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Der vorliegende Band versammelt erstmals Märchen und Geschichten von Beduinen aus der Stein- und Bergwüste des Sinai und erzählt von einer Welt, die gleich hinter den hohen Mauern der großen Hotelresorts beginnt. Die jahrhundertealte Kultur der Beduinen ist geprägt von einer oralen Tradition. Ihr Leben wurde bestimmt von Wanderung und Armut. Eine Schrift- und Buchkultur konnte in diesem Umfeld nicht entstehen. Trotzdem gab es Literatur, Gedichte und Geschichten. Eine erste Sammlung von Gedichten der Beduinen legte in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Amerikaner Clinton Bailey…mehr

Produktbeschreibung
Der vorliegende Band versammelt erstmals Märchen und Geschichten von Beduinen aus der Stein- und Bergwüste des Sinai und erzählt von einer Welt, die gleich hinter den hohen Mauern der großen Hotelresorts beginnt.
Die jahrhundertealte Kultur der Beduinen ist geprägt von einer oralen Tradition. Ihr Leben wurde bestimmt von Wanderung und Armut. Eine Schrift- und Buchkultur konnte in diesem Umfeld nicht entstehen. Trotzdem gab es Literatur, Gedichte und Geschichten. Eine erste Sammlung von Gedichten der Beduinen legte in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Amerikaner Clinton Bailey vor.
Im Zuge der Sesshaftmachung der Beduinen, der Entdeckung des Landes für den Tourismus sowie mit dem Einzug der neuen Medien an den Küsten des Roten Meeres und des Golfs von Aquaba ist diese uralte Kultur im Verschwinden begriffen.
Noch gibt es einige Beduinen, die abends am Feuer unterm Sternenhimmel diese Geschichten erzählen. Aber es ist bei der Geschwindigkeit der Entwicklung absehbar, dass sie ganz aus dem kulturellen Gedächtnis der Beduinen verschwinden. Schon jetzt weisen die Geschichten Sprünge und Lücken auf, erscheinen sie uns, vergleichbar archäologischen Funden, bruchstückhaft.
Doch in der Summe ergeben die 30 Märchen und Geschichten dieses Bandes ein farbiges Bild des Beduinenlebens. Sie erzählen vom Unterwegssein, davon wie das Gehen das Leben bestimmt. Sie berichten von der Bedeutung des Kamels und des Wassers, von einem überaus harten Überlebenskampf, von Treue und Gastfreundschaft.
Die Funktion der Märchen wie der Geschichten war Regeln des Zusammenlebens und Überlebens zu vermitteln und weiterzugeben. Bei aller Fremdheit sind doch die Ähnlichkeiten zu unseren Märchen auch verblüffend, erinnern sie doch zum Teil deutlich an unsere Märchen der Brüder Grimm.
Darüber hinaus sind die Geschichten in eine lebendige Beschreibung des heutigen Alltags der Beduinen eingebettet. Sie lassen so deutlich werden, was von diesem Bild einer im Untergang begriffenen Kultur heute noch gültig ist.

Der Band richtet sich sowohl an den Märchenforscher und -liebhaber wie an alle, die mehr als die glänzenden Fassaden der großen Hotelresorts auf dem Sinai sehen wollen und einen Einblick in die Kultur der Beduinen gewinnen möchten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2014

Zu Gast in einer Landschaft der Ewigkeit

Marion Victor hat auf dem Sinai Geschichten der Beduinen gesammelt. Bei ihnen ist die langjährige Geschäftsführerin des Frankfurter Verlags der Autoren oft zu Besuch gewesen.

VON CLAUDIA SCHÜLKE

FRANKFURT. Ihre deutschen Freunde raten ihr ab. Aber Marion Victor ist unschlüssig. Ihre beduinischen Freunde vermissen sie. "Wann kommst du wieder?", wollen sie von ihr über das Handy wissen. Vor zwei Jahren wurde ein Amerikaner in der Hafenstadt Nuweiba als Geisel entführt. "An der Küste und auf den Straßen ist es gefährlicher als in der Wüste", sagt die ehemalige Geschäftsführerin des Frankfurter Verlags der Autoren, die jahrelang mit Beduinen durch die Wüste des südlichen Sinai gezogen ist. Jetzt ist die Halbinsel, die zu Ägypten gehört, in Verruf geraten. Seit dem Sturz des Präsidenten Mubarak haben sich Gemüse-Oasen in Hanfplantagen verwandelt, Drogen werden geschmuggelt, Flüchtlinge aus Afrika im nördlichen Sinai entführt und gefoltert, bis ihre Familien Lösegeld zahlen. Ist der Sinai eine Folterkammer?

