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Die Morde von Duisburg haben eine unbequeme Wahrheit ans Licht gebracht: Die Mafia hat ihre Tentakeln längst nach Deutschland ausgestreckt. Weltweit perfekt organisiert, ist sie eine Gefahr für Staat und Gesellschaft, die von deutschen Politikern und Sicherheitskräften allzu lange unterschätzt wurde. Wie funktioniert diese ganz und gar nicht "ehrenwerte Gesellschaft"? Petra Reski lebt seit zwanzig Jahren in Italien. Aufgrund ihrer langjährigen Recherchen und ihrer Insiderkenntnisse gilt die Journalistin als Spezialistin in Sachen Mafia. Petra Reski kennt die Strukturen der kriminellen…mehr

Produktbeschreibung
Die Morde von Duisburg haben eine unbequeme Wahrheit ans Licht gebracht: Die Mafia hat ihre Tentakeln längst nach Deutschland ausgestreckt. Weltweit perfekt organisiert, ist sie eine Gefahr für Staat und Gesellschaft, die von deutschen Politikern und Sicherheitskräften allzu lange unterschätzt wurde. Wie funktioniert diese ganz und gar nicht "ehrenwerte Gesellschaft"?
Petra Reski lebt seit zwanzig Jahren in Italien. Aufgrund ihrer langjährigen Recherchen und ihrer Insiderkenntnisse gilt die Journalistin als Spezialistin in Sachen Mafia. Petra Reski kennt die Strukturen der kriminellen Organisation aus erster Hand: Sie hat an geheimen Orten mit abtrünnigen Mafiosi gesprochen, sie hat mafiose Verstrickungen von Priestern aufgedeckt und war Gast auf der Hochzeit des wohl spektakulärsten Mafia-Verteidigers Siziliens. Sie weiß, wie Antimafia-Staatsanwälte und Ermittler ausgeschaltet werden sollen, und beobachtete involvierte Politiker aus nächster Nähe. Und sie beschreibt, wie die Verbrecherorganisation auch bei uns im großen Stil ihren schmutzigen Geschäften nachgeht. Journalismus, der zu Literatur wird spannend wie ein Thriller!
Autorenporträt
Petra Reski wurde im Ruhrgebiet geboren und lebt in Venedig. Seit 1989 schreibt sie über Italien - für Die Zeit, Geo, Merian, Focus und Brigitte - und immer wieder über das Phänomen Mafia. Sie drehte einen Film über Mafiafrauen und wurde für ihre Reportagen und Bücher mehrfach ausgezeichnet. Petra Reski hat mehrere Romane und Sachbücher veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2008

Im Abendflug nach Palermo

Petra Reski hält es für einen Überlebensvorteil, unterschätzt zu werden. Nach Lektüre ihres Buches weiß man, warum. So anschaulich ist, zumindest auf Deutsch, noch nie über die Mafia geschrieben worden.

Seit Duisburg sieht die Mafia anders aus. Das Massaker im Ristorante "Da Bruno", wo an Maria Himmelfahrt 2007 zwei Killer der kalabresischen 'Ndrangheta sechs Landsleute hingerichtet haben, hat ihr den letzten Rest von Exotik und alle Zweifel daran genommen, dass sie sich hierzulande längst eingenistet hat. Von der Pizzeria an der Ecke kann sie ihre Fäden ziehen, Feinkost- oder Schuhgeschäfte können als Geldwaschanlagen dienen, viele Milliarden Euro ihrer in Drogen- und Waffenhandel, Schutzgelderpressung, Markenpiraterie und Subventionsbetrug erwirtschafteten Gewinne hat sie, einem Bericht des Bundeskriminalamts zufolge, in Deutschland angelegt. An der Frankfurter Börse ist sie ebenso aktiv wie in den neuen Bundesländern, wo sie früh in Hotels investiert hat.

