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Nach dem beeindruckenden Romandebüt von "Passionsfrucht" hält der gefeierte 40jährige Autor mit seinem neuen Buch Kritik und Leser in Atem: Karel G. van Loon verbindet in "Lisas Atem" die Erinnerungen an eine junge Frau, die während eines Urlaubs in der Bretagne spurlos verschwand, mit einer raffinierten Krimihandlung zu einer großen Liebesgeschichte.

Produktbeschreibung
Nach dem beeindruckenden Romandebüt von "Passionsfrucht" hält der gefeierte 40jährige Autor mit seinem neuen Buch Kritik und Leser in Atem: Karel G. van Loon verbindet in "Lisas Atem" die Erinnerungen an eine junge Frau, die während eines Urlaubs in der Bretagne spurlos verschwand, mit einer raffinierten Krimihandlung zu einer großen Liebesgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2003

Revolution der Rätsel
Karel G. van Loon zeigt, was sich in Holland alles selbst verwirklichte

Lisas Atem, das ist der letzte Eindruck, den die Siebzehnjährige hinterlassen haben könnte, wäre solch ein Hauch beständig. Es ist nicht mehr als eine eingebildete Spur, eine Fährte, die nur wahrnimmt, wer sie unbedingt wahrnehmen will. Lisa verschwand vor sieben Jahren. Weder ihre Mutter Sophie noch deren Ehemann Sebastiaan, noch Lisas Liebster, der Knabe Talm, wissen, wo das Mädchen geblieben ist. Die Polizei hat, wenn der Roman beginnt, den Fall längst aufgegeben.

Haben wir es mit einer Kriminalgeschichte zu tun? Ja, wenn man so will. Aber man muß nicht wollen. Man kann "Lisas Atem" durchaus auch als Gesellschaftsporträt lesen, als Darstellung menschlicher Probleme an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Genau gesagt: in den Niederlanden während der siebziger Jahre. Die Leute, die sich in der gegebenen Szene tummeln, stehen unter dem Einfluß der Rebellion in den späten Sechzigern. Durch Generationen tradierte soziale und moralische Werte gelten nicht mehr so recht. Selbstbestätigung heißt die Devise, unbedingte Freiheit das Ziel, und wer dergleichen anstrebt, muß alte Bedenken beiseite kehren.

Der Autor van Loon, 1962 geboren, reifte in einer Zeit, in der die Revolution langsam schon wieder Vergangenheit wurde. Das heißt aber nur, daß er nicht persönlich engagiert ist, nicht etwa, daß er jene Ära kritisch aufarbeitet. Sie ist nicht Gegenstand seines Romans, sie ist bloß dessen Ambiente. Warum hat er sie dafür gewählt? Möglicherweise deshalb, weil er die betreffenden Jahre immerhin miterlebte, wenn auch als halbes Kind, und darüber besser Bescheid weiß als über irgendwelche anderen Epochen.

Schon in seinem ersten Roman "Passionsfrucht", 1999 im niederländischen Original, 2000 in deutscher Übersetzung erschienen, tummelte sich van Loon als Hobbyforscher in den Urgründen der Menschenseele. Damals ging es um die Befindlichkeit eines Mannes, der von seiner Unfruchtbarkeit erfährt und nun herausfinden muß, wer in Wahrheit seinen Sohn gezeugt, wer ihm die Frau gestohlen hat. "Lisas Atem" führt uns ebenfalls in ein Gestrüpp menschlicher Beziehungen, in die Wirrnis von Begehren und Tabu, Liebe und Verrat. Van Loons Romanmenschen sind nicht besser oder schlechter als alle übrigen literarischen Figuren, die in der Dichtung von Jahrtausenden irgendwelchen Versuchungen ausgesetzt wurden. Und wie so manche ihrer Vorgänger glauben auch sie zunächst, tun zu dürfen, was sie wollen, weil die Moral, der sie folgen, scheinbar die Welt beherrscht. Sie werden bald genug eines Schlimmeren belehrt.

Lisa also, ein zartes Reh. Ihr Schulgefährte Talm betet sie an. Zwischen den Kindern, denn noch sind sie kaum mehr, wachsen Gefühle, regt sich erstes Begehren, dem sie schließlich auch nachgeben. Die ältere Generation bietet ihnen wenig Orientierung. Lisas Mutter verließ ihren untreuen Mann, läßt sich seltsamerweise aber zur Freundin der Frau gewinnen, die den Scheidungsgrund lieferte; auf verquere Weise beugt sie sich der Rebellenmoral. Ein neuer Ehemann betritt die Bühne, ist der Mama ein lieber Gefährte, dem Stieftöchterchen ein Kumpel. Dann aber verschwindet Lisa plötzlich, Mutter Sophie verliert jegliche Contenance, Kumpelvater Sebastiaan flüchtet sich in die städtische Obdachlosenszene, wo wir bald auch auf den Romeo Talm treffen.

Was ist los mit diesen Ausbrechern? Das Heer der Straßenkerle nennt sich "die Freien", aber auf diese verwahrloste Freiheit hatten die Sprüche der Gesellschaftsrebellen denn doch nicht gezielt. Sebastiaan weiß das allzu gut, Talm eigentlich auch. Daß der Junge Lisas wegen unter die Pennbrüder geriet, leuchtet schnell ein. Sein Verlust ist schwer, dazu peinigend unverständlich. Wie sollte er angesichts dessen nicht ausflippen? Im Falle Sebastiaan dauert es länger, bis eine Lösung gefunden ist. Talm bekommt heraus, daß seine Liebste und deren Stiefvater miteinander im Bett waren, daß Lisas seltsame Launen, ihr unverständliches Gebaren vor dem Verschwinden auf diesem Sündenfall beruhten, dessen Opfer Mama Sophie und Anbeter Talm wurden.

Das also ist schließlich klar. Niemals ganz klar aber wird, wo Lisa geblieben ist. Es gibt ein paar Andeutungen, daß Sebastiaan die Gefährtin und Zeugin seiner schlimmen Entgleisung umgebracht hat. Es gibt auch Indizien dafür, daß Talm den Vernichter seines Liebesglücks am Ende ebenfalls umbringt. Für keins von beiden aber liefert der Romanautor handfeste Beweise. So bleiben wir zurück mit zwei ungelösten Rätseln einerseits und andererseits mit der Gewißheit, daß Revolutionen die Zustände auf Erden wohl wandeln, aber nicht unbedingt bessern können. Denn wie vor Urzeiten regieren die Erdgeschichte immer noch jene Geschöpfe, die sich und ihre Nachfahren um das Paradies brachten, ein für allemal.

SABINE BRANDT

Karel G. van Loon: "Lisas Atem". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Arne Braun. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2002. 240 S., geb., 16,50 [Euro].

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"Lisas Atem zeugt von begnadeter Erzählkunst." (Mitteldeutsche Zeitung) "Faszinierend die in jeder Zeile spürbare Intensität des eigenwilligen und ideenreichen Autors." (Hamburger Abendblatt) "Ein beunruhigendes und intelligentes Buch über Schuld und Unschuld, Gut und Böse, Opfer und Täter." (Buchkultur) "Karel G. van Loons Liebesgeschichte fasziniert durch atemlose Spannung und sprachliche Kraft." (ZDF)