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Dies ist die wundersame Geschichte des New Yorker Englisch-Professors Samson Greene, der eines Tages orientierungslos in der Wüste bei Las Vegas aufgefunden wurde. Als seine Frau Anna ihn abholt, erfährt sie, dass Samson einen Gehirntumor hatte. Eine Operation rettete ihn, doch all seine Erinnerungen seit seinem zwölften Lebensjahr sind verloren. Nach New York zurückgekehrt, gelingt es Samson nicht, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Er ist unfähig zu unterrichten, Anna und seine Freunde sind ihm fremd geworden. Doch dann ruft ein charismatischer Arzt aus Kalifornien an: Ob er für ein…mehr

Produktbeschreibung
Dies ist die wundersame Geschichte des New Yorker Englisch-Professors Samson Greene, der eines Tages orientierungslos in der Wüste bei Las Vegas aufgefunden wurde. Als seine Frau Anna ihn abholt, erfährt sie, dass Samson einen Gehirntumor hatte. Eine Operation rettete ihn, doch all seine Erinnerungen seit seinem zwölften Lebensjahr sind verloren. Nach New York zurückgekehrt, gelingt es Samson nicht, sein altes Leben wieder aufzunehmen: Er ist unfähig zu unterrichten, Anna und seine Freunde sind ihm fremd geworden. Doch dann ruft ein charismatischer Arzt aus Kalifornien an: Ob er für ein bahnbrechendes Experiment der modernen Hirnforschung zur Verfügung stehe. Es braucht nicht viel, ihn aus seiner Lethargie zu reißen, und so macht er sich auf zu einer Reise, die Abenteuer und Offenbarung verspricht, aber leicht auch sein Ende bedeuten könnte."Kommt ein Mann ins Zimmer"erzählt von der Einsamkeit, die aus dem Wissen entsteht, dass der Mensch nomadisch ist, hoffnungslos subjektiv, und nur seine Geschichte macht ihn zu einem sozialen Wesen. Nicole Krauss schreibt darüber mit tiefer Einfühlung und Erkenntnis, in jenem anrührend traurigkomischen Ton, der sie mit"Die Geschichte der Liebe"weltweit bekannt machte.
Autorenporträt
Nicole Krauss was born in New York in 1974 and lives in Brooklyn. She has published in Esquire, The Paris Review, and Best American Short Stories. Called "one of the most impressive debuts of 2002" by Esquire, Man Walks Into a Room was a finalist for the Los Angeles Times Book Award.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2006

