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Produktdetails
  • Verlag: Carl Hanser
  • ISBN-13: 9783446181007
  • ISBN-10: 3446181008
  • Artikelnr.: 24067648
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.1995

Leben in Vermont

Von der Farm im hügeligen Vermont kann Robs Familie allein nicht leben. So muß der Vater neben der harten Arbeit auf den Feldern auch noch den verhaßten Beruf des Schweineschlächters ausüben. Als er stirbt, ist Rob dreizehn Jahre alt, er wird die Farm weiterführen, wie es sein Vater von ihm erwartet hat. "Sein Sohn zu sein, das war, als hätte ich einen König gekannt", denkt der Junge, der von nun an ein Mann sein muß.

Robert Newton Peck hat ein wunderbares Buch über seine Kindheit geschrieben, die trotz bitterer Armut reich war an tiefen liebevollen Gefühlen. Die Gewißheit, an Gottes Schöpfung teilzuhaben, geborgen zu sein und sich stets aufeinander verlassen zu können, gab Kraft.

Die Pecks sind Shaker, sie leben nach strengen Geboten, die uns so fremd sind, als kämen sie aus einer anderen, längst vergangenen Welt. "Unnötige Belustigungen" sind verboten. "Und für den Sonntag gilt das doppelt." Ein Fahrrad ist Teufelswerk und ein Wintermantel, den Rob sich sehnlich wünscht, Luxus, solange die Mutter etwas Warmes aus einem alten gewendeten Kleidungsstück nähen kann. Der Vater kann weder lesen noch schreiben, doch er hat gelernt, "mit dem ganzen Herzen zu hören". Und er hat die außerordentliche Fähigkeit, nahezu alle Dinge, die notwendig sind, selbst zu machen.

Dem Vater gilt die ganze Liebe und Bewunderung des Sohnes. Von ihm anerkannt zu werden macht ihn glücklich. Weil er die Lebensregeln des Vaters akzeptiert, erträgt er seine Außenseiterposition im Dorf und in der Schule. Nur manchmal überkommt ihn die Wut, und er möchte sich rächen an allen, die ihn wegen seiner schäbigen selbstgeschneiderten Hosen hänseln. Dann verflucht er auch die Armut, die den Vater zur verachteten Arbeit zwingt und ihn selbst zum Verzicht auf so vieles, was den Gleichaltrigen selbstverständlich ist.

Robert Newton Peck, ein erfolgreicher amerikanischer Schriftsteller, läßt den dreizehn Jahre alten Jungen, der er selbst einmal war, erzählen. Es gelingen ihm eindringliche Bilder von diesem harten Leben, in dem es bei aller wortkargen Liebe wenig zu lachen gab. Die Farm, die den Pecks erst in fünf Jahren gehören wird, bestimmt den Tagesablauf; die anvertrauten Tiere kommen zuerst, das Land fordert alle Kräfte bis zur Erschöpfung. Mensch und Tier sind Naturgewalten ausgeliefert, und vergebliche Anstrengungen sind nur mit einem unerschütterlichen Gottvertrauen zu ertragen. Robert Newton Peck beschreibt die alltäglichen wie die außerordentlichen Ereignisse dieser Kindheit mit faszinierender Lebendigkeit. Und doch ist Wehmut zu spüren, Abschied von einem Dasein, das es vermutlich auch bei den wenigen Shakers von heute nicht mehr gibt. Die Widmung, die diesem Buch vorangestellt ist, gleicht einem Epitaph: "Für meinen Vater, Haven Peck, einem stillen vornehmen Mann, dessen Beruf es war, Schweine zu töten." Die anrührende Kindheitsgeschichte aus einer Welt, die an die frommen Pilgerväter erinnert, scheint weit entfernt von unseren heutigen Lebensverhältnissen. Doch Robert Newton Peck ist es mit eindrucksvollen realistischen Bildern gelungen, sie beispielhaft in unsere Wirklichkeit hineinzustellen. Es sind die Werte und Grundlagen menschlicher Gemeinschaft, die hier in ihrem Ursprung deutlich werden.

MARIA FRISÉ.

Robert Newton Peck: "Mein Teil der Erde - Eine Kindheit in Vermont". A. d. Engl. v. Ulli u. Herbert Günther. Hanser Verlag, München 1995. 159 S. geb., 29,80 DM. Ab 12 J.

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