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Mihailo Putnik und sein lieber Freund Petrovic haben nach dem Zweiten Weltkrieg Hals über Kopf Jugoslawien verlassen und sind in die USA ausgewandert, wo sie erfolgreiche Universitätskarrieren absolviert haben. Als Rentner im fortgeschrittenen Alter kann Putnik jedoch dem Heimweh nicht länger widerstehen und kehrt nach Serbien zurück, in der Hoffnung, endlich Ruhe zu finden und dem Tod gelassen entgegenzusehen. Es kommt jedoch anders als erwartet. Putnik muß feststellen, daß er im Exil die negativen Seiten seines Heimatlandes ausgeblendet hat und seinen Sehnsüchten und Verklärungen zum Opfer…mehr

Produktbeschreibung
Mihailo Putnik und sein lieber Freund Petrovic haben nach dem Zweiten Weltkrieg Hals über Kopf Jugoslawien verlassen und sind in die USA ausgewandert, wo sie erfolgreiche Universitätskarrieren absolviert haben. Als Rentner im fortgeschrittenen Alter kann Putnik jedoch dem Heimweh nicht länger widerstehen und kehrt nach Serbien zurück, in der Hoffnung, endlich Ruhe zu finden und dem Tod gelassen entgegenzusehen.
Es kommt jedoch anders als erwartet. Putnik muß feststellen, daß er im Exil die negativen Seiten seines Heimatlandes ausgeblendet hat und seinen Sehnsüchten und Verklärungen zum Opfer gefallen ist. Von Altersmilde und abgeklärter Gelassenheit kann keine Rede sein: Putnik begegnet dem Provinzialismus und verbohrten Nationalismus seiner Landsleute auf Schritt und Tritt und muß erkennen, daß sein in Übersee mühsam erworbenes intellektuelles und finanzielles Kapital hier nichts wert ist und lediglich Naserümpfen hervorruft. Niemand ist wirklich daran interessiert, seine Ansicht zur Lage des Landes zu hören. Um seinen Freund vor der Nostalgiefalle zu bewahren, schreibt Putnik ausführliche Briefe nach Cleveland, Ohio, in denen er die politische, kulturelle und zwischenmenschliche Wirklichkeit des Landes schonungslos schildert.
"Mein lieber Petrovic" ist ein schmerzhafter Abgesang auf den Vielvölkerstaat Jugoslawien. Darüberhinaus ermöglicht die Lektüre aber auch eine universale Auseinandersetzung mit dem Thema Entwurzelung und Zugehörigkeit. Kann ein kritischer Intellektueller überhaupt irgendwo zu Hause sein? Putnik heißt Reisender, und so ist Danojlics briefeschreibender Held dazu verurteilt, auch in seiner vermeintlichen Heimat ein rastloser Wanderer zu bleiben, der sich seinen scharfsinnigen Beobachtungen nicht entziehen kann.
Autorenporträt
Danojlic, Milovan
Milovan Danojlic, geboren 1938 in Ivanovci, Jugoslawien, lebt heute in Poitiers. Mit seinem umfangreichen Werk zählt er zu den wichtigsten Autoren Serbiens. Mein lieber Petrovic ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman des Autors.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Für die Seele genügen drei Wochen

Milovan Danojlic stellt seiner serbischen Heimat die Gewissensfrage: Im Roman "Mein lieber Petrovic" rechnet er mit den moralischen Abgründen seiner Landsleute ab.

Von Tomasz Kurianowicz

Menschen sind wie Stachelschweine an einem kalten Wintertag, sagt Schopenhauer. Das Bedürfnis nach Wärme bringt sie zusammen; der Schmerz jedoch, den sie einander zufügen, führt sie wieder voneinander fort. Bevor man Milovan Danojlic' ersten ins Deutsche übersetzten Roman in die Hand nimmt, sollte man sich mit Schopenhauers trostloser Philosophie beschäftigen, damit die Verstörung, die sich beim Lesen einstellt, nicht allzu schnell Überhand gewinnt.

