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Anthony Grafton explores the art and influence of an opaque historical figure: the magus, or learned magician. A distinctive intellectual type in Renaissance Europe, magi contributed to the humanistic currents of the time and had a transformative impact on public life, influencing advances in sculpture, painting, engineering, and other fields.

Produktbeschreibung
Anthony Grafton explores the art and influence of an opaque historical figure: the magus, or learned magician. A distinctive intellectual type in Renaissance Europe, magi contributed to the humanistic currents of the time and had a transformative impact on public life, influencing advances in sculpture, painting, engineering, and other fields.
Autorenporträt
Anthony Grafton is the author of The Footnote, Defenders of the Text, Forgers and Critics, and Inky Fingers, among other books. The Henry Putnam University Professor of History and the Humanities at Princeton University, he writes regularly for the New York Review of Books.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2024

Wunderwaffen waren natürlich im Angebot

Gefährliche Zauberer sind immer die anderen: Anthony Grafton macht auf höchst anregende Weise mit den magischen

Künsten im Zeitalter der Renaissance bekannt.

Zugang zum verborgenen Wissen der Antike, Erledigung lästiger Widersacher, zuverlässige Zukunftsprognosen, Rezepte für unwiderstehlichen Sex-Appeal und Mittel gegen das Altern. Das alles, zeigt Anthony Grafton in seinem großen neuen Buch, hatten sie im Angebot, die Magier der Renaissance, außerdem Roboter, smarte Militärtechnik und Verschlüsselungstechnologie. Sie schrieben darüber erfolgreiche Bücher, und stark in Drittmittelbeschaffung bei privaten Sponsoren waren sie auch.

Perfekte Akademiker also. Doktor Faustus, den Grafton in den Untertitel setzt, trägt seinen akademischen Titel nicht zufällig. Denn die Geschichte der magischen Künste in Europa war von Beginn an mit den Universitäten untrennbar verbunden. Berühmte Professoren wie Albertus Magnus und Roger Bacon hatten schon im dreizehnten Jahrhundert detailliert beschrieben, wie man mithilfe neu übersetzter arabischer und hebräischer Quellen die Planetenbahnen exakt berechnen und so mächtige Glücksbringer und Maschinen bauen könne. Sie stellten lange Listen höchst gefährlicher Bücher zusammen, die sie selbst aber sehr gut kannten.

Die Feinde der Christen, warnte Roger Bacon den Papst, setzten bereits magische Waffen ein; umso dringender sei es, sie systematisch zu erforschen. Er selbst arbeite an einer Strahlenwaffe, die aus großer Entfernung jedes Ziel in Flammen aufgehen lassen könne, brauche aber dafür zusätzliche Mittel. Solche Wunderwaffen sollte die Rekonstruktion des antiken Wissens zur Verfügung stellen - wir würden heute vermutlich Zukunftstechnologie dazu sagen.

Die Renaissance, in die Grafton seine Leser entführt, hat mit den üblichen leicht verkitschten Stereotypen angeblich selbstbestimmter Künstler und ästhetischer Selbstbespiegelung zwischen Petrarca und Vasari nichts zu tun. Dafür umso mehr mit gelehrten Ich-AGs, die um Sponsoren und Forschungsförderung konkurrierten. Humanisten wie Pico della Mirandola und Marsilio Ficino versprachen Magie als perfektionierte antike Naturphilosophie, angereichert mit jüdischem Wissen. Als gute Verkäufer boten sie ihrem Mäzen Lorenzo de' Medici auch Lösungen für sehr persönliche Probleme: Neben Geheimrezepten des antiken Superweisen Hermes Trismegistos und Bauanleitungen für Talismane enthielt Marsilio Ficinos "De Vita" auch jede Menge Anti-Aging-Rezepte, unter anderem hergestellt aus Milch von der Brust einer tugendhaften jungen Frau und Blut, abgezapft aus den Armen junger Männer.

Der schaurige Effekt war Absicht: Denn alle diese Spezialisten für geheimes Wissen warnten gleichzeitig unermüdlich vor ihren eigenen bösen Doppelgängern, deren dämonische Kräfte sie in den düstersten Farben schilderten. Wie moderne Anbieter von Virenschutzprogrammen oder Geheimdienste mussten sie die unsichtbare Bedrohung, vor der sie Schutz versprachen, erst einmal selbst plausibel machen. Das hatten sie mit ihren Kollegen in den kirchlichen Institutionen gemeinsam. Viele der Praktiken der Exorzisten und Inquisitoren spiegelten direkt die schwarze Magie, die sie bekämpfen sollten. Im Verfahren gegen angebliche jüdische Kindermörder in Trient 1475 wurde eine verstockte jüdische Verdächtige mit dem Urin eines unschuldigen Christenkindes übergossen: Daraufhin, so der offizielle Bericht, habe sie ohne Folter alle Verbrechen gestanden, deren man sie beschuldigt habe.