"Die Gebiete der diversen Stämme sind unterschiedlich sicher", differenziert Victor. Sie steht als Gast unter dem Schutz der Tarabin, die in einem Dorf nördlich von Nuweiba am Golf von Akaba siedeln. Als sie den Sinai im Jahr 2001 mit einer Reisegruppe zum ersten Mal besuchte, war sie hingerissen von der felsigen Landschaft aus Sandstein und Granit. "Mein erster Eindruck war Ewigkeit. Die Ebene vor dem Djebel Musa macht einen demütig." Aber sie ist kein Mensch für Reisegruppen. "Und um allein durch diese Gegend ziehen zu können, musste ich Arabisch lernen." Der einheimische Begleiter der Gruppe machte sie mit Lafi Awad bekannt, der zwar nicht lesen und schreiben konnte, aber Englisch sprach und ein Handy besaß. Lafi führte sie in seine Familie vom Stamm der Tarabin ein. Bis vor etwa anderthalb Jahren wohnte Victor zweimal im Jahr jeweils zwei Wochen lang bei den Beduinen.

Ihre Reisen legte sie in den Herbst und in den Frühling, denn im Sommer ist es zu heiß, und dann kommen die Schlangen und Skorpione aus ihren Verstecken. Mit Lafi und seinem Schwager Salem Alfahad sowie mit Mubarak Selim, dem Onkel von Lafis Frau, zog sie tagelang auf ihrem eigenen Dromedar namens Thaban durch die Wadis des südlichen Sinai. So etwas war den Beduinen unter Mubarak eigentlich nicht erlaubt. "Die Familie durfte nicht mit mir gesehen werden", erinnert sich Victor. Einmal musste sie sich als Beduinin verkleiden, um nicht aufzufallen. Erst seit dem Arabischen Frühling dürfen auch Beduinen Touristen begleiten. Aber nördlich vom Tarabin-Dorf wird es gefährlich. Dort wohnt ein Stamm, mit dem die Tarabin nicht befreundet sind wie mit den Muzeina südlich von Nuweiba.

"Ich habe eine Gesellschaft zwischen vorgestern und heute kennengelernt", sagt Victor. Die Frauen werden nach Beduinenbrauch beschnitten, obwohl das offiziell verboten ist. Sie lassen sich auch nicht fotografieren. "Sie zu sehen ist ein Privileg des Ehemannes. Darin steckt keine Verachtung, aber die totale Vereinnahmung", erläutert sie. Seit die Beduinen zur Sesshaftigkeit gezwungen würden, lebten die Beduinenfrauen hinter den Mauern der Häuser und Höfe. Bis vor gut 30 Jahren dagegen seien sie noch eine ökonomische Macht gewesen: "Sie gingen bei Sonnenaufgang mit den Ziegen- und Kamelherden zu den kargen Weideplätzen in der Wüste und kehrten vor Einbruch der Dunkelheit zurück." Weite Wege führten sie damals, vor dem Mubarak-Regime, von einer Wasserstelle zur nächsten.

"Sie gingen und gingen." Eine Formel, die in den alten Beduinen-Geschichten stereotyp wiederkehrt. In ihnen hat Victor aufgezeichnet, was ihre Begleiter sich abends am Lagerfeuer erzählten, das sie mit dem Totholz von Tamarisken und Akazien fütterten. Da sie selbst nicht genug Arabisch verstand, war sie für die Übersetzung auf Hilfe angewiesen. Die junge Beduinin Fadeya Sabah, die sie bei den Tarabin kennenlernte, hatte eine internationale Schule besucht und, als Erste ihres Stammes, die internationale Hochschulreife erreicht. Aber: "Sie darf als Frau nicht ohne männliche Familienbegleitung nach Kairo ziehen, um dort zu studieren", bedauert Victor, die von Fadeyas Englischkenntnissen profitiert hat. Denn innerhalb der häuslichen Mauern verfügt die Beduinin über einen Laptop mit Internetanschluss.