Ganz ohne Zweifel: "Mein lieber Petrovic" ist ein hoffnungsloser, ein traurig machender Roman. Es ist die schonungslose Abrechnung des Exilanten Mihailo Putnik, der nach dem Zweiten Weltkrieg aus seiner serbischen Heimat nach Amerika ausgewandert ist, um jetzt als Greis, 1977, voller Sehnsucht und Nostalgie wieder ins eigene Nest zurückzukehren. In zehn Briefen beschreibt der Ich-Erzähler seinem Freund Petrovic, der in Amerika zurückgeblieben ist, wie sein Land - ein zerrissenes Jugoslawien - sich in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Zum Schlechten, zum Bösen, zum Barbarischen hin.

Allem voran stehen die Reflexionen eines mit nostalgischem Ehrgefühl angereisten Mannes, der sich, als er noch im Exil lebte, an ein friedfertiges Land erinnerte. "Das Gedächtnis ist nicht der beste Ort, um die Wahrheit zu bewahren", heißt das Urteil, das aus tristen Alltagsbeobachtungen zusammengesetzt ist. Wie kann man auch Wahrheit aus der Vergangenheit an die Oberfläche holen, wenn sich das Erinnerte stets in ein unentwirrbares Knäuel aus Fiktionen verwandelt? Wie lässt sich Wirklichkeit erzählen, wenn die mühevoll heraufbeschworenen Gedanken fortwährend zerfließen und zerrinnen?

Der Heimgekehrte muss sich eingestehen, dass er in den letzten Jahren ein anderer Mann geworden ist. Er kann weder hier noch dort sein, weder ein Rastender noch ein Reisender sein, weder in Amerika, noch in Jugoslawien leben. Woran er leidet, ist der unwiederbringliche Verlust einer klar definierten Identität. Das Ich schwirrt im Nirgendwo herum, in einem ortlosen Raum, der nicht anders ausgefüllt werden kann als mit einem ewigen Gefühl der Zwietracht. Von diesem Gefühl muss Petrovic erfahren, er muss davon wissen, bevor er sich entscheidet, in den serbischen Teil Jugoslawiens zurückzukehren: "Um deine Seele zufriedenzustellen", heißt es in einem Brief, "genügen drei Wochen. So viel Zeit braucht man, um Verwandte zu besuchen, neuen Wein und alten Schnaps zu kosten, und um zu verstehen: Wenn es uns dort nicht passt, heißt das nicht, dass es uns hier gut gehen wird. Am besten wäre es, sowohl die eine als auch die andere Tür offen zu halten, oder wenigstens angelehnt, und nicht, unumkehrbar aus der einen Mausefalle in die andere hinüberzulaufen."

Was der 1938 geborene und heute in Frankreich lebende Danojlic beschreibt, ist ein Land, das sich durch tiefste Trägheit, Langeweile, Müdigkeit und Verlogenheit auszeichnet. Die Jugoslawien-Kriege erwähnt der Autor nicht - der Roman wurde ursprünglich 1990 verfasst -, und trotzdem sieht, fühlt und spürt man in jeder Zeile, dass der Schreibende nicht einverstanden ist mit dem Weg, den sein Land einschlägt. Einen blutigen Weg, den der Ich-Erzähler vorauszusehen scheint. "Das ist das Volk; dein, mein, unser Volk. Und ich, siehst du, kann es nicht lieben." Die Menschen werden als Schlitzohren beschrieben, die den Schnaps panschen, um sich auf Kosten anderer zu bereichern; als unverfrorene Diebe, die Touristen Unterschlupf gewähren, um dann heimlich deren Besitz zu stehlen; als bornierte Kommunisten und dumme Patrioten, deren Sturheit so unermesslich groß ist, dass nicht die klügste Erkenntnis eines Philosophen sie von ihren festgefahrenen, falschen Positionen abbringen kann - und schließlich als Säufer, die nach zwei Schluck Bier zur Waffe greifen, um aufeinander loszugehen. Das sind die Gründe, warum Serbien in Danojlic' Buch ein Land voller Kleinheit und Armut ist, voller Intoleranz und Respektlosigkeit; wo der Mensch nichts über seinen Nachbarn weiß und ihn trotzdem bedroht. Das führt sogar dazu, dass sich der heimgekehrte Putnik zurück ins Exil wünscht: "Überall ist es gleich, sagen schwachsinnige Verzweifelte. Du und ich wissen, dass es nicht überall gleich ist: Dort drüben ist es besser, obwohl es uns auch dort nicht gepasst hat." Das Einzige, was dem an der Heimat Erkrankten noch als Ausweg übrig bleibt, ist radikale Empörung und bohrend-wütender Protest. "Es gibt Menschen, für die der eigene Mist erträglicher riecht als der fremde; mir, hingegen, fällt der heimische Gestank am schwersten."

