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Max Weber zählt in Japan zu den herausragenden westlichen Denkern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sein Werk spielt in den japanischen Kultur- und Sozialwissenschaften eine wichtige Rolle und war für den Weg Japans vom »Zaubergarten« der traditionalistischen Kultur zur modernen Industriegesellschaft von großer Bedeutung. Umgekehrt hat auch Max Weber der asiatischen Welt ein besonderes Interesse entgegengebracht.
Die japanische Weber-Forschung, die in der westlichen Wissenschaft bisher nur unzureichend wahrgenommen wurde, beschränkt sich schon längst nicht mehr auf die Rezeption der
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Produktbeschreibung
Max Weber zählt in Japan zu den herausragenden westlichen Denkern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sein Werk spielt in den japanischen Kultur- und Sozialwissenschaften eine wichtige Rolle und war für den Weg Japans vom »Zaubergarten« der traditionalistischen Kultur zur modernen Industriegesellschaft von großer Bedeutung. Umgekehrt hat auch Max Weber der asiatischen Welt ein besonderes Interesse entgegengebracht.
Die japanische Weber-Forschung, die in der westlichen Wissenschaft bisher nur unzureichend wahrgenommen wurde, beschränkt sich schon längst nicht mehr auf die Rezeption der deutschen und angelsächsischen Ansätze, sondern legt eigene, sehr bedeutende Beiträge vor. Die Interpretationen des Weberschen Denkens aus einer nicht-westlichen Perspektive erweitern unseren Deutungshorizont und versprechen neue Einsichten.
Dieser Band trägt den zentralen Fragestellungen der japanischen Weber-Forschung Rechnung, greift aber auch deutsche und internationale Entwicklungen auf. Er stellt einen Schritt zu einem Dialog dar, der sowohl für die westliche als auch für die japanische Forschung neue Perspektiven eröffnet.
Autorenporträt
Wolfgang J. Mommsen, geboren 1930 in Marburg. 1968 - 1996 Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Düsseldorf. Er leitete von 1977 bis 1985 das Deutsche Historische Institut in London und war von 1988 bis 1992 Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. Er war Mitherausgeber der Max-Weber-Gesamtausgabe und lebte als Emeritus in Düsseldorf. 2004 kam Wolfgang Mommsen bei einem Badeunfall ums Leben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.08.2003

Unter Naturmenschen und Zauberweibern
Die Edition der Briefe Max Webers hat die Jahre 1913/14 erreicht
Max Weber, wie stets extrem wetterabhängig und im Frühjahr zur Entwöhnung von den leidigen Schlafmitteln allzeit süchtig nach dem sonnigen Süden, schwärmt am 11. April 1914 über das „himmlische Wetter” in Ascona und über die Harmonie von Kultur und Natur: die in Anführungszeichen gesetzte „Cultur” in Gestalt der „kleinen Häuschen”, die sich die Berge hinaufziehen, „in alle kleinsten Falten sich hineinschleichend” – bisher kannte man diesen Brief nur in der englischen Edition Sam Whimsters: „creeping into all the smallest crevices” – , und doch diese Dörfer zugleich „als ein Stück Natur, die Menschen offen wie diese und ebenso verschlossen wie diese, nichts über sich hinausweisend,-- auch schön, nur weniger ,menschlich‘, ohne Intimität, wie ein nackter Akt – so wie das Leben der Frieda auch, hintergrundlos, aber nicht ohne Stolz und Form.”
Frieda, die Verkörperung der Natur: das ist Frieda Gross, die Ex-Frau des drogenabhängigen Psychoanalytikers und Predigers der freien Liebe Otto Gross, des einstigen Liebhabers der späteren Weber-Geliebten Else Jaffé, der auf Betreiben seines Vaters, des berühmten Kriminalisten Hans Gross, in eine Heilanstalt gesperrt worden war. Zugleich drohte Frieda das Sorgerecht über ihre Kinder entzogen zu werden. Weber zeigt kaum ein Interesse an der Befreiung von Otto Gross – dem er eine merkwürdige Mischung von Abscheu und Respekt entgegenbringt und die Beihilfe zum Selbstmord zweier Exfreundinnen erstaunlich wenig verübelt –, engagiert sich jedoch mit all seiner juristischen Finesse für Friedas Recht auf ihre Kinder.
