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M. DuMont Schauberg ist eines der ältesten deutschen Verlagshäuser und mit Zeitungen wie Kölner Stadtanzeiger, Express, Frankfurter Rundschau oder Mitteldeutsche Zeitung, den DuMont-Buch- und Kalenderverlagen sowie vielen anderen Aktivitäten eines der größten. Seine Geschichte wird hier zum ersten Mal aufgearbeitet. Der versierte Unternehmenshistoriker Manfred Pohl widmet sich dabei insbesondere der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs und der Frage nach dem Verhältnis des Unternehmens zur NS-Ideologie. Mit besonderer Methodik untersucht er die Zeitungen als Mittel und Ausdruck…mehr

Produktbeschreibung
M. DuMont Schauberg ist eines der ältesten deutschen Verlagshäuser und mit Zeitungen wie Kölner Stadtanzeiger, Express, Frankfurter Rundschau oder Mitteldeutsche Zeitung, den DuMont-Buch- und Kalenderverlagen sowie vielen anderen Aktivitäten eines der größten. Seine Geschichte wird hier zum ersten Mal aufgearbeitet. Der versierte Unternehmenshistoriker Manfred Pohl widmet sich dabei insbesondere der Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reichs und der Frage nach dem Verhältnis des Unternehmens zur NS-Ideologie. Mit besonderer Methodik untersucht er die Zeitungen als Mittel und Ausdruck der Unternehmenspolitik. Nicht nur in dieser Hinsicht ist das Buch eine Pioniertat.
Autorenporträt
Prof. Dr. Manfred Pohl, geboren 1944, absolvierte eine Banklehre und studierte Geschichte, Germanistik und Volkswirtschaft. Seit 1972 leitet er das Historische Institut der Deutschen Bank, seit 1981 lehrt er an der Universität Frankfurt am Main. Auf seine Anregung hin wurden 1976 die "Gesellschaft für Unternehmensgeschichte" sowie 1997 die "Society of European Business History" gegründet. Er ist Initiator und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des im Jahr 2008 gegründeten Frankfurter Zukunftsrates.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2009

Ein Stück Zeitungsgeschichte
DuMont Schauberg in der Nazizeit

Während Industrieunternehmen und Banken seit Ende der achtziger Jahre im Zuge der Zwangsarbeiter-Debatte ihre Geschichte in der Nazizeit von Historikern aufarbeiten ließen, ist das in der Medienbranche bisher nur zum Teil der Fall. Nach Bertelsmann (2002) und Holtzbrinck (2008) hat jetzt die Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg in Köln ihre Geschichte in der NS-Zeit erforschen lassen. Autor ist der bekannte Unternehmenshistoriker und frühere Leiter des Historischen Instituts der Deutschen Bank Manfred Pohl. Anstoß zu dem Buch gaben Veröffentlichungen und juristische Auseinandersetzungen über Grundstückskäufe von Angehörigen der Familie Neven DuMont und der DuMont-Versorgungskasse aus zuvor jüdischem Besitz. Die Vorwürfe hatten das Selbstverständnis der Familie empfindlich getroffen; denn auch bei DuMont Schauberg wie bei den meisten Unternehmen war die Historie dieser dunklen Jahre zuvor in mildem, unkritischem Licht beschrieben worden.

Die Kölner Verlagsgruppe ist eines der ältesten noch in Familienbesitz befindlichen deutschen Verlagshäuser, dessen Wurzeln bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts reichen. Die nationalliberale "Kölnische Zeitung" gehörte in der Weimarer Republik zu den wenigen bürgerlichen Zeitungen, die überregional und auch im Ausland Bedeutung hatten. Heute ist die Gruppe nach einer überaus ehrgeizigen Expansion mit knapp 1,3 Millionen Zeitungsexemplaren nach Springer und der Südwestdeutschen Medienholding das drittgrößte deutsche Zeitungshaus. Dazu gehört auch eine Beteiligung an der israelischen Zeitung "Haaretz", deren Mehrheit die Erben des 1933 aus Deutschland geflohenen jüdischen Kaufhauskönigs und Verlegers Salman Schocken halten.

Die Grundstückskäufe spielen in Pohls Buch nur eine Nebenrolle. Zu Recht; denn der Immobilienerwerb ist anderer Art als die damals oft erfolgte gezielte Verdrängung jüdischer Eigentümer. Gleichwohl hat die Familie Neven DuMont die vom NS-Regime geschaffenen Zwangslagen für jüdische Bürger zum Kauf der ihr angebotenen Grundstücke genutzt. Einem solchen Erwerb musste, wie Pohl schreibt, "ein Ruch anhängen". Das Interesse war aber offensichtlich größer als die Bedenken. Nach dem Krieg kam es zu Wiedergutmachungsverfahren mit den früheren Eigentümern oder ihren Erben.