Die Mafia ist mitten unter uns. Mit der Einführung des Euros sind grenzüberschreitende Finanzschiebereien leichter geworden, längst hat sie sich Maßanzüge, Manieren und Masken der Wohlanständigkeit zugelegt. Ihre archaische Fratze, die sie - strategisch ein Fehler - in Duisburg noch einmal zeigte, ist einem globalisierten Gesicht gewichen, das lieber anonym bleibt. Aus einer endemischen ist eine epidemische Krankheit geworden. Aber auch das ist Teil des Phänomens und des akuten Interesses daran: Dass die Öffentlichkeit auf die Festnahme der Mörder von Duisburg länger warten muss als auf ein spannendes neues Buch, das ihm, unter Berücksichtigung der dortigen Ereignisse, nachspürt.

Denn "Mafia", wie Petra Reski ihren Reportagenband denkbar allgemein überschreibt, hält mehr als der Untertitel "von Paten, Pizzerien und falschen Priestern" verspricht. Die seit 1989 in Venedig lebende Autorin ist eine genaue, kenntnisreiche Beobachterin, die Neugier und einschleichende Nähe mit einer kühlen Distanz imprägniert. Zur Mafia reist sie wie auf eine Städtetour. Von Venedig nach Palermo nimmt sie "immer den Abendflug" und schickt von unterwegs Salvo, "dem Taxifahrer meines Vertrauens", und ihrer Freundin Shobha, einer bekannten Fotografin, eine SMS, damit sie im Restaurant einen Tisch reserviert. "Mafia" lässt sich an wie ein Reiseessay, und der stellt auch den Rahmen bereit, in den Begegnungen mit Mafiosi und Hinterbliebenen von Opfern, Politikern, Staatsanwälten, Richtern, Polizisten und Zeitzeugen als Episoden aufgenommen werden. Was an Atmosphärischem, Persönlichem und kleinen Eitelkeiten einfließt, trägt auch bei, das Thema im Alltag zu justieren: Viele mafiöse Verhaltensweisen spielen sich, so führt Petra Reski eindrücklich vor, in aller Öffentlichkeit ab, und es bedarf "nur" eines geschulten Blicks und einer (oft großen) Portion Unerschrockenheit, sie wahrzunehmen und zu studieren.

Aus dem Umstand, dass die Mafia in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, zieht die Autorin eine so naheliegende wie mutige Konsequenz: Sie rückt den Mafiosi und ihren Angehörigen auf die Pelle und lockt sie mit ihren Fragen aus der Reserve. Klingt einfach, ist aber in dieser Mischung aus scheinbarer Unbedarftheit und Vertrauen weckender Einfühlung, Chuzpe und Courage ganz schön raffiniert: "Unterschätzt zu werden ist das Beste, was einem Journalisten während einer Reportage passieren kann", notiert Petra Reski einmal, und das gilt, wie sie weiß, in Süditalien für eine Frau erst recht.

Die Reise zu den Schauplätzen und Aktionsfeldern der Mafia, ihren Protagonisten und Antagonisten folgt nicht dem Flugplan der maroden Alitalia, sondern einer offenen Dramaturgie, die in Porträts und Szenen, Ortserkundungen, Gesprächen, Gerichtsakten und Recherchen die Physiognomie einer alles andere als "ehrenwerten Gesellschaft" differenziert und hintergründig erfasst. Diese Patchwork-Struktur erlaubt es Reski, schon auf dem Weg von Venedig nach Palermo eine Zwischenstation einzulegen, die sie gerade nicht in die Mitte, sondern an den Rand, an die Peripherie von Rom führt: In einem schäbigen Block, wo ihm das Innenministerium eine Wohnung angemietet hat, trifft sie Marcello Fava, einen abtrünnigen Mafioso, der hier unter falschem Namen und ständiger Bewachung lebt. Mit dem Porträt und Psychogramm eines "pentito" zu eröffnen, ist ein doppelter Coup. Denn erstens beweist die Autorin damit, dass sie sogar an Leute herankommt, die sich von der Cosa nostra losgesagt haben, und zweitens stellt sie sich gerade mit diesem Schicksal gegen jede Verharmlosung: Für Mafiosi gilt, so oder so, immer lebenslänglich.

