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Sie sind unteres Mittelmaß, und sie sind rücksichtslos zerstörerisch: unsere »Eliten«. Mit ihren Reformen zerschlagen sie gewachsene Strukturen, ohne zu wissen, wo es hingehen soll. Nacheinander werden der Sozialstaat, unsere Moral, unsere Werte, die Sicherheit der Menschen und die Demokratie zur Disposition gestellt. Rücksichtslos räumen die Eliten ab. Und sie arbeiten auf eigene Rechnung. Früher waren wir wirtschaftlich und sozial stark, doch die Dummheit der vermeintlichen Führungskräfte und Meinungsmacher beraubt das Land seiner Kraft. Ein Netzwerk mittelmäßiger Eliten droht uns zu Grunde…mehr

Produktbeschreibung
Sie sind unteres Mittelmaß, und sie sind rücksichtslos zerstörerisch: unsere »Eliten«. Mit ihren Reformen zerschlagen sie gewachsene Strukturen, ohne zu wissen, wo es hingehen soll. Nacheinander werden der Sozialstaat, unsere Moral, unsere Werte, die Sicherheit der Menschen und die Demokratie zur Disposition gestellt. Rücksichtslos räumen die Eliten ab. Und sie arbeiten auf eigene Rechnung. Früher waren wir wirtschaftlich und sozial stark, doch die Dummheit der vermeintlichen Führungskräfte und Meinungsmacher beraubt das Land seiner Kraft. Ein Netzwerk mittelmäßiger Eliten droht uns zu Grunde zu richten. Es sind dieselben, die uns seit Jahr und Tag einreden, dieses Land sei am Ende, damit sie ihr Ideal einer Wirtschaft ohne Regeln besser durchpeitschen können – dabei haben sie die Zustände selbst verursacht, die sie so lauthals beklagen. Es sind die Führungskräfte aus Politik und Publizistik, aus Wissenschaft und Wirtschaft, und sie tragen prominente Namen: Horst Köhler, Angela Merkel, Gerhard Schröder, Friedrich Merz, Josef Ackermann, die Bertelsmann-Stiftung, Roland Berger, Hans-Werner Sinn und viele andere. Noch einmal um einiges schärfer als in seinem Bestseller Die Reformlüge geht Albrecht Müller in Machtwahn zur Sache: Er benennt die Verantwortlichen, zeigt ihre Motive auf, belegt die Strategie, der sie folgen, und weist nach, wie sie ein Meinungskartell bilden, in dem einer den anderen stützt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2006