Mit welch kolossalem, übertriebenem Aufwand er diesen Kampf geführt hat, dies und auch andere Webersche Kämpfe jener Zeit dokumentiert der neue, seit langem erwartete Briefband in einem geradezu erschreckenden Übermaße. Die meisten Weber-Forscher werden ungeduldig durch jene Hunderte von Seiten blättern, die von Querelen handeln, die der heutige Weber-Verehrer verflucht, und werden stattdessen nach neuen Einblicken in die Entstehung von „Wirtschaft und Gesellschaft” suchen, das den Soziologen als Webers Hauptwerk gilt und in jenen Jahren Gestalt annahm. Aber bei dieser Suche werden sie enttäuscht. Stattdessen erlebt der Leser, wie der gleiche Weber, der noch vor wenigen Jahren gegen die „Mutterschutzbande” und die Mutterrechtstheoretiker schäumte – wobei Mutterschutz und Mutterrecht damals als Parolen der freien Liebe fungierten –, nun wie besessen für das Recht der Mutter auf ihre Kinder kämpft. Wollte er sich Else gegenüber, mit der er in jenen Jahren verfeindet war und vor der er sich versteckte, als sie seinen Weg kreuzte, doch als Ritter und Retter der Frauen präsentieren? Er wusste, dass Else den Kampf um Friedas Mutterrecht genau verfolgte.
Handelt es sich bei alldem um Niederungen des Weberschen Privatlebens, das die Höhen der Weber-Forschung nicht berührt? Aber Webers Brief aus dem frühlingshaften Ascona lässt zugleich ein gewandeltes Naturverständnis erkennen. Weber, der sich von der Natur schnöde behandelt fühlte, hatte die Natur früher oft als Feindin empfunden, den „Naturalismus” in den Geisteswissenschaften ebenso wie in der Erotik bekämpft und zwischen Natur und Geist eine unüberbrückbare Kluft erkannt. Nun jedoch am Monte Verita’, dem Treffpunkt alternativer Szenen des deutschen Kaiserreichs – der „Naturmenschen” und „Zauberweiber” (Brief vom 9. April 1914) in der Sprache Webers –, öffnet sich ihm die Vision einer freundlicheren Beziehung von Natur und Kultur. Einen Widerschein dieser Offenbarung findet man in Webers späteren Arbeiten über die östlichen Religionen.
Von der Wert-Quasselei
In Webers Brief an seinen Verleger Siebeck vom Jahresende 1913 steht die stolze Behauptung, er habe „eine geschlossene soziologische Theorie und Darstellung ausgearbeitet”, die bislang nicht ihresgleichen habe: jenes Konvolut von Manuskripten, das postum unter dem Titel „Wirtschaft und Gesellschaft” erschien. Markiert es wirklich den Höhepunkt von Webers Schaffen?
Am 10. Juli 1914 klagt Weber dem Historiker Georg von Below: Dieses Opus, das er nur notgedrungen abgefasst habe, da andere Handbuch-Mitarbeiter ihn „im Stich gelassen” hätten, werde „niemanden befriedigen”. Von ähnlichen Klagen wimmelt dieser Band. Weber klagt viel, das bleibt dem Leser nicht verborgen. Der von Weber-Forschern immer wieder mit größter Gewichtigkeit durchgekaute Werturteilsstreit kommt hier als „Wert-Quasselei”, ja „Hexensabbat” vor.
Selbst im Juli 1914 handeln Webers Briefe überwiegend von persönlichen Querelen; der sich zusammenbrauende Weltkrieg wird mit keinem Wort erwähnt. Gewiss, viele Weber-Briefe sind nicht erhalten. Ob jedoch, wenn es sie noch gäbe, ein radikal anderes Bild entstünde, möchte ich bezweifeln. Auf den über 800 Seiten der Briefe, die in eine weltpolitisch explosive Zeit führen, kommt die Politik fast gar nicht vor. Nur einmal, in einer dann auf Schmollers Bitte abgemilderten Vorlage für den Verein für Sozialpolitik vom Oktober 1913, findet sich ein Webersches Bedauern, Deutschland könne keinen Krieg „als politisches Mittel ... in Aussicht nehmen, weil ein militärischer Dilettant dann ... die Führung übernimmt”: Unnötige Sorge!
Die in der Weber-Literatur gehegte Vorstellung, Weber sei ein geborener politischer Führer und verhinderter Staatsmann gewesen, findet in diesem Band nicht die geringste Stütze. Jene Weber-Metaphysik, die hinter den zugegeben unvollkommenen Erscheinungsformen ihres Helden den wahren, eigentlichen Weber, den widerspruchsfreien politisch-prophetischen Geist sucht, wird durch diesen Briefband ebenso wie durch seine Vorgänger enttäuscht. Dennoch wird jeder, den die Neugier auf die geistsprühende Weber-Welt treibt, diesen Band verschlingen: allein schon wegen der Informationsfülle der von den Editoren hinzugefügten Fußnoten. Es scheint, dass eine Weber-Biographik, die mit dieser Art von Materialfülle etwas anzufangen weiß, noch aussteht.
JOACHIM RADKAU
M. RAINER LEPSIUS, WOLFGANG MOMMSEN (Hrsg.): Max Weber. Briefe 1913 - 1914. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 2003. 899 Seiten, 279 Euro.
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