Selten liest man einen Text, der so melancholisch und zugleich so verzweifelt daherkommt wie Danojlic' verstörender Roman. In den Briefen, die eine fünfjährige Zeitspanne von 1977 bis 1982 umfassen, werden intimste Gefühle zum Ausdruck gebracht, die so schonungslos und desillusionierend sind, dass die evozierte Traurigkeit geradezu kathartische Wirkung entfaltet. Problematisch wird es dann, wenn man sich bewusst macht, dass das Buch eine deutsche Leserschaft finden soll, die sich mit den einseitigen, ahistorischen Ansichten des Autors auseinanderzusetzen hat, die einem klischierten, diesseits der Grenze fast bedrohlich wirkenden Serbienbild entsprechen. Das muss man im Kopf behalten, damit die kritischen, in Übertreibung mündenden Suaden nicht westliche Arroganz legitimieren. Man muss den Text als Protest eines besorgten Serben sehen, der mit dem kleinkarierten Chauvinismus seines Landes hart ins Gericht geht - ein Chauvinismus übrigens, der weltumspannenden Charakter hat. Denn die Menschen, die Danojlic aufs Korn nimmt, könnten wir alle sein.

Auf diese Weise verschanzt sich der glühende Demokrat, der einer der wichtigsten serbischen Schriftsteller der Gegenwart ist, in einer ambivalenten, kritisch hinterfragenden Beziehung zu seinem Land, wie es Thomas Bernhard in Beziehung zu Österreich tat oder Witold Gombrowicz im Verhältnis zu Polen. Es ist das Aufbegehren eines zutiefst pessimistischen Schriftstellers, der dennoch an die Kraft der Sprache glaubt und an die Macht literarischer Auflehnung.

Milovan Danojlic: "Mein lieber Petrovic". Roman.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 311 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2011

