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Der Blues, der Süden, die zwanziger Jahre. Robert Leroi Johnson, der legendäre Bluessänger aus dem Mississippi-Delta, ist einer der Väter dieser faszinierenden Musik. Schon zu Lebzeiten eine Legende, produzierte er Songs von solcher Intensität, daß man ihm nachsagte, er habe seine Seele dem Teufel verkauft. In Mosleys Roman wird sein Mythos beschworen, erzählt von dem alten Bluesmusiker und ehemaligen Freund Johnsons, Soupspoon Wise, der im heutigen New York lebt. Schwer erkrankt, landet er nach der Zwangsräumung seines Appartements auf der Straße. Dort trifft er Kiki, eine rothaarige Weiße,…mehr

Produktbeschreibung
Der Blues, der Süden, die zwanziger Jahre. Robert Leroi Johnson, der legendäre Bluessänger aus dem Mississippi-Delta, ist einer der Väter dieser faszinierenden Musik. Schon zu Lebzeiten eine Legende, produzierte er Songs von solcher Intensität, daß man ihm nachsagte, er habe seine Seele dem Teufel verkauft. In Mosleys Roman wird sein Mythos beschworen, erzählt von dem alten Bluesmusiker und ehemaligen Freund Johnsons, Soupspoon Wise, der im heutigen New York lebt. Schwer erkrankt, landet er nach der Zwangsräumung seines Appartements auf der Straße. Dort trifft er Kiki, eine rothaarige Weiße, Mitte dreißig, die ein schlimmes Schicksal hinter sich hat. Zwischen den beiden Außenseitern entspinnt sich eine von Zärtlichkeit und Mitgefühl geprägte Freunschaft. Kiki hilft "Soup" wieder auf die Beine, und er macht sich daran, seine Erinnerungen und das Vermächtnis von RL Johnson auf Tonbändern festzuhalten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2003

Unter der Hand Gottes und nah am Wasser gebaut
Immer haben die Menschen gerne nahe am Wasser gebaut. Hatten die Idee vor Augen, auf alle Zeit mit dem elementarsten Lebenselixier versorgt zu sein, träumten angesichts des wohlfeilen Transportweges vom Wirtschaftsaufschwung. Dass der Fluss sich nicht an die Regeln der zivilisierten Fortbewegung hält und regelmäßig überschwappt, ist schlimm genug. Dass er dabei auch noch die parallel geführte Eisenbahnstrecke ruiniert, ist lästig. Der Fluss gibt und nimmt, schenkt und bestraft wie die große starke Hand Gottes. Das fasziniert die Menschen, das treibt sie an die Ufer der Flüsse, das macht sie süchtig nach der Nähe des göttlichen Stroms. Ob Franzosen, Deutsche, Engländer – der Mississippi schlug sie alle in seinen Bann. Eher durch einen Zufall entstand die frühe Bildgeschichte des Mississippi aus dem 19.Jahrhundert, die heute anmutet wie ein zartes, schüchternes Gedicht über den mächtigen Strom. In romantischem Blaustich wurde sie nun wieder veröffentlicht. Über den Fotografen des Mississippi-Epos, Henry P.Bosse, ist wenig bekannt. Er wurde 1844 in Deutschland geboren, kam 1865 nach Amerika und arbeitete dort als Buchhändler, später auch als Zeichner. 1878 erhielt er den Auftrag, eine Truppe von Ingenieuren der Armee zu unterstützen, die den Mississippi neu und detaillierter kartografieren sollten. Aber Bosse kannte den damals noch wilden Fluss zu gut, um der Vorstellung einer exakten und endgültigen grafischen Fixierung des Flussverlaufs zu verfallen. Stattdessen kam er auf die Idee, von wichtigen Flussabschnitten Momentaufnahmen zu erstellen, die in ihrer Reihung letztlich ein genaueres Bild abgeben würden als die penibelsten Landkarten. Dass dies die ästhetische Ausgangsposition für die nun neu edierten Fotografien sei, auf diese Idee käme man nicht ohne weiteres. Denn Bosse scheint diese Vorgabe irgendwann vergessen und sich der kunstvollen Landschaftsfotografie hingegeben zu haben. (Mississippi Blue. Hrsg. von Charles Wehrenberg. Twin Palms Publishers über GVA Göttingen, 2002. 162 Seiten, 60 Euro.)
HELMUTMAURÓ
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.1998

Der Suppenlöffel des Satans
Als auch ich einmal aufwachte: Walter Mosley erzählt vom Blues

Wenn ein Autor erfolgreicher Kriminalromane sein gewohntes Terrain verläßt und sich eines Stoffes außerhalb des Genres annimmt, liegt die Vermutung nahe, daß wir es mit einem Herzensanliegen zu tun haben. Walter Mosley, der sich mit seiner Figur des schwarzen, im Los Angeles der fünfziger Jahre gegen das weiße Establishment ankämpfenden Privatdetektivs "Easy" Rawlins nicht nur in den Vereinigten Staaten einen Namen gemacht und damit überdies eine Identifikationsfigur für seine schwarzen Landsleute geschaffen hat, unternimmt mit "Mississippi Blues" den - freilich nur teilweise gelungenen - Versuch, dem originärsten Beitrag der Afroamerikaner zur nordamerikanischen Gegenwartskultur ein Denkmal zu setzen: ihrer Musik. In den selbstbewußten Worten, die Mosley seiner Hauptfigur, dem alten Bluesmusiker Atwater "Soupspoon" Wise, in den Mund legt, offenbart er seinen Schreibanlaß: "Die Geschichte der Schwarzen ist kein so trockener Stoff wie die der Weißen. Die Geschichte der Schwarzen besteht aus Erzählungen, Worten und Musik. Mit ihrer Musik haben die Schwarzen die amerikanische Kultur begründet, aber niemand weiß wirklich Bescheid darüber, weil es nicht in Büchern festgehalten worden ist."