Interessanter ist die Entwicklung des Zeitungshauses in der Nazizeit und das Verhalten der Verlegerfamilie sowie der Journalisten. Die umfassende Darstellung macht Pohls Buch zu einem Lehrstück deutscher Zeitungsgeschichte, auch wenn es nicht die erste Darstellung ist. Bereits 1965 erschien das Buch der renommierten Journalistin Margret Boveri "Wir lügen alle", das aus eigenem Erleben Verstrickung und Niedergang der angesehenen Zeitung "Berliner Tageblatt" schildert, die 1939 eingestellt wurde. Im Jahr 1986 erschien das Buch des F.A.Z.-Journalisten Günther Gillessen über die 1943 von den Nazis verbotene berühmte "Frankfurter Zeitung" unter dem bezeichnenden Titel "Auf verlorenem Posten". Es schildert die Historie des Verlages wie auch die Problematik von Journalismus in einer Diktatur.

Im Gegensatz zu den von den Nazis eingestellten, aufgekauften oder verbotenen Blättern bestand die "Kölnische Zeitung" bis zum bitteren Ende 1945. Der Preis dafür war hoch in einem totalitären Regime, dessen Ziel es nach Hitlers Worten war, sich der Presse als Mittel der Volkserziehung "mit rücksichtsloser Entschlossenheit" zu versichern und sie in den Dienst von Staat und Nation zu stellen. Kurt Neven DuMont und sein Vetter August, die den Verlag in der Nazizeit leiteten, arrangierten sich wie viele andere Unternehmer mit den Machthabern, um das Familienunternehmen und die Zeitung zu retten. Die Alternative wäre der Verkauf an den nationalsozialistischen Pressekonzern gewesen. Die beiden Verleger verleugneten ihre bürgerlich-liberale Gesinnung und versuchten, das Schlimmste zu verhindern. Sie traten 1937 in die NSDAP ein, wobei Kurt Kassenwart wurde und sein Vetter August Blockleiter. Sie vollzogen resignierend die Pervertierung ihres einst stolzen bürgerlich-liberalen Blattes zu einer gleichgeschalteten und im Dienst der NS-Propaganda stehenden Zeitung. Ihr innerer Zwiespalt lässt sich daran ermessen, dass sie zugleich bedrohte oder verfolgte Mitarbeiter retteten. Ebenso unterstützten sie die Redaktion in ihrem Bemühen, letzte kleine Freiräume journalistischer Unabhängigkeit zu erhalten.

Mit dem 1933 verabschiedeten Schriftleitergesetz war den DuMonts wie anderen Verlegern freilich längst das Heft aus der Hand genommen worden. Das Gesetz verlangte von den Journalisten, ihren Beruf im Einklang mit der nationalsozialistischen Weltanschauung auszuüben. Verantwortlich war allein der "Hauptschriftleiter", der wiederum den Weisungen des Propagandaministeriums Folge zu leisten hatte. Der Verleger war entmachtet. Vor diesem Hintergrund wurde Kurt Neven DuMont nach dem Krieg im Entnazifizierungsverfahren als "Entlasteter" eingestuft und sein Vetter August als "Mitläufer". Nazis im Sinn fanatischer Parteigänger waren die DuMonts also nicht. Durch ihr Arrangement mit der NS-Diktatur haben sie jedoch letztlich Mitverantwortung für den Machterhalt des Systems getragen.

Der Blick sollte nicht auf das unternehmerische Verhalten in jener Zeit verengt werden. Pohls Buch gibt auch anhand vieler Beispiele Anlass, nach der Rolle der in der Nazizeit tätigen Journalisten zu fragen. Ein Feuilletonist des "Kölner Blattes", Ernst W. Johann, hat dazu 1974 in einem Vortrag gesagt: "An direkte Opposition war nicht zu denken; deshalb haben wir kein Widerstandsblatt gemacht, sondern nur - kein Parteiblatt. Das war viel; denn das war alles, was damals zu erreichen war. Natürlich haben wir die Problematik, die darin bestand, dass wir unter den Nazis überhaupt eine Zeitung machten, oft diskutiert. Unser Häuflein sagte sich, wenn wir sie nicht machen, dann macht sie überhaupt keiner, und dann ist es immer noch besser, wenigstens die Ahnung von Wahrheit durchschimmern zu lassen, als zuzusehen, wie die Parteizeitungen jene Werte zertraten und zerstampften, die wir gerettet sehen wollten."

Die Frage bleibt, warum die Journalisten trotz dieser Heuchelei und der Gewissensnöte weiter mitmachten und weitgehend im Sinn des Regimes schrieben. Sie hätten immerhin in den Fachjournalismus oder andere Berufe wechseln können, wie es manche auch getan haben. Die meisten der Journalisten, die keine Nazis waren, suchten ihr Heil in einem "verhüllten publizistischen Krieg" gegen das Regime, wie der Journalist Gustav René Hocke meinte. Das war vor allem im Feuilleton möglich. Gillessen hat diesen doppeldeutigen Journalismus als "Kampf unter Masken" bezeichnet. Nur Emigration hätte vor der Verstrickung bewahren können und ein ganzes Volk aber nicht emigrieren können. Um Opposition sein zu können, habe man die Verstrickung nicht scheuen dürfen. Eine These, über die bis heute zu Recht gestritten wird. Pohls Buch ist ein weiterer wichtiger Beitrag auch zu dieser Debatte.

JÜRGEN JESKE

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