"Sie fertigte für mich Rohübersetzungen der Geschichten an", schreibt Victor im Vorwort zu ihrem broschierten 90-Seiten-Bändchens, das unter dem Titel "Märchen und Geschichten der Beduinen im Sinai" im Wiesbadener Reichert-Verlag erschienen ist. "Mit ihr konnte ich über Details und Bedeutungsnuancen einzelner Wörter diskutieren. Ohne ihre Arbeit lägen die Geschichten nicht vor", erinnert sich die Herausgeberin dankbar. Victor hat die Geschichten, die sie ihren Begleitern mit deren Einverständnis abends bei einem Glas Tee ablauschte, in "Heldensagen, Märchen und Fabeln" sowie "Geschichten aus dem Beduinenleben" mit Vorbildcharakter eingeteilt. Ein ausführliches Nachwort über die wichtigsten Motive und die orale Erzähltradtion der Beduinen rundet die bisher einzigartige Publikation ab.

Von "1001 Nacht" ist hier nichts zu spüren. Keine prunkvollen Paläste, keine Juwelen, nur Sand und Steine, Wadis und Berge kommen in diesen Geschichten vor, die in ihren Stilmitteln genauso karg und inhaltlich genauso hart und gnadenlos sind wie das Leben der Menschen in dieser Wüste. Und der Tiere. Der kleine Wüstenfuchs ist ein Verwandter Reinekes, wenn auch nicht ganz so pfiffig und erfolgreich. Wölfe und Hunde agieren als Brüder oder Freunde der Menschen, Kamele sind allgegenwärtig: vorzugsweise als Beute. Überhaupt scheinen die Männer vor allem mit Raubzügen beschäftigt zu sein, vor allem, um sich eine Braut zu verdienen. Dabei müssen sie, wie in deutschen und französischen Märchen, häufig drei Prüfungen überstehen. Neidische Mütter stellen ihren Töchtern nach wie in "Schneewittchen", ausgesetzte Kinder begegnen Dämoninnen wie in "Hänsel und Gretel".

Spannend sind die Geschichten nicht. Die Wüste und der weite Weg bis zum nächsten Brunnen dominieren die Handlung. Das hat sich seit den Tagen der biblischen Patriarchen und Gesetzgeber nicht geändert. Das gilt auch für andere Seiten des täglichen Lebens: Lafis Mutter hat ihr Korn noch gemörsert. Kein Wunder, dass Victor fast einen Kulturschock erlitt, als sie einmal vom Sinai zurückkehrte, nachdem sie bei ihren beduinischen Freunden drei Wochen lang in Häusern mit zeltartigen Strukturen gewohnt hatte, ohne abgetrennte Zimmer. Sesshafte Beduinen aber sind ein Widerspruch in sich. Denn das arabische "badawi" heißt nun einmal "nicht sesshaft, nomadisch". Anstatt mit ihren Kamelen sind die Beduinen nun mit Autos unterwegs. Es sei denn, sie führen Touristen auf Kamelen durch das Land, das sich durch den Klimawandel dramatisch verändert hat.

"Früher waren die Oasen größer, und es gab noch Gazellen in den Wadis", sagt Victor. Inzwischen bleiben die Touristen aus, weil Banditen den Sinai unsicher machen. So können auch die älteren Frauen ihren Perlenschmuck nicht mehr loswerden. Kein Trinkwasser, keine Kanalisation, keine Müllabfuhr, kein Handel, kein produzierendes Gewerbe gibt es im Dorf der Tarabin. Nur staatliche Zuteilungen von Mehl und Öl. Vom Fischfang können die Stämme allein nicht leben. Sich bei einem Arbeitgeber anstellen zu lassen ist für die stolzen, freiheitsgewohnten Nomaden undenkbar. Für manchen wird das Gebet in der Moschee zum Korsett. "Die existentielle Situation der Beduinen ist fürchterlich, sie leben von der Hand in den Mund", resümiert Victor. Inzwischen ist auch ihr Dromedar Thaban, "der Starke", gestorben. Er hatte Plastik gefressen. Nur die Wüste ist sauber: "Die Sonne brennt alles weg."

