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Was ist ein Medium? Die zeitgenössische Mediendebatte rekonstruiert Medien zumeist in Begriffen technischer Mittel und Apparate und (v)erklärt sie zum archimedischen Punkt unseres Weltverhältnisses. Das neue Buch von Sybille Krämer unternimmt einen Perspektivenwechsel: Was bedeutet es, wenn wir Medien nicht als Mittel, sondern als Mitte und Mittler bestimmen? Die Antwort darauf wird durch das »Botenmodell« gegeben, das Übertragung als ein kulturphilosophisches Schlüsselkonzept ausweist. Der Bote erscheint in diesem Zusammenhang als die Figur eines Dritten, der zwischen heterogenen Welten…mehr

Produktbeschreibung
Was ist ein Medium? Die zeitgenössische Mediendebatte rekonstruiert Medien zumeist in Begriffen technischer Mittel und Apparate und (v)erklärt sie zum archimedischen Punkt unseres Weltverhältnisses. Das neue Buch von Sybille Krämer unternimmt einen Perspektivenwechsel: Was bedeutet es, wenn wir Medien nicht als Mittel, sondern als Mitte und Mittler bestimmen? Die Antwort darauf wird durch das »Botenmodell« gegeben, das Übertragung als ein kulturphilosophisches Schlüsselkonzept ausweist. Der Bote erscheint in diesem Zusammenhang als die Figur eines Dritten, der zwischen heterogenen Welten plaziert ist und damit Kommunikation und Austausch ermöglicht. Die kulturstiftende Leistung des Übertragens wird am Beispiel der imaginären Figur des Engels, der Krankheitsübertragung durch Viren, der Eigentumsübertragung durch Geld, der Sprachübertragung in der Übersetzung, der Gefühlsübertragung in der Psychoanalyse und schließlich der Übertragung von Wahrnehmung und Wissen durch Zeugen analysiert. "Aisthetisierung" - im Sinne des Wahrnehmbarmachens eines Abwesenden bzw. eines Unsinnlichen - erweist sich dabei als die Elementaraufgabe von Medien. Sybille Krämer will mit ihrem Buch den Boden bereiten für eine kritische Auseinandersetzung mit unserem demiurgischen Selbstverständnis als Homo faber bzw. Homo generator. Was bedeutet es, wenn wir uns eher als Bote denn als Macher und Konstrukteur begreifen?
Autorenporträt
Sybille Krämer ist Professorin für Philosophie an der Freien Universität Berlin und Permanent Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.08.2008