Wer ich einmal war
Nicole Krauss’ Debüt „Kommt ein Mann ins Zimmer”
Das im Original 2002 erschienene Debüt der 1974 in New York geborenen Nicole Krauss beginnt mit einer Szene aus dem Frühsommer des Jahres 1957 und einem unverhofften Knalleffekt – dem größten, den die größte Macht der Welt damals zu erzeugen imstande war: „GIRLS, GIRLS, GIRLS”, steht auf einem Schild am Maschendrahtzaun in der Wüste von Nevada, wo eine Gruppe junger Männer in frische Drillichuniformen gesteckt und auf Militärlastern zum Testgelände für Kernwaffen gekarrt wird.
Das quirlige Vorspiel, das noch nie gehörte Geräusch, das gleißende Licht mit Röntgeneffekten, die Stoßwelle heißer Luft, die Pilzwolke – all das ist plastisch und atmosphärisch wunderbar beschrieben, doch gibt es auch kleine Irritationen, die darauf hindeuten, dass sich hinter der Unmittelbarkeit dieser Darstellung etwas anderes verbirgt. Sprach man schon 1957 vom „Joggen”, und was hat es mit dem Hinweis auf sich, dass damals der Ausdruck Countdown „noch kein Synonym für Raketenabschüsse” gewesen sei? Vier Jahrzehnte später wird diese Szene ein zweites Mal explodieren – im Bewusstsein eines Mannes, der 1957 noch gar nicht geboren war.
Im Jahre 2000 wird dieser Mann von der Polizei aufgegriffen, als er ziellos und ausgedörrt in der Nähe von Las Vegas durch die Wüste irrt. Die Operation an einem Hirntumor hat den größten Teil seiner Erinnerungen zerstört. An Kindheit und frühe Jugend kann er sich noch erinnern, aber nicht an den New Yorker Englischprofessor Samson Greene, der er einmal war, und nicht an seine Frau Anna, die er einst geliebt hat. „Hast du die alle gelesen?” fragt er Anna, als er seine Bücher sieht: „,Nein, nicht ich, aber du‘, sagte sie.”
Man weiß nicht, wer ihm in diesem Augenblick fremder ist: Anna, die seine Frau ist, oder der Mann, der er einst gewesen sein soll. Ständig begegnen ihm Menschen, die ihn zu kennen vorgeben, und bei der Beschreibung seiner Versuche, sich bis zu jenem Zeitpunkt vorzutasten, wo die Auslöschung beginnt, gelingen Nicole Krauss eindringliche Szenen, die ihre Strahlkraft jenem Dunkel verdanken, vor dem sie sich abspielen: Ein letzter Sommer der Erinnerung, die Küche, die Mutter, die von der Arbeit kommt, der Swimmingpool in Nachbars Garten, und „Jollie Lambird, für die er seit dem zweiten Schuljahr schwärmte”.
All das wäre banal, erlebte Erinnerung in einem Meer von Erinnerungen, würde darauf nicht ein Satz folgen, der deren Faden kappt: „Und so, während er durch seinen zwölften Sommer rannte, verschwanden Samsons Erinnerungen mitten im Schritt ins Leere.” Die Tilgung aller späteren Erinnerungsprozesse samt aller Verklärungen und Idealisierungen der Kindheitserlebnisse gibt diesen ihre Unschuld zurück.
Doch Nicole Krauss hat noch mehr mit ihrem Helden vor. Sein Neurologe schickt Greene nach Kalifornien zu einem dubiosen Dr. Ray Malcolm, dessen volles weißes Haar und dessen gebräunte ledrige Haut ihn als Mischung aus einem New-Age-Guru und der Hirnforschervariante des Mad Scientist erscheinen lassen. Ein weiteres Mal geht es in die Wüste, in eine entlegene Forschungseinrichtung, wo sich Greene für ein riskantes Experiment zur Verfügung stellt, als Empfänger einer fremden Erinnerung, die in sein verödetes Gedächtnis verpflanzt werden soll.
Solche Gratwanderungen zwischen Science und Fiction geraten leicht zu einer Führung des Lahmen durch den Blinden, bei der dann beide aufs Peinlichste abstürzen, aber Krauss meistert dieses Problem, indem sie das Experiment so schildert, wie ein Patient einen Spitalsaufenthalt erlebt – als lange Vorbereitungsphase auf etwas, bei dem er betäubt ist. Nur wacht dieser Patient anschließend mit einer Erinnerung auf, die ihm ein Mann eingepflanzt hat, der sinnigerweise Ray („Strahl”) heißt: „Wer zum Teufel war Ray eigentlich? Du glaubst, jemanden zu kennen, und am Ende hast du eine Bombe im Kopf.”
Jene „wahre Empathie”, von der Dr. Ray Malcolm ihm vorgeschwärmt hatte, ist das nicht gerade, was das Arzt-Patienten-Verhältnis auch merklich abkühlen lässt. Eine Zeit lang lässt Krauss ihren Helden ziel- und haltlos umherreisen, auf der Suche nach einem abgerissenen Ende, an das er anknüpfen könnte, dabei weiß er nicht einmal, was aus seiner Mutter geworden ist. Menschen begegnen und entgleiten ihm. Schließlich wird er in einem Altersheim fündig, wo sein Großonkel Max lebt, den er vielleicht einmal selbst dort eingeliefert hat. Der Gegenwart fast schon ganz verloren gegangen, wird der alte Mann, der sich ein letztes Mal gegen das große Vergessen auflehnt, zum Rettungsanker, der wie gerufen kommt, weil man nicht weiß, wie die Geschichte sonst hätte ausgehen sollen. Dass Max dazu mitten in der Nacht am Grab von Greenes Mutter eines ihrer alten Lieder anstimmt, mag man akzeptieren, aber muss es ausgerechnet Sinatras „New York” sein?
Doch „Kommt ein Mann ins Zimmer” ist ein so beeindruckendes Debüt und eine so eindringliche Studie über die Fragilität dessen, was von unserem Dasein auf Erinnerung beruht, dass man Nicole Krauss auch solche sentimentalen Passagen verzeiht, in denen sie die Wunden zu heilen versucht, die sie ihren Gestalten geschlagen hat.ULRICH BARON
Nicole Krauss
Kommt ein Mann ins Zimmer
Roman. Aus dem Englischen von Grete Osterwald. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 319 Seiten, 19,90 Euro.
Nicole Krauss
Foto: Laura Ruiz
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2006

Die Bombe im Gehirn
Metapher der Einsamkeit: Das Debüt von Nicole Krauss

Erinnerung ist für die Verfolgten und Deportierten, so hat Ruth Klüger kürzlich geschrieben, "ein Graus, eine Zumutung, eine einzige Kränkung der Eigenständigkeit", zugleich aber "eine Art Schatz, ein Besitz, und wer ihn uns entreißen will, macht uns ärmer".