Marion Victor, "Märchen und Geschichten der Beduinen im Sinai", Reichert-Verlag, Wiesbaden 2013, 96 Seiten, broschiert, 12,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Einen besonderen Reiz hat der Band durch die Ausstattung mit Bildern. In einem Anhang sind Farbfotos reproduziert, die einerseits die Erzähler der Geschichten zeigen, andererseits Impressionen der Wüstenlandschaft. Verteilt über das ganze Buch sind außerdem vor Ort entstandene Bleistift- und Buntstiftzeichnungen Victors, die nicht nur Philologie studiert hat, sondern auch wie Ihr Vater Winand Viktor Kunst. Und so kann sie mit den Zeichenstift beglaubigen, was sie in der Einleitung schreibt: »Es ist eine überraschende Erfahrung, dass das Auge nach kurzer Zeit die Farbigkeit in der Kargheit der Landschaft entdeckt.« Es ist ein Versuch wert, eine solche Erfahrung auch bei der Lektüre der kargen Geschichten zu machen."

Von GEA

In: Reutlinger Generalanzeiger, Freitag, 17. Januar 2014, Kultur, S. 29.

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"Auf wortreiche Ausschmückungen verzichten die Erzählungen. Die Kargheit der Landschaft findet sich auch in der
Sprache wieder. Manches wirkt holzschnittartig. Und obwohl die Geschichten vor langer, langer Zeit spielen, spiegeln sie doch eine Welt wieder, die die Menschen in der Wüstenregion bis heute kennen. Eine Welt des Unterwegsseins, der Armut, des Überlebenskampfes. Eine Welt, in der Mllt, Treue, Liebe und Gastfreundschaft, aber auch Missgunst und Eifersucht zum Tragen kommen. Herrschaftliche Paläste, wie man sie von »Tausendundeine Nacht« kennt, kommen
eher nicht vor."

In: Reutlinger Generalanzeiger, Freitag 26. September 2014

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"Victor hat die Geschichten, die sie ihren Begleitern mit deren Einverständnis abends bei einem Glas Tee ablauschte in "Heldensagen, Märchen und Fabeln" sowie "Geschichten aus dem Beduinenleben" mit Vorbildcharakter eingeteilt. Ein ausführliches Nachwort über die wichtigsten Motive und die orale Erzähltradtion der Beduinen rundet die bisher einzigartige Publikation ab."

Claudia Schülke

In: Frankfurter Allgemeine vom 31.05.2014
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"Die Reutlinger Romanistin Marion Victor, GeschaÅNftsführerin des Frankfurter» Verlags der Autoren«, ist seit Jahren im Süden der Sinai-Halbinsel zu Gast, wo »heute noch wenigstens Reste des Beduinenturns aufzuspüren sind.« (J.D. Brandes 2001) Inzwischen kann sie sich auch mit ihren Gastgebern in deren Sprache verständigen. Vor Kurzem hat sie auf Deutsch eine Sammlung von Geschichten herausgegeben, die ihr von älteren, noch der Tradition verbundenen Männern erzählt worden sind. (...) Die 30 Erzählungen charakterisiert die Herausgeberin selbst als so karg wie die Steinwüste des Sinai, aber gerade deshalb auch als unverfälschten Ausdruck des Beduinenlebens. (...) So unveltraut die dargestellte Welt sein mag, Spannung in den Handlungsverläufen hält den Leser in Bann. Einen besonderen Reiz hat der Band durch die Ausstattung mit Bildern. In einem Anhang sind Farbfotos reproduziert, die einerseits die Erzähler der Geschichten zeigen, andererseits Impressionen der Wüstenlandschaft. Verteilt über das ganze Buch sind außerdem vor Ort entstandene Bleistift- und Buntstiftzeichnungen Victors, die nicht nur Philologie studiert hat, sondern auch wie ihr Vater Winand Victor Kunst. Und so kann sie mit dem Zeichenstift beglaubigen, was sie in der Einleitung schreibt: »Es ist eine überraschende Erfahrung, dass das Auge nach kurzer Zeit die Farbigkeit in der Kargheit der Landschaft entdeckt.« Es ist einen Versuch wert, eine solche Erfahrung auch bei der Lektüre der kargen Geschichten zu machen. (GEA)."

In: Reutlinger General-Anzeiger, Samstag 18. Januar 2014.
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