Urszene mit automatischem Vogel
Es geht auch anders: Sybille Krämer erkennt im Boten das Metaphysische des Mediums
Über Medien ist seit einiger Zeit vielleicht eher schon zu viel als zu wenig Theoretisches verlautbart worden. Auf einem Markt mit Überangebot prangt auf den Produkten der Aufdruck „Jetzt ganz neu!” – dies ist bei Philosophien inzwischen kaum anders als bei Frischkäse. Sybille Krämers Innovation auf dem medienphilosophischen Markt ist: „der Bote”.
Der Bote erscheint freilich eher als etwas Altes denn als etwas Neues. Doch darin liegt kein Einwand. Denn Innovation in den Geistes- und Kulturwissenschaften besteht selten genug darin, dass eine oder einer neue Kreationen trägt. Meist schaut sie vielmehr so aus, dass alte Hüte aus der Kleiderkiste gezogen werden. Es kommt vor allem darauf an, sie mit Eleganz aufzusetzen und zu tragen. Und dies ist nicht zu verachten. Chapeau! Manche der alten Hüte sind es wirklich wert, stets aufs Neue getragen zu werden.
Denkbar schlicht
Mit einer charakteristischen Formulierung macht Krämer selbst aufs Alte ihrer Neuheit aufmerksam. Die Berliner Professorin will „die Figur des Boten als mediale Urszene einführen”. Allerdings sind Figuren keine Szenen. Figuren treten allenfalls in Szenen auf. Mit der Verwechslung von Figur und Szene in der Exposition des Buches nimmt sich dessen Antwort aus, als müsse sie die Frage unterbieten: wo eine Konstellation aufzuklären wäre, scheint Krämer bloß eine Gestalt zu offerieren.
Freilich ist der Bote nicht irgendeine Gestalt. Er stellt ja gleichsam ein Figur gewordenes Verb dar: der Bote ist, was er tut. „Was also tut der Bote? Er vermittelt zwischen heterogenen Welten, indem er Botschaften überträgt. Dieser Sachverhalt ist denkbar schlicht”.
Denkbar ist, er sei schlicht falsch. Denn nicht „Welten” schicken einander Botschaften. Leute tun es. Und wenn Kant den Königsberger Kollegen seinen Diener Lampe als Boten vorbeischickte, um sie zum Umtrunk zu laden, dann war gerade die Homogenität von Sender und Empfängern Voraussetzung dafür, dass die Botschaft ankam: sie sprachen die gleiche Sprache, sie schätzten alle Wein und eine gescheite Unterhaltung. Den Kaiser von China erreichten europäische Botschafter beim Homogenen von Handelsinteressen. (Natürlich ist Homogenität nicht Identität.) Selbst Gott muss persönlicher Gott sein und Gebote auf Hebräisch äußern, oder sonst wie erstaunlich homogen auftreten, sofern seine Botschaften die Menschen erreichen sollen.
Der Sprachbombast der „heterogenen Welten” zieht den Verdacht auf sich, nur den Pleonasmus aufzubauschen, der abzüglich seiner Prachtvokabeln von Krämers Satz übrigbleibt: Boten bringen Botschaften. Doch der Einwand mag die Ebene verfehlen, auf der die Autorin redet: Er ist zu konkret. Medien treten im Titel ihres Buchs ja zweifach auf: „Medium” im Obertitel, „Medialität” im Untertitel. Diese Unterscheidung ist, ebenfalls nach Krämers Untertitel, eine metaphysische Abstraktion. Kennzeichnend für Metaphysik ist eine Art Doppelsehen: zu jedem Ding tritt als Schatten etwas, das alle Dinge dieser Art oder Gattung gemeinsam haben. Wie es nach Platon nicht bloß Pferde, sondern auch die Pferdheit gibt, die sie erst zu Pferden macht, so gibt es zu Medien eine Eigenschaft namens Medialität, eine – so Krämer – „elementare Dimension”, welche Medien erst zu Medien macht. Selbstverständlich umgibt die Autorin ihre Metaphysik zeitgemäß mit allerhand ironischen Kautelen. Doch die von ihr beschworene Materialität und Körperlichkeit von Medien ist selber nur der metaphysische Schatten greifbarer Materialien und Körper.
Was spricht dann für eine Philosophie der Medien aus dem Geiste des Boten? Mindestens dreierlei. Erstens autoritative Zitate. Wenn in einer Kulturphilosophie der Medien ohne ein Zitat von Walter Benjamin nichts geht, dann geht mit einem solchen eigentlich alles. Zweitens rhetorische Fragen. „Können wir also den Dialog nicht so ansehen, als ob zwei Personen ‚taking turns broadcasting at each other‘?” Jemandem die eher minderbemittelte Vorstellung anzudrehen, er sende seinem Gegenüber einen Radiobeitrag, wenn er sich mit ihm unterhalte, ist ja durchaus eine Kunst. Nicht irgendeine rhetorische Frage vollbringt dies. Hier erreicht erst der Modus des Potentialis kombiniert mit einem „als ob” den erforderten Effekt. Wiederum geht, hat man sich auf das Spiel eingelassen, wirklich alles. Können wir den Anblick von jemandem nicht als Fernsehbild ohne Fernsehschirm ansehen? Wir können – also schauen wir eigentlich immer Fernsehen.
„Gleicht nicht die Rede des Boten der automatenhaften Rede von Descartes’ sprechenden Vögeln?”, fragt Krämer. Natürlich könnte einem im Gang der Lektüre unter solchem Suggestionsdruck der Geduldsfaden reißen: Nein, jene Rede gleicht dieser nicht, mag der Leser sagen, Boten sind keine Automaten, keiner von ihnen redet wie der andere, sie denken sich ihren Teil – auch wenn sie schlau genug sind, es für sich zu behalten –, und mit Vögeln haben sie nicht mehr gemein, als andere Leute auch.
Selbstgesetzte Spielregeln
Doch reagierte ein Leser so, stünde er als Pedant und Spielverderber dar, der den dritten, letzten, den schlagenden Trumpf einer aktuellen deutschen Kulturphilosophie der Medien verkannt hätte. Dieser Trumpf besteht in ihren selbstgesetzten Spielregeln. Deren oberste lautet, man könne alles natürlich auch ganz anders sehen. Man mag Gespräche als abwechselnde Rundfunksendungen betrachten oder auch nicht. Man mag Botschaften für mechanisches Vogelgeplapper erachten oder auch nicht. Wichtig ist nicht, ob man das eine oder das andere tut. Wichtig ist vielmehr, zu verstehen, dass es darauf überhaupt nicht ankommt. Und nur insofern hat eine Medienphilosophie, welche den Boten in den Mittelpunkt rückt, auch selber eine Botschaft.ANDREAS DORSCHEL
SYBILLE KRÄMER: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008. 379 Seiten, 28 Euro.
So sah Jacopo Zucchi (um 1540 – 1589/90) den Götterboten. Foto: bpk / Scala
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der hier rezensierende Professor für Ästhetik in Graz, Andreas Dorschel, kann sich nicht wirklich erwärmen für Sybille Krämers medientheoretische Abhandlung über die Figur des Boten. Ein wenig hat er den Eindruck, hier werde wieder einmal alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Die Absicht der Autorin, "die Figur des Boten als mediale Urszene" (Krämer) einzuführen, quittiert er mit der Feststellung, Figuren seien allerdings keine Szenen. Auch sonst zeigt er sich gegenüber den Argumenten Krämers überaus kritisch. Er hält ihr vor, einfache Einsichten mittels "Sprachbombast" und "Prachtvokabeln" aufzublähen, derart, dass sie dadurch auch noch unrichtig würden. Die Frage, was denn für eine auf den Boten fokussierte Philosophie der Medien spreche, beantwortet er süffisant. Sie bietet seines Erachtens erstens eine gute Gelgenheit, "autoritative" Zitate etwa von Walther Benjamin zum Bestens zu geben. Zweitens mittels rhetorischer Fragen bestimmte Effekte zu erzielen. Drittens könne sie durch "selbstgesetzte Spielregeln" auftrumpfen, deren oberste laute, man könne selbstverständlich alles auch ganz anders sehen.

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