In ihrem großartigen, im letzten Jahr erschienenen Roman "Die Geschichte der Liebe" hat die amerikanische Schriftstellerin Nicole Krauss bewiesen, wie diesem Zwiespalt mit Erzählfreude begegnet werden kann. Ihr 2002 im Original veröffentlichter und nun in deutscher Übersetzung nachgelieferter Erstlingsroman "Kommt ein Mann ins Zimmer" (Man walks into a Room) zeigt, wie gründlich und systematisch sich die junge Autorin mit dem Thema der Erinnerung auseinandergesetzt hat. Es sind vor allem das Versagen des Gedächtnisses und die Schwierigkeit des Nachvollzugs der Erinnerung der anderen, die das erzählerische Ingenium von Nicole Krauss beschäftigen. Es ist unübersehbar, daß dieses Interesse mit der jüdischen Herkunft zusammenhängt und damit aus einer Tradition, in der Erinnerungen durch das erzählte Weitergeben von Generation zu Generation beschworen werden.

In "Kommt ein Mann ins Zimmer" gestaltet Nicole Krauss das Thema in einer waghalsigen Konstruktion, die das Genre des Romans zum experimentellen Gedankenspiel überschreitet. Der Englischprofessor Samson Greene wird in der Wüste herumirrend aufgefunden. Es stellt sich heraus, daß er durch einen Tumor alle Erinnerungen seit seinem zwölften Lebensjahr verloren hat. Die gesteigerte Erfahrung der Fremdheit der Welt, die als Spiegelung auch seiner jungen Frau Anna widerfährt, führt ihn in die Hände eines visionären Gehirnforschers, der von der Herstellung wahrer Empathie durch "Gedächtnistransfer" träumt. In absehbarer Zukunft will er die Menschen gegen Entfremdung immunisieren, "wie sie einst gegen Pocken und Kinderlähmung geimpft worden waren".

Samsons Geschichte liest sich aber im nachhinein nicht wie Science-fiction, sondern eher wie eine Legende. "Und irgendwo geschah es, daß ein anderer alles vergaß, was er einmal gewußt hatte, den Geist eines alten Lebens aufgab und eine neue Leere betrat. Ein Mann auf halber Strecke seines Lebens, der sein Buch umgedreht auf den Tisch legte, um eine Ecke ging und in die Zukunft verschwand." Er möchte die Leere füllen, um wieder etwas wert zu sein, nach der Operation aber hat Samson nichts gewonnen als einen "Albtraum im Kopf, der ihm nicht gehört".

Vor allem in der Nebenfigur des Onkel Max, "der aus Deutschland geflüchtet war und ihm beigebracht hatte, auf jiddisch zu fluchen", und der ihm Kafkas Werke zugesteckt hatte, als wären sie Pornographie, erscheint die Verbindung zum Problem der jüdischen Nachgeborenen. Samson in seiner partiellen Amnesie will den Kontakt nicht. "Er fand es zu schwierig, ihre Stimmen zu hören." Onkel Max aber wußte einst, daß der Klang der Worte alles sagt. Obwohl er nicht an Gott glaubte, ging er in die Synagoge und las in der Thora: "Um sich zu erinnern." Schließlich sieht Samson Onkel Max doch wieder - im Heim für Alzheimer-Patienten.

Empathie erscheint dort nur noch in ihrer Unmöglichkeit. "Er wünschte, er könnte sich um ihn kümmern, in seinen letzten Tagen bei ihm sein, sie beide zusammen irgendwo in einem Haus, wo Zeit wäre zu reden - ja sogar Zeit, sich zu erinnern." Wenn aber alles vergessen ist, ist es für alles zu spät. Dann schlägt die Zeit um in leere Unendlichkeit.

Für einen neurophysiologisch halbwegs informierten Leser ist das Gedankenexperiment zunächst irritierend, zumal es mit einem technokratischen Kauderwelsch und einer scheinbar naiven Faszination an den blinkenden Bildern der Gehirnforschung aufbereitet und inszeniert wird. Wie "auf ein Stichwort wurde der Bildschirm schwarz, und es erschien ein dreidimensionales, durch den Raum rotierendes Gehirn, so lebendig, daß es realer schien als ein echtes, die Gehirnlappen voller leuchtender Signale einer regen Tätigkeit, abgelöst von jeder Konsequenz die reinen Denkbewegungen verfolgend, ohne Blut und ohne Atem, ohne ein schlagendes Herz, das ihnen die Richtung wies".