Die Bereitschaft, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, kommt einem Todesurteil mit unbekanntem Vollstreckungstermin gleich. So verkörpert Marcello Fava den Extremfall des Verhältnisses von Mafia und Gesellschaft, das Petra Reski in jeder Episode auslotet: Wenn sie Rosaria Schifani, Witwe eines der Leibwächter von Giovanni Falcone, porträtiert, wird das zu einer Fallstudie darüber, wie der Gemeinschaft eine Frau, die nicht bereit ist, ihre Trauer in sich hineinzufressen, zu viel wird. Wenn sie in San Luca mit Don Pino, dem Pfarrer, spricht, erscheint er als ein Kirchenvertreter, der sich mit der 'Ndrangheta so weit arrangiert hat, dass er sie schön- und wegredet, und wenn sie dort kurzentschlossen beim Haus des Pelle-Vottari-Clans vorbeischaut, bekommt sie einen Mafioso zu Gesicht, den sie sieben Monate später in den Nachrichten bei seiner Festnahme wiedererkennt, und riskiert, als "verdammte Nutte" beschimpft und bedroht zu werden. So blamiert Petra Reski sogar die Carabinieri.

Petra Reski fährt nach Reggio Calabria und interviewt die Staatsanwälte Salvatore Boemi und Nicola Gratteri, die - schwermütig der eine, dynamisch der andere - über die Geschäfte der 'Ndrangheta und das Blutbad von Duisburg sprechen, und sie verabredet sich mit Heinz Sprenger, der dort die Ermittlungen leitet und keine Pizza mehr isst: Eine Gegenüberstellung, die mit der Differenz zwischen italienischer und deutscher Rechtsprechung auch die größte Schwierigkeit der Ermittler aufzeigt.

Ein Ausflug nach Corleone wird zum Exkurs über die inbrünstig-verlogene Frömmigkeit der Mafia und die Begegnung mit dem Karmeliterpater Frittitta in Palermo zum Exempel für religiöse Korruption. Petra Reski ist Gast auf der Hochzeit von Rosalba Di Gregorio, Palermos prominenter Mafiaanwältin, und bekommt in deren Kanzlei die Frau und drei hübschen Töchter eines mächtigen Mafioso vors Mikrofon, die sich ungeniert als Opfer gerieren. In einem Vorort von Neapel schaut sie bei dem Musikproduzenten und Camorrista Carmine Sarno vorbei, geht mit ihm essen und rast mit ihm im silbergrauen Mercedes durch die Nacht. Und sie besucht Carla Madonia, die, Strohwitwe eines inhaftierten Paten, in ihrer mit Stahlwänden gesicherten Villa in Mondello sitzt, wenn sie nicht gerade auf Goodwill-Tour für ihren "ehrbaren" Gatten durch die Medien tingelt.

Petra Reski kennt Palermo wie ihre Jeanstasche, die Staatsanwälte des Anti-Mafia-Pools und die grauen Eminenzen, die Sprache, den Stolz und sogar einen "realen" Kommissar Montalbano. Auch dem Leben der Rita Atria, die mit siebzehn Jahren in den Tod sprang, spürt sie nach: Als Rita elf ist, wird ihr Vater, ein Mafiaboss, fünf Jahre später auch ihr Bruder ermordet, und als sie sich daraufhin an die Justiz wendet, wird sie von ihrer Mutter verstoßen. Überhaupt die Mafiafrauen: Mit der Legende der stummen Dulderinnen räumt das Buch gründlich auf und entschleiert sie als Mitwisser, Mittäter, Miträcher.

Kapitel für Kapitel, Szene für Szene, Porträt für Porträt setzt Petra Reski das Bild eines kriminellen Systems zusammen, mit dem Teile der italienischen Politik und Wirtschaft einen falschen Frieden geschlossen haben: Die Verbindung zwischen Silvio Berlusconi und seinem sizilianischen Studienfreund und Geschäftspartner, dem Mafiaunternehmer Marcello Dell'Utri, leuchtet sie ähnlich scharf aus wie die Verwicklungen von Giulio Andreotti oder Salvatore "Totò" Cuffaro, der als Regionalpräsident von Sizilien wegen Mafiabegünstigung zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde.