Der Singsang des Fluchens
Serbien nach dem Ausstieg aus dem Tito-Boot:
Milovan Danojlic und sein Roman „Mein lieber Petrovic“
Der hier schreibt, ist ein Schwärmer: „Dann nehmen die Wälder allmählich die Farbe von unreifem Tabak an. (. . . ) Wo die Autobahn aufgeschüttet wurde, wächst verwelkter Mohn: Der ganze Sommerglanz ist über ihn hinweg getrampelt, und jetzt lehnt er sich, ausgedünnt und durchsichtig, nur noch an die Luft.“ Eine sanfte Sprache, die nah an den Dingen bleibt, im nächsten Augenblick abstrakt wird, dann wieder zu ihnen zurückfindet: „Die Substanz ist an die Oberfläche aller Formen gelangt und wärmt sich, nackt, in der milden Sonne. Der Sommer ist zu Ende, der Herbst hat nicht begonnen. Der Himmel hat uns mit Licht überschüttet und zwingt uns, in unserer Nichtigkeit zu schwelgen.“
28. August 1977. Vor zwölf Jahren ist der pensionierte Universitätsprofessor Mihailo Putnik aus dem amerikanischen Exil in Ohio zurückgekehrt. Er schreibt an seinen alten Freund Steve Petrovic, der in Cleveland geblieben ist. Petrovic hat angedeutet, dass auch er zurückkommen möchte, hat um Auskunft gebeten, wie es denn sei. Nach Putniks Schwelgereien möchte man meinen, er rufe Petrovic auf, sofort ins Flugzeug zu steigen. Ganz im Gegenteil. Putnik sagt: Mach dich auf. Aber er hat einen doppelzüngigen Grund: „Es ist süßer, etwas zu bereuen, das du getan hast, als etwas, das du zu tun unterlassen hast (. . .) falls du zurückkehrst: komm ohne Hoffnung: Das ist der einzige Ratschlag, den ich dir geben kann.“
Zwei Dinge stören: die Menschen und die Stimmung, die sie verbreiten. Als Putnik sich zum ersten Mal dem Elternhaus im Dorf Kopanje näherte, hört er ein „Geschrei, das alles durchdringt“. Putnik ahnt schon: Adressat ist ein Kind. Eine wilde Beschimpfung folgt auf die andere. „Mir wurde schwindlig, eine fröhliche Verzweiflung ergriff Besitz von mir: Hier bin ich, das ist es.“ Nur hier wird „so genüsslich, in einem Singsang, und unter Beachtung aller Akzentlängen verflucht und geschimpft“.
Doch je länger Putnik bleibt, desto deutlicher sieht er, warum verflucht wird. Weil sich hier nichts bewegt. Wer ein neues Gartentor möchte, ist auf ähnlich hoffnungslosem Posten wie einer, der eine unabhängige Wochenzeitung gründen will. Putnik, der in Amerika gut verdient hat, hätte Geld für beides. Aber er kann es sich sparen. Er merkt: Wenn einer zurückkommt, hat er verloren. Der war doch gar kein Professor, denken die Leute, sonst wäre er dort geblieben. Immer neue Beispiele für Neid, Hass und Engstirnigkeit beschreibt Putnik. „Durch meine Rückkehr“, so sein Fazit, „haben du und ich aufgehört, im gleichen Jahrhundert zu leben.“ Das Konzept dieses Romans ist so leidenschaftlich wie klar. Er heiligt die Landschaft und zieht über die Menschen und die Strukturen her, die sie geschaffen haben. Putnik weiß: Er hätte nicht gehen sollen, aber er konnte nicht bleiben. Und er hätte nicht wieder kommen sollen, aber auch dort, wo alles geordnet ist, wo die Menschen bis zur Karikatur freundlich sind, war ihm auf Dauer nicht wohl.
Der erste Teil dieses Briefromans ist von den Wahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken des Ich-Erzählers bestimmt, aber um seinen Befund zu vertiefen, wählt er sich zwei Widersacher, die dageblieben sind. Aus der Not heraus, nichts Besseres zu tun zu haben, geht Putnik täglich ins Kaffeehaus und trifft sich mit Vuk Paligoric und Vito Lukic. Lukic ist Kommunist, Paligoric ein Nationalist, der behauptet, Patriot zu sein. Beide werden mit Sympathie und Mitleid vorgeführt, ihre Ansichten werden fein zerpflückt. Der liberale Ich-Erzähler weiß: Wir sitzen im selben Tito-Boot, dessen Schlingern zwischen den Blöcken zu einer relativen Freiheit führt, in der alle wirklichen Neuerungen unbeliebt sind.
Von diesem Roman, seinem so geschliffen scharf intellektuellen wie wehmutsgetränkt wahrnehmungsoffenen IchErzähler, dessen Suada die beiden Übersetzerinnen in ein schönes, altes, melodisch getragenes Deutsch gebracht haben, begeistert, beginnt man, sich etwas näher über den bislang im deutschen Sprachraum unbekannten Autor kundig zu machen: Milovan Danojlic, geboren 1938 in Ivanovici.
