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Ein reich gefüllter Fundus tut sich auf, wenn Hartmut von Hentig seine ganz persönliche Gedichtsammlung vorstellt. Zusammengetragen im Laufe eines bewegten Lebens finden sich in dieser Anthologie Gedichte, die aus vier Jahrhunderten stammen, kanonische und abgelegene, großartige und leise. Die Auswahl wird nicht bestimmt vom Anspruch, Exemplarisches oder Epochenspezifisches zu präsentieren, hier wird kein literaturwissenschaftliches Maß angelegt, sondern das der lebendigen Aneignung und fortgesetzten Auseinandersetzung. Alle enthaltenen Gedichte haben den Leser Hartmut von Hentig begleitet,…mehr

Produktbeschreibung
Ein reich gefüllter Fundus tut sich auf, wenn Hartmut von Hentig seine ganz persönliche Gedichtsammlung vorstellt. Zusammengetragen im Laufe eines bewegten Lebens finden sich in dieser Anthologie Gedichte, die aus vier Jahrhunderten stammen, kanonische und abgelegene, großartige und leise.
Die Auswahl wird nicht bestimmt vom Anspruch, Exemplarisches oder Epochenspezifisches zu präsentieren, hier wird kein literaturwissenschaftliches Maß angelegt, sondern das der lebendigen Aneignung und fortgesetzten Auseinandersetzung. Alle enthaltenen Gedichte haben den Leser Hartmut von Hentig begleitet, haben sich eingeschrieben in das Leben des Autors, der sich zeitlebens im Haus der Sprache bewegt hat. Hartmut von Hentig überlässt sich bei seiner Auswahl jedoch nicht dem literarischen "Anschlag auf meine Seele", der Liebhaberei. Er prüft jeden der Texte auf die Originalität der Sprache, die formale Disziplin und das Moment der Wahrhaftigkeit, bevor er sie aufnimmt.
Folgt der Leser der von v. Hentig vorgeschlagenen Einteilung, dann erschließt sich ihm die Sammlung über das, was der Dichter in und mit dem jeweiligen Gedicht tut, zum Beispiel "trauern und trösten", "aufbegehren und bezeugen" oder "spielen, spotten, schmunzeln". Register und bibliographischer Anhang erleichtern den Zugriff sowohl auf die einzelnen Gedichte als auch auf deren Quellen.
Ein Buch für stille und heitere, nachdenkliche und geistreiche Momente. Ein Buch, das Gedichte lebendig werden lässt. Ein idealer Geschenkband!
Autorenporträt
Hartmut von Hentig, geboren 1925 in Posen, Professor emeritus für Pädagogik an der Universität Bielefeld, war bis 1987 Wissenschaftlicher Leiter der Laborschule und des Oberstufen-Kollegs des Landes Nordrhein-Westfalen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.1999

Wer redet, ist nicht tot
Heiter ernst: Hartmut von Hentigs Anthologie deutscher Gedichte

Der Lehrer müsse sein Herz zum "amor intellectualis" rufen, mahnt der Poet und Pädagoge Wilhelm Lehmann - und definiert ihn so: "Das ist der Paradiesvogel, der über dem Wege der Phantasie schwebt." Hartmut von Hentig, ehemaliger Lehrer am Landerziehungsheim Bieklehof, darf wie Wilhelm Lehmann, der vierzig Jahre zuvor Erzieher an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf war, als die vollkommene Verkörperung dieses Paradiesvogels gelten: ein Erzieher mit eifernder Hingabe an den Menschen und die ihm gemäße Sprache, ein Hochschullehrer, der den pädagogischen Eros stets mit leidenschaftlicher Liebe zur Poesie verbunden hat.

Hartmut von Hentig hat nun eine Sammlung "Meine deutschen Gedichte" herausgegeben, als deren Leitsatz die Verse von Gottfried Benn gelten dürfen: "Kommt, reden wir zusammen / wer redet, ist nicht tot." Hentig meint das Reden im Gedicht, das poetische Sprechen, das weder beschreibend noch erklärend wiederholbar ist. Entsprechend seiner Vorstellung von Bildung, dem Bedürfnis zu folgen, "hinzuhören, sich auszusetzen und sich zu sammeln", ist ihm eine bewundernswert subjektive Auswahl deutscher Gedichte gelungen. Die Anthologie sagt über von Hentigs Einschätzung des Menschen und seine Pädagogik genauso viel aus wie über seine Auffassung der Beschaffenheit und beschwörenden Macht des Gedichts. Die Vollkommenheit sei keine Eigenschaft, keine platonische Idee, schreibt er im Vorwort, sie ergebe, ja konstituiere sich aus der Wirkung: "Die Erfahrung einer totalen Überwältigung, einer restlosen Befriedigung" bestimme ihre Qualität. Diese radikal existentialistische, gegen den Glauben an die kleinbürgerliche Wertmetaphysik des neunzehnten Jahrhunderts gerichtete Überzeugung des freien, eigengesetzlichen Lebensentwurfs bestimmt Hartmut von Hentigs Auswahl. So erscheint längst vergessene neben peinlich gehüteter, rührselig verkitschte neben abgesegneter hoher Poesie: "Müde bin ich, geh zur Ruh" steht neben Nietzsches "O Mensch! Gib acht! Was spricht die tiefe Mitternacht?", "Weißt du, wieviel Sternlein stehen?" neben Rühmkorfs "Komm raus aus deiner kaskoversicherten Dunkelkammer!"

Entgegen der vorherrschenden Auffassung, wahre Poesie entbinde sich aus der Not, der Sorge, der Verzweiflung, liest man im Kapitel "bejahren und danken" außergewöhnlich starke deutsche Gedichte, entstanden aus "der Einsicht, dass es gut ist, wie es ist - mitsamt der Entbehrung, dem Widerspruch, dem Schmerz". Von Goethe bis Benn, von Hölderlin bis Eich, von Eichendorff bis Ingeborg Bachmann und Rose Ausländer reicht die Reihe derer, die dem Leben und seinen widrigen Umständen zustimmen: "Heitern Sinnes, allen Ernstes", sagt Rühmkorf, im Zusammenspiel "von Verrücktheit und Melancholie", sagt Michael Krüger. In diesem Umkreis lebt der lang totgesagte Ludwig Uhland wieder auf, "wegen seines Wissens von meiner geheimen Qual", schreibt von Hentig, "und wegen seines darum ganz in die Melancholie verlegten Trostes".

Nietzsche schickt seine Verse ins Himmelsblau hinauf, Taubenschwärmen gleich, und lockt sie wieder zurück, "noch einen Reim zu hängen ins Gefieder - mein Glück!" Die Aufgabe des Lehrers sei es, Flügel zu schaffen und diese Flügel gebrauchen zu lehren, schrieb Wilhelm Lehmann. Hartmut von Hentig, der Paradiesvogel unter den Lehrern, hat diesen Auftrag beherzigt.

LUDWIG HARIG

Hartmut von Hentig: "Meine deutschen Gedichte. Eine Sammlung". Kallmeyer Verlag, Velber 1999. 784 S., geb., 44,80 DM.

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