Politiker-Beschimpfung
Die Abrechnung eines Mitarbeiters von Helmut Schmidt
Machtwahn” heißt das Buch. Der Titel stammt sicher nicht vom Autor. Denn die „mittelmäßige Führungselite, die uns zugrunde richtet” - so der Untertitel - fühlt sich gar nicht mächtig gegenüber einem global agierenden Kapital. Sie stellt sich in seinen Dienst, verficht seine Interessen, verbreitet seine Ideologie. Wer heute in Wirtschaft, Wirtschaftswissenschaft, Wirtschaftsjournalismus und Wirtschaftspolitik das Sagen hat - für Albrecht Müller die Elite -, glaubt und lässt glauben, dass, wer nur den lieben Markt lässt walten, schließlich im Idealreich allgemeinen Wohlstands lande. Wenn da Macht ist, dann geliehene, die bei Abweichung jederzeit entzogen werden kann. Kein Anlass zum Wahn. Der Autor hatte den Titel „Dumm oder korrupt?” vorgeschlagen, und er bedauert, dass es dabei nicht geblieben ist. Manche hält er wohl für dumm und korrupt. Und im Laufe von 349 Seiten verlagert er seine Argumentation von „dumm” zu „korrupt”.
Auf Seite 300 ist zu lesen: „Wir haben es mit einer Generation von Topeliten zu tun, die viel Zeit, Kraft und sogar Steuergelder darauf verwenden
- das bisher angesammelte Volksvermögen zu verscherbeln,
- eine der wichtigsten Errungenschaften, die solidarischen Sicherungssysteme, dem Vertrauensverlust preiszugeben und so zu zerstören.
Und all das aus einem einzigen Grund: weil sie an dem Akt der Veränderung verdienen wollen.”
Es stimmt ja: Manche von denen, die Müller meint, zumal wenn sie mit wissenschaftlichem Anspruch auftreten, haben ihre Entzauberung redlich verdient. Aber alle, die Müller da beschimpft, werden sich gelassen zurücklehnen: Auf solche Anwürfe brauchen sie nicht zu reagieren. So, wie sie Müllers Buch über die „Reformlüge” ignoriert haben, das vieles von dem vorwegnahm, was nun eher breit getreten als vertieft wird, werden sie nun sagen können, Müller bewege sich weit jenseits einer seriösen Diskussion. Und denen, die das Buch verschlingen, ist anschließend auch nicht nach rationalem Diskurs zumute. Korrupte Eliten kann man nur wegfegen, und wenn man es dann doch nicht kann, darf man wenigstens, wie manche Gewerkschafter, einem ausgewiesenen Plebejer wie Oskar Lafontaine zujubeln, weil der bekanntlich immer nur das Gemeinwohl im Auge hat, genau wie die Bildzeitung, die sein Forum war und ihn gut bezahlte.
Was dieses Land braucht, ist ein politischer Diskurs, der die behäbige Hegemonie marktradikaler Ideologen ablöst. Am ehesten lässt er sich einleiten mit der Frage, was ein Staat zu leisten hat, was man ihm abnehmen darf und was nicht. Beschimpfungen stören nur. Es könnte sein, dass die marktradikale Welle sich weltweit schon gebrochen hat. Die Gegenbewegung hat, ausgehend von Lateinamerika, inzwischen Deutschland erreicht. Jetzt sind einleuchtende Alternativen gefragt. Möglichst europäische, nachdem die Nationalstaaten erpressbar geworden sind. Und da hat Müller nichts beizutragen außer dem erstaunlichen Rat: „Macht alles so wie wir, die Nicht-Dummen, Nicht-Korrupten es in den Siebzigerjahren gemacht haben!”
Es mag ja stimmen, dass den Leuten, die Müller mit „Eliten” meint, seit dem Lambsdorff-Papier, das die sozialliberale Koalition aufkündigte, also seit 25 Jahren, nichts Neues mehr eingefallen ist. Nur: Müller kann da lässig mithalten: Was ist ihm in den letzten 30 Jahren Neues eingefallen? Oder sind es 40 Jahre? Seit Plisch und Plum 1966 anfingen, eine Konjunkturdelle frei nach Keynes durch kreditfinanzierte Programme einzuebnen? Was damals richtig und möglich war, soll nun, für eine ganz andere, globalisierte Wirtschaft, zum Allheilmittel für alle Fälle werden.
Dass die Regierung Schmidt, deren Planungsabteilung im Kanzleramt Albrecht Müller leitete, die erste Ölpreisexplosion nicht, wie heute Sigmar Gabriel, als Motor einer modernen Energiepolitik nutzte, sondern lediglich mit kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen reagierte, hält Müller für die letzte richtige wirtschaftspolitische Entscheidung. Dabei war damals schon klar, dass nicht mit Schulden wettgemacht werden konnte, was die Ölscheichs zu verlangen gedachten. Helmut Schmidt hatte seine Gründe dafür, dass er die zweite Ölpreisexplosion nicht noch einmal so bekämpfen wollte. Das war Lambsdorffs Chance.
Vor ein paar Wochen schickte mir eine ehemalige Bundestagskollegin die Abschrift einer Rede zu, die ich auf dem Landesparteitag der Berliner SPD 1982 unmittelbar nach dem Sturz der Regierung Schmid gehalten habe. Damals - ich hatte dies längst vergessen - erinnerte ich daran, dass ich „vor einigen Jahren”, also wohl Ende der Siebzigerjahre, als die zweite Ölpreiskrise begann, gesagt hätte: „Wenn wir nicht über Keynes hinauskommen, werden wir hinter Keynes zurückgeprügelt.” Und dann: „Dies ist im Augenblick” (Ende 1982) „in vollem Gange.” Man verzeihe dieses Selbstzitat aus fernen Zeiten. Es zeigt, dass Müllers Position nie unangefochten war.
Natürlich ahnte ich damals noch nicht, wie gründlich dieses „Zurückprügeln hinter Keynes” ausfallen, wie lange es dauern und wo es enden würde. Noch weniger allerdings konnte ich mir vorstellen, dass einer von denen, deren Mangel an Sensibilität und Phantasie den Zurückprüglern freie Bahn geschaffen hatte, 24 Jahre später noch behaupten könnte, alles Elend komme daher, dass man nicht einfach weitergeführt habe, was schon damals als Antwort auf immer neue Schübe von Energieverteuerung nicht taugte.
Das Bewusstsein wird geprägt von dem, was war, von der Vergangenheit. Daher haben wir Mühe, die Zukunft richtig einzuschätzen. Deshalb fand ich, wie die Regierung Schmidt auf die Ölpreisexplosion antwortete, schlimm, aber verzeihlich. Auch mein Urteil über die Leute, die Müller für dumm oder für korrupt hält, fällt deshalb wesentlich milder aus. Auch Müller ist weder dumm noch korrupt. Aber was er heute unternimmt, ist nicht mehr verzeihlich. Es ist nur noch schlimm. Es spielt denen in die Hände, für die Demokratie nie etwas anderes war als eine Verschwörung der Dummen mit den Korrupten.
ERHARD EPPLER
ALBRECHT MÜLLER: Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet. Droemer/Knaur, München 2006. 363 Seiten, 19,90 Euro.
„Plisch und Plum”, Finanzminister Strauß (links) und Wirtschaftsminister Schiller, glaubten an den Erfolg kreditfinanzierter Programme.
Foto: dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2006

