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Leben und Werk von Lou Andreas-Salomé rufen Kritik wie Begeisterung hervor. Sie sprengte die Grenzen einer männlich ausgelegten Vernunftwelt und den darin für Frauen abgesteckten Rahmen. In ihren Büchern - die erst heute wieder entdeckt werden - rebellierte sie gegen jede überkommene Autorität, kämpfte um das Recht ihres Geschlechts und plädierte für die schöpferische Freiheit der Erotik.Irmgard Hülsemanns psychologisch einfühlsame Biographie dieser faszinierenden Frau läßt Lou Andreas-Salomé lebendig und von verblüffender Aktualität erscheinen.

Produktbeschreibung
Leben und Werk von Lou Andreas-Salomé rufen Kritik wie Begeisterung hervor. Sie sprengte die Grenzen einer männlich ausgelegten Vernunftwelt und den darin für Frauen abgesteckten Rahmen. In ihren Büchern - die erst heute wieder entdeckt werden - rebellierte sie gegen jede überkommene Autorität, kämpfte um das Recht ihres Geschlechts und plädierte für die schöpferische Freiheit der Erotik.Irmgard Hülsemanns psychologisch einfühlsame Biographie dieser faszinierenden Frau läßt Lou Andreas-Salomé lebendig und von verblüffender Aktualität erscheinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.1999

Bloß ein Mädchen
Aber Nietzsches Idealfall: Lou Andreas-Salomé und ihr Leben

Der Titel dieses Buches hat nur drei Buchstaben: Lou. Am 11. Februar 1861 wird in Sankt Petersburg dem General Gustav Ludwig von Salomé eine Tochter geboren. Es ist das Mädchen Louise, das später unter dem Namen Lou Karriere macht. In der Familie des Generals gibt es schon fünf Kinder, alles Söhne, weshalb das Geburts-Kapitel die Überschrift trägt: "Bloß ein Mädchen". Man wundert sich nicht, daß die Autorin dieser Biographie über Lou Andreas Salomé, Irmgard Hülsemann, im Umschlagtext als feministische Psychotherapeutin vorgestellt wird, denn Lou war vor hundert Jahren eine Vorzeigedame der damals mächtig anschwellenden Frauenbewegung, und zwar als Autorin und als Wegbegleiterin von Persönlichkeiten wie Friedrich Nietzsche, Rainer Maria Rilke und Sigmund Freud. Sie vor allem verkörpert das um 1900 für eine maßgebende Persönlichkeit unumgängliche "Ringen" um eine "Weltanschauung".

Ihr erster Ausbruch aus dem Backfischalter war der Brief an den Prediger der niederländischen Gesandtschaft in Sankt Petersburg, Hendrick Gillot, in dem es hieß: "Die Ihnen schreibt, ist ein siebzehn Jahre junges Mädchen, das mitten in seiner Familie und Umgebung einsam dasteht, in dem Sinne als niemand ihre Ansichten teilt, geschweige denn den Drang nach umfassender Erkenntnis stillt." Dem Drang nach Erkenntnis wird bald geholfen. Als "junge Russin" taucht sie bei einem Genesungsaufenthalt in Rom auf, wo - Zufall oder Fügung wollen es - schon ein Neugieriger auf das gescheite Mädchen wartet. Es ist kein Geringerer als Friedrich Nietzsche. Über die Gespräche, die sie mit ihm führt, schrieb sie an ihren Freund Paul Rée, der die Bekanntschaft mit Nietzsche vermittelt hatte: "Wir haben stets die Gemsenstiege gewählt und wenn uns jemand zugehört hätte, er würde geglaubt haben, zwei Teufel unterhielten sich." Sie dankt ihm 1904 durch ihr Buch "Friedrich Nietzsche in seinen Werken".

