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Long John Silver, der berühmte Einbeinige aus der "Schatzinsel", erzählt von seinem abenteuerlichen Piratenleben und den haarsträubenden Lebensverhältnissen der Seeleute und Piraten. Opfer ausbeuterischer Kapitäne und erschütternder Verhältnisse sind sie allesamt, und so wird Silver ohne Skrupel die Seite wechseln.

Produktbeschreibung
Long John Silver, der berühmte Einbeinige aus der "Schatzinsel", erzählt von seinem abenteuerlichen Piratenleben und den haarsträubenden Lebensverhältnissen der Seeleute und Piraten. Opfer ausbeuterischer Kapitäne und erschütternder Verhältnisse sind sie allesamt, und so wird Silver ohne Skrupel die Seite wechseln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Unter Teerjacken
Björn Larsson auf der Schatzinsel / Von Ernst-Jürgen Dreyer

Im postmodernen Zeitalter pflanzt sich die Literatur mehr und mehr per Jungfernzeugung fort. Bei Tom Stoppard emanzipieren sich die unglücklichen Junker Rosenkranz und Güldenstern aus "Hamlet" zum Protagonistenpaar. "Das weite Feld" von Grass sprießt aus Fontaneschem Nährboden. Und 1995 erschien in Stockholm ein Piraten-Bericht, dessen Titel Stevenson-Freunde wird aufhorchen lassen: "Long John Silver". Sein Autor Björn Larsson, 1953 geboren, "fährt zur See" - so der Klappentext - "und lehrt französische Literatur an der Universität Lund". "An Bord S/Y Rustica, Camariñas will er selbst das "Postscriptum" verfaßt haben, in dem er Robert Louis Stevenson unter den "Lügenhälsen" seiner Quellen aufzählt - den Dichtern, im Gegensatz zu den Historikern. An "fremden Federn", aus denen es eingestandenermaßen "zu einem erheblichen Teil" besteht, ist das Buch kaum ärmer als Umberto Ecos "Name der Rose". Aber man erinnere sich, daß schon Stevenson "Reminiszenzen" eingestand; unter anderem brach er "in Mr. Poes Galerie ein" und stahl für seine "Schatzinsel" das wegweisend hingelegte Skelett aus dem "Goldkäfer".

Stevenson und Larsson lehnen noch in anderer Hinsicht aneinander. In dem zehn Zeilen langen dramaturgisch genialen Einleitungssatz der "Schatzinsel" greift Jim Hawkins "im Jahre des Herrn 17. . . zur Feder", um die Ereignisse um die Suche nach Captain Flints Schatz festzuhalten. Die Sätze, die Larsson Stevensons einbeinigem Seeräuber aus der Feder fließen läßt, sind kürzer: "Wir schreiben 1742. Ich habe lange gelebt. Die ich gekannt habe, sind alle tot." Auf Seite 387 von Silver-Larssons abenteuerlichem Bericht kommt dem alten Glücksritter doch tatsächlich die "Schatzinsel" in die Hand - als der zu London erschienene Bericht eben Jim Hawkins' -, und seine Memoiren verwandeln sich in einen fiktiven Antwortbrief an diesen.

Und doch, Björn Larssons Buch ist der "Schatzinsel" denkbar entgegengesetzt. Während sich Stevenson miniaturistisch in einen einzigen Fall versenkt, entwirft Larsson ein Panorama des Lebens zur See im achtzehnte Jahrhundert. Und während bei Stevenson Gut und Böse reinlich geschieden sind, gibt es in Larssons offenbar gründlich recherchiertem Bericht keinen moralischen Unterschied zwischen dem Leben in Gesetzestreue und dem in Gesetzesverachtung. Loyalität und Gottesfurcht werden zu schierer Dummheit beim Dienst auf Schiffen, auf denen der Vorteil des Eigners oberstes Gebot und das Zusammenschmelzen der Mannschaft durch Krankheit und drakonische Strafen als kostensparender Faktor eingeplant ist. Sie gleichen dem Verhalten des frischgetauften Negersklaven von der Plantage, der um Verzeihung bittet, daß er für seine Bekehrung nicht mit eigenhändigem Brief dankt, "da er weder Hände noch Füße besaß, denn die hatte man ihm abgehauen, weil er Maroon gelaufen war". Herzstück des Buches sind die Kapitel über die Sklavenverschiffung, die mit der Vorbereitung einer schrecklich scheiternden Meuterei zur See beginnen und mit einer Sklavenmeuterei an Land, in der Mission, enden. Bei aller Grauenhaftigkeit der Einzelheiten sind sie, nicht zuletzt dank der Übersetzung Jörg Scherzers, ein mitreißendes Lese-Erlebnis.

Weniger fesseln die räsonierenden Kapitel, in denen sich der wortkundige Pirat mit Gott, dem Tod und mit der Defoeschen Idealisierung des Piratentums auseinandersetzt. Das Wichtigste hierzu steht knapper bereits bei Stevenson, der zudem ganz ohne Geschwätzigkeit auskommt. Und leider gänzlich in die Niederungen der Trivialliteratur sinkt Larsson ab bei der Charakterisierung von zwei Frauengestalten, die sich unter seine Teerjacken verirren. Von Elisa, der Schmugglerstochter, zu der dem Autor nichts einfällt als das amerikanische Krimi-Klischee: "Als ich wieder zu mir kam, lag Elisa mit einem Lächeln neben mir." Und von Silvers "altem Negerweib" (so Stevenson). Bei Larsson ist es die stolze Mulattin, die dem Kapitän Butterworth das Glied abgebissen hat. "Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, ( . . .) stand sie die ganze Nacht neben mir am Ruder." Aus dem Kolonialgefängnis einer altprotestantischen Seemacht freigekauft - und nackt? Entspricht das der Quelle? Oder geschieht es der Pikanterie zuliebe?

Björn Larsson: "Long John Silver". Der abenteuerliche Bericht über mein freies Leben und meinen Lebenswandel als Glücksritter und Feind der Menschheit. Aus dem Schwedischen übersetzt von Jörg Scherzer. Berlin Verlag, Berlin 1996. 479 S., geb., 44,- DM.

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