Die Verkörperung dieser schwarzen Gegenkultur ist für Mosley der legendäre Bluesgitarrist Robert Leroy Johnson, der in den dreißiger Jahren die Entwicklung des Blues entscheidend prägte. "Soupspoon" erinnert sich an den ehemaligen Freund, erzählt von gemeinsamen Sessions, von seiner glühenden Bewunderung, von Kämpfen mit der korrupten Polizei, von gemeinsam geliebten Frauen, von heißen Nächten, Eifersuchtsdramen und gescheiterten Liebesbeziehungen - all dies, zusammen genommen, ergibt so etwas wie die Seelenlandschaft der Schwarzen, auf der alle Kontinente "Blues" heißen. Im Blues, den "RL" Johnson spielen konnte, daß "einer Frau die Kleider vom Leib fielen", konnte man "den Schmerz herausschreien", im Blues "konnte man Freiheit verlangen". Denn: "Blues ist die Musik des Teufels, und wir sind seine Kinder. Und RL war Satans Lieblingssohn. Er hat uns alle hemmungslos gemacht, und weißt du, nur so konnten wir die Last dieser Zeit ertragen."

Sicherlich ist Bewunderung für einen großen Musiker nicht der schlechteste Antrieb für einen Schriftsteller, und Walter Mosley gelingt es, das Lebensgefühl und den Alltag der Schwarzen vor allem im amerikanischen Süden der dreißiger und vierziger Jahre lebendig werden zu lassen. Diese Teile des Romans, Erinnerungsbruchstücke "Soupspoons", die dieser ganz in der Tradition der mündlichen Überlieferung bezeichnenderweise auf einen Kassettenrecorder spricht, sind eine Art Blues aus Worten, die zu Tönen werden, aus temporeich wechselnden Bildern, die nach dem amerikanischen Süden schmecken, schwerblütig und sentimental, wirklichkeitsgesättigt und voller oft auch aggressiver Poesie. In seinen besten Momenten wird die Sprache des Romans - naturgemäß muß die ansonsten sehr einfühlsame Übersetzung von Dietlind Kaiser einige Nuancen des Slangs der Schwarzen unterschlagen - zu Musik, rauh und traurig, ein "harter Song von Krankheit und Tod", wie der Blues von RL Johnson.

Den Ausgangspunkt und Rahmen für diese Erinnerungsreise bildet freilich ein im New York der Reagan-Ära angesiedeltes Rührstück, in dem Mosley dem bereits in seinen Kriminalromanen anzutreffenden Hang zum Sozialkitsch erliegt. Mosley fügt die Stereotypen des Sozialmärchens zwar gekonnt, aber bei genauerem Hinsehen reichlich platt zusammen. Da ist die weiße Alkoholikerin Kiki, die den krebskranken, vom hartherzigen Hauswirt aus seiner Wohnung vertriebenen Bluesmusiker "Soupspoon" von der Straße aufliest, um mit ihm die Wohnung, später gar das Bett zu teilen. Da ist die kalte Versicherungsgesellschaft, bei der Kiki arbeitet und deren Computer sie manipuliert, um die sündhaft teure Behandlung Soupspoons zu bezahlen. Daß all dies mit dem Inzesttrauma der guten Samariterin, die als Kind von ihrem Vater mißbraucht wurde, begründet wird, macht die Geschichte nicht glaubwürdiger, verleiht ihr dafür um so mehr den Beigeschmack eines allzusehr auf gegenwärtige Modethemen schielenden, durchkalkulierten Melodrams.

So wird aus "Mississippi Blues" ein zwiespältiger, zwischen nostalgischer, atmosphärisch dichter Heldenverehrung, schwarzer Identitätssuche und vordergründiger Gesellschaftskritik changierender Roman, der von seinem souverän über seine erzählerischen Mittel - kunstvolle Rückblenden, assoziativ montierte Traum- und Erinnerungssequenzen - verfügenden Autor gerade vielleicht wegen seines Könnens mit allzu vielen Themen überfrachtet wurde. Das ehrenwerte Anliegen Mosleys nimmt dabei Schaden. Was immerhin bleibt, ist ein intensives Aroma: schwül, alkoholhaltig und voll traurig klagender Musik. MATTHIAS BISCHOFF

Walter Mosley: "Mississippi Blues". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dietlind Kaiser. Albrecht Knaus Verlag, München 1997. 348 S., geb., 39,50 DM.

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