Deutschland, einig Gaunerland
Von wegen alles schwarzrotgoldene Leichtigkeit: Die Bestseller von Jürgen Roth und Albrecht Müller beschreiben das Land als Geisel dunkler Mächte

Die "Du bist Deutschland"-Kampagne, die große Koalition, die Fifa-Weltmeisterschaft alias Deutschland-Party - das war der Dreischritt zum Sommer unseres Vergnügens. Die Parteien sind einig, die Fahnen flattern, die Stimmung pendelt zwischen hedonistischem Anarchismus und fröhlicher Resignation. Die beiden rhetorischen Figuren des "Wir alle" und "Jeder einzelne", Plural und Singular des Deutschen, haben den öffentlichen Diskurs fest im Griff: Jeder einzelne und wir alle müssen jetzt im Glanze dieses Glückes blühen.

Ganz Deutschland? Nein. Auf den Sachbuch-Bestsellerlisten halten sich zwei Titel, die in allen Punkten dermaßen der verschriebenen guten Laune entgegenstreben, daß es ein Wunder ist, daß sie überhaupt verlegt, geschweige denn so massenhaft gekauft werden: Jürgen Roths "Der Deutschland-Clan" und Albrecht Müllers "Machtwahn".

Es sind schwere Bücher mit schwarzem oder dramatisch schwarzrotgoldenem Cover, mit alarmistischem Klappentext, Bücher von viktorianischer Anmutung, eine schwarze Lektüre zur Dämmerung, die man mit einem Brandy zu sich nimmt. Der Duktus beider Bücher ist ähnlich, aber das Genre differiert leicht: Jürgen Roth ist der Kriminalist, Müller eher der hegelianische Gesamtrebell.

Roths "Deutschland-Clan" verspricht in Vorwort und Klappentext, die Strukturen und Verbindungen eines real existierenden, soziologisch nachweisbaren Clans, der das Land in den Händen hält, nachzuzeichnen. Doch das vergessen Autor und Leser schnell, denn es geht auf eine furiose Reise: Wir sind in Augsburg beim Prozeß gegen den ehemaligen Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls. Schon die Sache: ein Hammer, oder? Dann aber hat sich der Richter nach dem Urteilsspruch vor Pfahls auch noch verbeugt. Roth empört das, aber es erstaunt ihn nicht, denn Müntefering hatte die Hedge-Fonds ja auch erst zugelassen, bevor er sie zu Heuschrecken ernannte. Der Leser stockt und schluckt, aber Roth fährt fort, zur Zwick-Affäre über Werner Müller zu Laurenz Meyer. Bald sind wir in den Lüften, an Bord einer Privatmaschine der West-LB. Steuern tut die Maschine unser späterer Kronzeuge, der vielleicht, oder doch eher nicht, große Mengen Kokain vertickt hat, aber zwischendrin flog er auch Prostituierte mit "hochrangigen" Politikern, Managern und so. Roth ringt um Fassung und dann mit der Lesbarkeit, wenn er die Details der Verfahren um die West-LB-Skandale darstellen muß. Egal, man hat ja schon kapiert: Koks und Callgirls auf Kosten des kleinen Mannes - ein dickes Ding.