Wie die Vergehen der Mafia verdrängt, abgespalten und verklärt werden, wird dargelegt, ihre Mythen, Mentalitäten und Moral werden ebenso geschildert wie ihre Präpotenz, Arroganz und Protz: So gegenwärtig, anschaulich und farbig ist, zumindest auf Deutsch, noch nie über sie geschrieben worden. Die Mafia sieht nach diesem Buch anders aus.

ANDREAS ROSSMANN.

Petra Reski: "Mafia". Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern. Droemer Verlag, München 2008. 336 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.10.2018

NEUE TASCHENBÜCHER
572 Kilo um 17.56 Uhr:
Petra Reski liefert Fakten zur Mafia
Die Bombe explodierte am 23. Mai 1992, um 17.56 und 48 Sekunden, in einem Abflussrohr unter der Autobahn vor Capaci. Der Richter Giovanni Falcone, der gegen die Mafia ermittelte, seine Frau und drei Leibwächter wurden getötet. Die Bombe war 572 Kilo schwer, von Seismografen wurde die Explosion als ein kleines Erdbeben registriert. 57 Tage später, am 19. Juli 1992, wurde Falcones Mitstreiter Paolo Borsellino in die Luft gejagt, vor dem Haus seiner Mutter in Palermo, mit seinen fünf Leibwächtern.
Die beiden brutalen Aktionen machten den Italienern die Macht der Mafia bewusst, ihre enge Kollaboration mit der Politikern, das Gemenge von Korruption, Geldwäsche, Drogenhandel, Stimmenverkauf.
Im Reclam-100-Seiten-Buch zur Mafia von Petra Reski ist der Borsellino-Mord wie ein Naturereignis. „Wir saßen stumm da und sahen den Krater, die aufgeworfene Erde, die Autowracks, Polizisten, Sanitäter. Wir hörten das Heulen der Sirenen, die stammelnden Reporter, das Geschrei und das Geräusch rotierender Hubschrauberblätter. Es war ein Gefühl, als wäre aus den Tiefen des Ozeans plötzlich eine Bestie aufgetaucht, hätte alles verschlungen und wäre wieder abgetaucht. Zurück blieb ein Meer, das wieder still war, nur auf der Oberfläche trieben noch Trümmer und Holzplanken.“
Petra Reski lebt seit Langem in Italien, sie blickt gleichzeitig von innen und immer noch von außen auf die Mafia, ihre Geschichte, ihren Mythos von Filmen, Büchern und TV, „The Godfather“ oder „Gomorrha“, die touristische Folklore. Der Mythos wird abgeblättert in diesem Buch, der Kodex, der Familiensinn, Schutzgeld und Entführungen, die enge Verbindung zur Kirche, der unbesiegbare Krake, ein Staat im Staate. Reski rückt alles zurecht, zeigt die neue Mafia, die seit der Globalisierung in höchsten Finanzkreisen operiert. Auch in Deutschland, das mehr ist als ein „Rückzugsraum“. Deutsche Firmen kooperieren längst, Bauunternehmer oder Banken. „Kurz: Deutschland ignoriert die Mafia bewusst, weil Deutschland von der Mafia profitiert.“ FRITZ GÖTTLER
Petra Reski: Mafia. 100 Seiten. Reclam Verlag, Ditzingen 2018. 102 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr kurz geht Hans Leyendecker in einer Doppelrezension zu neuen Büchern über das organisierte Verbrechen auf Petra Reskis Reportageband über die italienische Mafia ein. Sein Urteil ist ebenso knapp wie eindeutig: Alles an dem Buch hat ihm gefallen. Die in Venedig lebende Journalistin berichte kenntnisreich von persönlichen Begegnungen mit Beteiligten aller Seiten. Besonders ihren schnörkellosen Stil, der "den Ton trifft und kühle Distanz hält", findet der Rezensent angemessen und gelungen. Mit ihrer Beobachtungsgabe und Erzählkunst gelinge es Reski, ein plastisches Bild der italienischen Mafia zu zeichnen.

© Perlentaucher Medien GmbH