Danojlic hat Serbien Mitte der achtziger Jahre verlassen, als er bemerkte, dass heimlich seine Post geöffnet wurde. Da hatte er den Roman „Mein lieber Petrovic“ schon beendet. Seither lebt Milovan Danojlic im französischen Poitiers, wo er Universitätslektor für Serbokroatisch war. Doch vor allem scheint sich, dreißig Jahre nach Entstehen des Texts, ein anderer unter seinem Namen zu verstecken. Verehrt sein damaliger Ich-Erzähler westliche Demokratie und Rationalität, wird Danojlic in einem Interview, das er im Jahr 2000 gibt – man kann es auf www.regard-est.com nachlesen – anders deutlich: „Der Westen“, habe mit derartiger „Ungeschicklichkeit“ und „Ignoranz“ in Serbien interveniert, dass er mitschuldig sei, wenn sich die Leute jetzt „um ihren Präsidenten scharen“.
Serbien sei „das einzige balkanische Land, das noch nicht von Amerika beherrscht“ werde. Die Aussagen „von Bernard-Henri Lévy & Co.“ zum Thema seien „noch unterentwickelter“ als das, was „ich in der balkanisch-kommunistischen Wüste gehasst habe“. Und in einer Rede, die Danojlic im vergangenen Herbst auf den Regisseur Emir Kusturica hielt, bescheinigt er dem übereifrigen Konvertiten, der zu Karadzic & Co. schon einigen provokativen Unsinn hat verlauten lassen, in die „Reihe der tapferen und aufopfernden Kämpfer für die Wahrheit über Serbien“ getreten zu sein.
Was ist da geschehen? Ist aus dem liberal-demokratischen Ich-Erzähler eine Variante des einst müde belächelten Nationalisten Vuk Paligoric geworden? Die Diskrepanz zwischen dem so feinsinnigen und klugen Buch, das im Februar Platz 1 der SWF-Bestenliste belegte, und dem ausufernd polternden Politisieren seines Autors, ist so groß, dass man nachfragen muss.
Nach einem einstündigen Telefonanruf in Poitiers ist noch lange nicht alles klar. Aber Danojlic bleibt dabei, dass „das unterschiedslose, rassistische“ An-den-Pranger-Stellen „aller Serben“ ihn derart „erbost“ habe, dass ihm nichts anderes übriggeblieben sei, als „Patriot wider Willen“ (malgré moi) zu werden. Dabei kritisiert er serbische Politik weiterhin. „Wir sind zuerst Schuld“, und: „Täter bleiben Täter, Opfer bleiben Opfer. Die Gräueltaten, die von Serben angerichtet wurden, sind so schrecklich wie jene der anderen Seite.“ Die jetzige Regierung? „Furchtbar“. Sie habe „ihre Unabhängigkeit verloren“. Man fördere „einen entfesselten Kapitalismus, der alles zerstört, was wertvoll war“. Aus Buchhandlungen würden Parfümerien. „Es ist mit mir schon so weit gekommen, dass ich mich nach dem alten Regime zurücksehne. Nicht nach Tito, einem furchtbaren Kerl, aber nach ein paar rechtschaffenen Kulturfunktionären, denen es peinlich gewesen wäre, Kultur zu zerstören, wie es jetzt geschieht.“ Durch den Kauf von minderwertigem Samen habe man die serbische Landwirtschaft kaputtgemacht. „Noch vor fünf Jahren schmeckte ein Pfirsich nach Pfirsich, eine Tomate nach Tomate.“
Plötzlich schwärmt Danojlic wie sein Ich-Erzähler vor dreißig Jahren von serbischer Natur. Und dann schimpft er wieder über „die Amerikaner“, die er einst verehrte. HANS-PETER KUNISCH
MILOVAN DANOJLIC: Mein lieber Petrovic. Roman. Aus dem Serbokroatischen von Jelena Dabic und Mascha Dabic. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 311 Seiten, 24,90 Euro.
„Es ist süßer, etwas zu bereuen,
das du getan hast, als etwas, das
du zu tun unterlassen hast“
„Es ist mir nichts anderes
übriggeblieben, als
Patriot wider Willen zu werden“
Milovan Danojlic
Ministry of Culture of Republic of Serbia
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Milovan Danojlic, der schon seit vielen Jahren als Lektor und Übersetzer in Poitiers lebt, ist ein komischer und stellenweise sarkastischer Roman gelungen, so Peter Hamm, der weit in der Geschichte der Balkanvölker ausholt, um dann wieder den Bogen zu Mihailo Putnik zu schlagen, dem Protagonisten des in den siebziger und achtziger Jahren spielenden Briefromans. Putnik ist seines Zeichens ein aus den USA nach Serbien zurückgekehrter Schriftsteller und Verfasser der zehn Briefe an Petrovic, den noch in Amerika verharrenden Freund und Landsmann. Putnik verzehrt sich in Liebe und Hass zu seinem Heimatland, er leidet unter dem übersteigerten Nationalismus und der Passivität, die wiederum Hass erzeugt. Schließlich verlagert er sich auf absurd politisierende Kaffeehausgespräche, schwört dem Hass wie der Liebe und bald auch der Literatur ab und gibt sich dem "Summen der Zimmerfliege in den frühen Morgenstunden" hin. In dieser "Apotheose" sieht der Rezensent (Peter Handke zitierend) die vom Autor aufgezeigte Möglichkeit, wie es sich auf dem Balkan dennoch leben lässt.

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