Aber wer sich darüber empört, hat die ganze Dimension des Elends nicht umrissen und wird deshalb mitgenommen nach Mecklenburg-Vorpommern, zu einem angeblich allmächtigen Unterweltspaten, der dort zwei Cafés betreibt. Roth trifft sich mit ihm, findet ihn ganz sympathisch. Später nimmt die Polizei den Paten hops. War er vielleicht doch gar nicht so allmächtig? Egal, die ganz großen Dinger werden ja eh woanders gedreht, in Bukarest beispielsweise. Bodo Hombach hat da Geschäfte gemacht. Und wo war der früher? Richtig, auf dem Balkan. Stichwort Kosovo, albanische Mafia.

Dem Buch wohnt ein rührender lutherischer oder volksmagischer Zug inne: Wird ein Skandal oder auch nur dessen Schauplatz einmal benannt, so ist das Böse in ihm auch gebannt. Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen halten auf, es muß weiter benannt werden. Die ganze Reise hat ein Ziel, und das ist weit: Petersburg, also Gasprom. Schröder geht zu Gasprom. Das ist ein so dickes Ding, daß Roth es mehrmals an- und ausführt: Putin, KGB, andere Deutsche - Stasi, Schröder früher bei den Jusos, alles klar.

Daß es sein Generalargument einer organisierten Machtübernahme Deutschlands durch einen neoliberalen Clan nicht plausibler macht, wenn der ehemalige Bundeskanzler sich bis nach Petersburg und unter Beschädigung seiner Reputation in solche erkennbar dunklen Kreise begeben muß, um ordentlich Geld zu verdienen, daß er also offenbar in seinem Heimatland gar nicht über entsprechende Unterweltsverbindungen verfügt, fällt Roth nicht auf. Auch vor der angeblich furchterregenden und - wegen Seilschaften mit den Medien - unhinterfragbaren Macht eines Wolfgang Clement kann einem nur dann gruseln, wenn man vergißt, daß Clement und die anderen NRW-SPD-Größen vom angeblich so leicht zu manipulierenden Wähler schnöde ins Privatleben verabschiedet wurden.

Aber da ist Roth längst woanders, er wird überall gebraucht, um uns von einem "Schweinfurter Bauträger, der nur mit albanischer Leibgarde im Auto fährt" zu erzählen, oder von Florian Gerster und dessen freihändigen PR-Aufträgen. Aus Peter Hartz & Co hätte er vielleicht noch ein wenig mehr machen können, auch dessen Adlatus Helmuth Schuster kommt zu kurz, obwohl der doch einiges dafür getan hat, um in diese unendliche Skandalchronik aufgenommen zu werden.

Dafür geht es um die Phoenix-Affäre, die Berliner Bankgesellschaft, die "Spätzle-Connection" sowie um einen Yassin Dogmoch, der "am liebsten Loire-Weißwein" trinkt - nicht auszumalen, welche Serie an Missetaten Roth aufzählen müßte, wenn der Mann sich sizilianischen Chardonnay genehmigt hätte!

Roths Parforceritt durch das Land der Gauner hat etwas von Jules Verne und Karl May. Ein kleiner Unterschied besteht leider: Roth erfindet nichts, es passiert ja wirklich immerzu viel Schlimmes. Roth empört sich bloß mehr als andere, und in seinem Furor sieht er das Land nicht in der Hand eines Clans, sondern als einen einzigen großen Gaunerclan, der sich, wo immer es geht, auch noch mit den Nachbarstaatenclans zusammentut, wo es ja noch schlimmer ist.