Die komplexe Entstehung der Erzählung vom Teufelspakt mit ihrem Fokus auf angebliche dämonische Verstrickungen von Frauen ab der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts durch gelehrte Theologen ist mittlerweile gut erforscht. Grafton erweitert sie um ihre Gegenstücke in der Welt der Humanisten bei Hof. Ihre Versprechen, durch exakte Rekonstruktion der alten Texte die Weisen der Antike wieder zum Leben zu erwecken, sahen den einschlägigen Angeboten der Magier zum Verwechseln ähnlich.

Denn Zauber - und das ist die zentrale Botschaft dieses glänzend geschriebenen Buchs - war im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert Bücherzauber. Ein unermüdlicher Publizist und Büchersammler wie Johannes Trithemius, immerhin Abt eines Benediktinerklosters, verband Magiekompetenz mit ehrgeiziger Selbstvermarktung, wenn er seinem wichtigsten Mäzen, Kaiser Maximilian, versicherte, die angeblichen Wunder seiner Konkurrenten und der Hexen seien nur Bluff. Er selbst dagegen könne mit seiner "Polygraphia" jedem binnen einer Stunde beibringen, Latein zu sprechen, zu lesen und zu schreiben.

Und das stimmte auch, wie Grafton zeigt: Tatsächlich war das Buch eine Anleitung zum Verschlüsseln von Texten, die dann wie korrekte lateinische Texte aussahen und keinen Verdacht erweckten. Trithemius polemisierte gegen zeitgenössische Branchenkollegen wie Dr. Faustus, die ihren Auftraggebern versprächen, für sie in die Antike oder nach Ägypten zu fliegen, verborgene Schätze zu finden und ihre Feinde zu vernichten, während er selbst angeblich uralte germanische Chroniken ebenso fingierte wie fürstliche Empfehlungsschreiben. Seine Verurteilung fiel umso schärfer aus, vermutet Grafton, weil er Faustus als bedrohlichen Konkurrenten sah, dessen Behauptungen wie smarte Parodien seiner eigenen wirkten.

In einer Welt, in der sich Herrscher wie die Sforza in Mailand oder Maximilian I. für Astrologie und Talismane begeisterten (der Kaiser trug sogar einen Ring mit magischen Eigenschaften, den er kokett "der Teufel" nannte), war Magie gleichzeitig anrüchig und vielversprechend, riskant und unentbehrlich, ein Versprechen auf die Fusion des geheimen Wissens der Alten mit empirischer "Scientia Experimentalis" und aktueller Technologie. In den drei Bänden "Über geheime Philosophie" von Trithemius' Schüler Agrippa von Nettesheim wurden mobile Automaten, Linsen und machtvolle Spiegel als smarte Produkte von Naturphilosophie und Mathematik beschrieben, menschengemacht und eben nicht teuflischen Ursprungs. Agrippa war quer durch Europa als Diplomat in geheimer Mission ebenso tätig wie als Theologe, Krankenhausdirektor und Stadtarzt. Jurist war er auch: 1519 bewirkte er in Metz den Freispruch für eine der Hexerei angeklagte Frau.

Anthony Grafton, zuletzt Professor in Princeton, hat sein ganzes Gelehrtenleben der Erforschung der Humanisten gewidmet. Seine Bücher zur Geschichte der Fußnote, zu Leon Battista Alberti und Girolamo Cardano haben ganze Forschungsfelder neu eröffnet. Die Geschichte des Zauberns, so zeigt er nun, ist eben nicht nur die der Hexen und ihrer besessenen Verfolger, sondern sie ist eng verbunden mit Buchdruck, Naturwissenschaften und Maschinenbau - gelehrte Ingenieurs-Utopie. Technische Konstruktionen sollten zum Leben erweckt und mit quasi überirdischen Fähigkeiten ausgestattet werden. Der Gekreuzigte im Augustinerkonvent in Burgos, schrieb ein Augenzeuge am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, sei aus unbekanntem Material gemacht, das sich wie menschliche Haut anfühle. Er könne Arme, Beine und den Kopf bewegen und vergieße Blut, wenn seine Seite angestochen werde. Und er bewirke Wunderheilungen: Er war heiliges verehrungswürdiges Bild und menschengemachter Roboter zugleich.

Vormoderne Leichtgläubigkeit? Auch im 21. Jahrhundert, lehrt ein schneller Gang ins Museum, können Kunstwerke aus der Renaissance problemlos mehrere Dinge auf einmal sein. Sie werden verehrt und bewundert als menschengemachte Produkte ästhetischer Raffinesse, als Verkörperungen höchster Gelehrsamkeit, und sind gleichzeitig extrem teure Waren, die Höchstpreise auf dem Markt erzielen. Den Zauberern und ihren Kunden von damals wäre das vertraut vorgekommen. Magier, so lässt sich bei Grafton lernen, können eben alles. Nur eben nicht auf Dauer; irgendwann kommt der Karriereknick. VALENTIN GROEBNER

Anthony Grafton: "Magus". The Art of Magic from Faustus to Agrippa.

Harvard University Press, London 2023.

304 S., Abb., geb., 36,95 Euro.

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