die Menschen, es ging um die Skorps", bilanziert Henry Burton den Wahlkampf in New Hampshire.

Als Mitglied der Stanton-Familie lernt Burton nach und nach immer mehr Schattenseiten seiner einstigen Lichtgestalt Jack Stanton kennen. Was sich für Burton herausschält, ist nun nicht gleich das Bild eines Schurken vom Kaliber Nixons, aber doch das einer Person, die den Anspruch, ein neuer Typ von Politiker zu sein, nicht einlösen kann: zu viele kleine Lügen, zu viele faule Kompromisse, zu viele Schritte jenseits der verkündeten Moral. "Für mich war der Wahlkampf vorbei", notiert Burton als Resultat dieser Erkenntnis auf Seite 424, noch in Unkenntnis der bald einsetzenden Selbstreinigung des Kandidaten. Auf die Einsicht, "zwei Drittel von dem, was wir machen, ist verwerflich", folgt die Bitte an den Helfer: "Sie müssen bei mir bleiben."

Henry Burton erzählt diese Geschichte vom Wahlkampf des Gouverneurs Jack Stanton um die Nominierung zum Kandidaten der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahlen 1992 und seine eigene Rolle dabei ausgesprochen packend, mit stimmigen, plastischen Figuren, Dialogen weit jenseits des Wörterbuchs des politisch Korrekten und mit atmosphärisch gelungenen Bildern, die den Leser in das Geschehen hineinziehen, als Leseerlebnis vergleichbar mit Tom Wolfes "Fegefeuer der Eitelkeiten". Aber nicht der Wahlkämpfer Henry Burton erzählt hier aus seinem Leben, sondern der anonyme Autor bedient sich dieser fiktiven Figur als Ich-Erzähler. Die Person hinter "Anonymus" wurde bislang trotz intensiver Suche noch nicht gefunden. Jack Stanton hingegen wurde umgehend als Bill Clinton identifiziert.

"Mit aller Macht" spielt mit vielen Motiven aus Clintons frühem Wahlkampf: etwa der angeblichen Affaire des Kandidaten mit der Nachtclubsängerin Gennifer Flowers, die hier als Cashmere McLeod wiederaufersteht. Wer die Schilderungen des realen Clinton-Wahlkämpfers James Carville kennt (Mary Matalin und James Carville, with Peter Knobler: "All's Fair", New York 1994), wird einige Wiederbegegnungen erleben. Stantons ganze Wahlkampfzentrale in Mammoth Falls ist besetzt mit Figuren, die aus Clintons "War Room" in Little Rock recht gut bekannt sind. James Carville etwa heißt Richard Jemmons (und ist hier um einiges freakiger, als Carville sich in seinem Buch selbst zeichnet), doch will das Buch weniger ein Schlüsselroman sein als vielmehr "Faction", wie es im Land seiner Herkunft heißt, ein Amalgam aus harten Clinton-Fakten und luftiger Stanton-Dichtung - die Schwängerung der Tochter des schwarzen Imbißbudenbesitzers Fat Willie etwa hat bis heute kein "Skorp" dem amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten anzuhängen versucht.

"Mit aller Macht" ist ein luzider Blick in die amerikanische Politikmaschine, die nun sehr wenig von der Unbeweglichkeit des Tankers hat. Hier geht es vielmehr um die Ambitionen eines Mannes (den hat man schon), die Themen, ihn zu verkaufen, werden sich finden, und das mit der Wendigkeit eines Schnellbootes. Und es ist eine Parabel über Politik und Moral, angesiedelt an höchster Stelle. An Vorläufern herrscht in diesem Genre kein Mangel, die Amerikaner kümmern sich gern um die da oben. Ein Meilenstein ist zum Beispiel Frank Capras Film "State of the Union" von 1948, in dem Spencer Tracy als Millionär und Flugzeugbauer Grant Matthews seine Ambition, Kandidat der Republikaner zu werden, wegen moralischer Bedenken zurückzieht.

Bei diesem Entschluß spielt Alkohol eine tragende Rolle, und auch bei Anonymus wird am Schluß (und ausschließlich dort) Alkohol getrunken, Bourbon, nachdem sich die Kandidaten Stanton und Picker privat ausgiebigst beichtend gegenübersaßen. Stanton wollte es eigentlich Tracy/Matthews gleichtun, wird aber von seinem Konkurrenten ausgebremst, der ihm mit seiner Rückzugsankündigung zuvorkommt. Capras Film war lustiger, das Buch von Anonymus ist lebensnäher. Daß die Übersetzung von "Primary Colours", in großer Eile von einem Übersetzerinnenquartett besorgt, ohne ins Auge springende Schnitzer auskommt - vom wenig passenden Titel abgesehen -, sei am Schluß doch auch noch erwähnt.

Anonymus: "Mit aller Macht". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Christiane Buchner, Brigitte Jakobeit, Sabine Roth und Uda Strätling. List Verlag, München 1996. 469 S., geb., 44,- DM.

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