Albrecht Müller - ehemaliger Kanzleramtsplanungschef unter Helmut Schmidt, dann lange Jahre SPD-Bundestagsabgeordneter - wirft seinen Blick auf das Land von der schönen Südpfalz aus, aber der Rückzug dorthin hat ihn innerlich nicht befriedet, sondern aufgewühlt. So wie Montaigne ja schon notierte, nach seinem Rückzug in den Turm sei die Vorstellungskraft wie ein wildes Pferd mit ihm durchgegangen, so ergeht es auch diesem Autor, der besonders mit der eigenen, sozial und geographisch abseitigen Position zu hadern scheint. Besonders beklagenswert findet Müller, daß soviel geklagt wird: Das Land pleite, die Kassen leer, die Gewerkschaften zu mächtig; wo, fragt Müller - im Einklang mit den Leserbriefschreibern dieser Welt -, bleibt das Positive? Man solle den Menschen lieber Mut machen, denn Konjunktur sei Psychologie, und wenn man dann noch die Löhne erhöhe, dann werde der Laden schon wieder laufen. Damit ist Müller aber keineswegs so allein, wie er tut - in der CDU hätte er mit dieser Position eine klare Mehrheit.

Doch das kann Müller nicht zugeben, denn er will ja abrechnen mit der Elite des Landes. Er hat dazu nicht, wie Pierre Bourdieu, die Eliten in Wissenschaft, Medien, Wirtschaft und Politik untersucht und befragt, sondern viel gelesen und viel ferngesehen und sich noch mehr aufgeregt. Diese Methode scheint freilich genau jene Erkenntnisse zu fördern, die alle Fernsehzuschauer auch immer gewinnen: Alle stecken unter einer Decke! Und wer zahlt die Zeche? Der kleine Mann!

Auch hier ist es die serielle Betrachtung von Skandalen, die die Empörung so richtig hochkochen läßt: Der Ackermann - arbeitet der wirklich mehr als sein einfachster Angestellter? Die Agenda 2010 - war doch 'ne Pleite! Die Firma Grohe - kaputtgemacht von Heuschrecken. Schließlich Müllers bitterer Satz: "Andrea Nahles wurde nicht SPD-Generalsekretärin, Wolfgang Thierse ist nicht mehr Bundestagspräsident!" Alles hängt mit allem zusammen - und auch wieder nicht. Viele von Müllers Beispielen sind wirklich skandalös und wurden in den wichtigsten Medien auch entsprechend kommentiert. Gerade etwa der von Müller schwer gescholtene "Spiegel" hat sich weder bei der Kritik an Ackermann noch an Hartz IV übertreffen lassen. Man kann auch nicht behaupten, daß Hedge-Fonds, Drückerkolonnen und der Handel mit Schrott-Immobilien zu jenen Branchen zählen, in die gutmeinende Eltern ihre tüchtigen Kinder am allerliebsten vermitteln würden. Außerdem sitzt im Bundestag eine starke Linksfraktion, die in vielen Punkten Müllers Sicht der Dinge vertritt und deren Chefs es an Medienpräsenz mit den Herren Henkel und Merz durchaus aufnehmen können.

Das Buch ist aber nicht nur Furor, es hat rührende, tröstende Stellen, etwa wo es aufzählt, wie der Kapitalismus den Menschen krank macht, Schlaflosigkeit und Übergewicht verursacht sowie das nächtliche Zähnemalmen und die "posttraumatische Verbitterungsstörung!".

Mit der Identifizierung einer neoliberal verblendeten Elite hat das alles nichts zu tun. Müller hält Bertelsmann-Chef Reinhard Mohn für "den mächtigsten Mann Deutschlands" - der freilich ist mit seiner Skepsis gegenüber der Börse und seinen Predigten vom ethisch verantwortlichen Unternehmertum alles andere als ein Neoliberaler. Und Frau Mohn erwähnt Müller gar nicht erst. Müller sieht selbst heftig verfeindete Einzelgänger und Konkurrenten als Partners in Crime, von der Südpfalz aus stehen sich in Berlin eben alle nahe.

Früher griffen viele, die auf das ganze Land sauer waren, zu Bernt Engelmann oder zu Günter Ogger, um sich bestätigen zu lassen, daß alle Verbrecher sind; heute hat man zu diesem Zweck halt Roth und Müller neben dem Bett liegen. Es ist der buchförmige Ersatz für einen stets mitfühlenden Barmann, der jede noch so entlegene Klage mit einem Drink und "Schlecht die Welt, böse der Mensch!" zu lindern versteht.

NILS MINKMAR.

Albrecht Müller: "Machtwahn. Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet". Droemer 2006, 364 Seiten, 19,90 Euro.

Jürgen Roth: "Der Deutschland-Clan. Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz". Eichborn, 256 Seiten, 19,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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