Nietzsche hielt um ihre Hand an. Es wurde aber nichts daraus, weil sie den Orientalisten Friedrich Karl Andreas vorzog. Lou stellte für ihr Ja-Wort eine Bedingung: Eine sexuelle Beziehung zwischen ihnen sei ausgeschlossen. Diese erste Ehezeit ist für sie fruchtbar. Sie veröffentlicht ihre ersten Arbeiten, darunter eine über die Frauengestalten Ibsens. Sie findet Verbindung zu den literarischen Kreisen Berlins. Vorher hat sie in München den jungen Rilke kennengelernt, dessen Geliebte sie wird und dem sie hilft, ein genauer Beobachter und ein großer Dichter zu werden. Sie bleibt seine Herzens- und Lebensfreundin durch viele Jahre bis zu seinem Tode. Der Briefwechsel zwischen ihnen erstreckt sich über dreißig Jahre. Es steht in diesem Briefwechsel viel von dem, was sie ihrem nächsten Schutzengel, Sigmund Freud, verdankt. An Rilke schreibt sie: "Was Du jedesmal von Dir beschreibst, was Dich quält, hat an sich selbst etwas Heilkraft." In gewissem Sinne hat ihre kritische Schulung, ein gewisses Ein- und Zureden, ihm Mut zu sich selbst gemacht.

Es ist selbstverständlich, daß Irmgard Hülsemann den letzten Lebensjahrzehnten Lous eine besondere Aufmerksamkeit schenkt. Es sind die Jahre, wo das freundliche Vaterbild von Sigmund Freud über ihrem Leben schwebt. Sie hält das erste Treffen mit ihm fest: "Als ich von einem Aufenthalt in Schweden heimwärts reisend, auf dem Weimarer Psychoanalytischen Kongress im Herbst 1911 vor Freud stand, lachte er mich für meine Vehemenz, seine Psychoanalyse lernen zu wollen, sehr aus." Sie hat ihm in ihrem "Lebensrückblick" eine einfühlsame Charakteristik geschenkt: "Nur er brachte den Grad von Unbefangenheit dafür auf (nicht etwa gar erkämpfte Überwindung oder umgekehrt Lust am Widerwärtigen), sich nicht drum zu kümmern, ob er dadurch an Anstößiges oder Abstoßendes geriete; dies sanktionierte sich ihm durch den Umstand, daß es sich als Tatsache und Vorhandenheit auswies - was einfach heißt: seine Denkfreude, seine Forscherneugier bezog aus seinem Wesen ein so mächtiges Stück seiner Liebesfähigkeit, seines Bemächtigungsdranges, daß ihm nicht im mindesten zur Frage wird, an welcher Stelle menschenüblicher Wertung oder Urteilerei es etwa zu stehen käme . . . Und so geschah es, daß es ein dem Rationalen restlos Ergebener, der Rationalist in ihm, war, der dem Irrationalen auf diese indirekte Weise auf die Schliche kam." Das ist Freud auf den Leib geschrieben. Mit "Mein Dank an Freud" zu dessen 75. Geburtstag hat sie bekräftigt, was sie ihm verdankt. Die enge Freundschaft, die sie mit Freuds Tochter Anna schloß, bestärkte den Vater in seiner Neigung zu der ihm treu zur Seite stehenden Psychoanalytikerin.

Irmgard Hülsemann hat in ihrem Buch die Lebensschritte Lous geduldig und einfühlsam nachgezeichnet. Im Jahr 1932 erhielt Lou den Besuch von Victor Freiherr von Weizsäcker. Er zeichnet von ihr ein sympathisches Gesamtbild: "Die außerordentliche Frau war noch immer blond und hatte den biegsamen Gang eines gleichsam wandelnden jungen Baumes; weniger monumental als Gertrud Bäumer oder Ricarda Huch; aber von anmutiger, suchender oder tastender Einfühlung in Menschen, ohne das allzu männliche Übergewicht einer werkschaffenden und planvollen Geistesarbeiterin." WERNER ROSS

Irmgard Hülsemann: "Lou. Das Leben der Lou Andreas-Salomé". Claassen Verlag, München 1998. 543 S., geb., 58,- DM.

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