Gedächtnistransfer in der im Roman beschriebenen Form gibt es natürlich nicht, obwohl einem die Versprechungen des Wissenschaftlers irgendwie bekannt vorkommen mögen. Auch Samson Greenes These, die Wahrnehmung sei ungetrübt von Erinnerungen "absolut klar", ist offensichtlich falsch.

Die Wahrnehmung des Sichtbaren wird im Zusammenspiel von Sprache und Sinneserfahrung durch angeborene und sozial relativ gleichförmig ausdifferenzierte Ähnlichkeitsmaßstäbe gesteuert, die erst durch den Rückgriff auf das Gedächtnis eine einigermaßen stabile Relation zwischen Reizähnlichkeiten und Wahrnehmungsähnlichkeiten herstellen. Die aktuelle Gehirnforschung bestätigt insofern weder die Erkenntniszweifel noch den nomadischen Solipsismus, unter dem die Personen des Romans leiden. Die Kommunikation von Subjekten ist auf gleichmäßige Vernetzung von Nervenenden nicht angewiesen. Subjektivität ist keineswegs unhintergehbar, sie verdankt ihre bestimmte Form selbst einem biologischen wie kulturellen Traditionszusammenhang.

Das weiß vermutlich auch Nicole Krauss. So hat sie den entfernt an Stanislaw Lems "Solaris" erinnernden Kern ihrer Geschichte als eine komplexe Metapher der Einsamkeit gestaltet, die oft gerade im Moment der Nähe gefühlt wird. Derart verweist sie auch auf die schon in der Geschichte von Samson und Delila gestaltete Ambivalenz der Liebe, die den Menschen mit der Welt versöhnt und zugleich auch den Stärksten verletzlich macht, dem Verrat und dem Verlust aussetzt. Fremdheit zur Welt und ein schmerzhaftes Bewußtsein, daß Unheil jederzeit eintreten kann, durchzieht Annas Reflexionen und ist zugleich ein Motiv des Erzählens, das Nicole Krauss als ein Verfahren negativer Dialektik betreibt. Das Einfühlsvermögen der Erzählerin widerlegt die solipsistischen Thesen, aufgehoben aber wird die Distanz zwischen Anna und Samson nur im Akt des Erzählens selbst, nicht aber auf der Ebene der Handlung.

Nicole Krauss beherrscht schon in diesem ersten Roman jenen oft komisch auf die moderne Welt übertragenen Ton barocker Melancholie, der auch "Die Geschichte der Liebe" prägt. Ihre Schilderungen des Sichtbaren sind durchtränkt von dem schmerzlichen Bewußtsein, daß auch "die unauslöschliche Schönheit" unrettbar verlorengehen kann. Gelegentlich kann sich der Leser des Erstlings des Gefühls nicht erwehren, daß die Schnittechnik des Romans darauf schielt, von Woody Allen verfilmt zu werden. Wie Anna und Samson durch die Fensterscheibe in ein Restaurant in New York blicken, das hätte eine Szene in "Manhattan" abgeben können. Nur als Verlust erscheint ihnen in dem Anblick, was Vertrautheit zwischen zwei Menschen ausmacht. Daß einmal "ein einziges Wort für weitreichende Themen stand und Zwischentöne ausreichten, um die Stimmungslage mitzuteilen, und sie nach all dem vielen Reden wieder in das wechselseitige Schweigen sinken konnten, das die Grundlage ihres Zusammenlebens war". Nun aber gibt es nicht mehr viel zu sagen. Es gilt nur noch, "die gehütete Stille dessen, was unausgesprochen zwischen ihnen stand", nicht durch falsche Töne zu zerstören, bevor beide ihrer Wege gehen.

Falsche Töne gibt es in Nicole Krauss' Schreiben nicht, und auch die Übersetzerin Grete Osterwald versteht es, von gelegentlichen Schwierigkeiten mit der Sprache der amerikanischen Popularkultur abgesehen, diese zu vermeiden.

Obwohl die Konstruktion des Romans bisweilen arg angestrengt wirkt und die Sprache zuweilen die Kitschgrenze berührt, geht auch dieser Roman nach Überwindung einiger Irritationen zu Herzen des Lesers, der sich von dieser hochtalentierten Autorin gern daran erinnern läßt, daß Geschichten den Schmerz der Sehnsucht lindern können.

Nicole Krauss: "Kommt ein Mann ins Zimmer". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Grete Osterwald. Rowohlt Verlag, Reinbek 2006. 320 S., geb., 19,90 [Euro].

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