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Wolfgang Hildesheimers Erzählungen Lieblose Legenden (die erste Sammlung in Buchform erschien 1952) zählen zu den Klassikern der deutschen Nachkriegsliteratur. Nach dem sozialkritischen und geschichtsphilosophischen Erzählen der Nachkriegszeit wirkte Hildesheimers satirisches Talent umwerfend und belebend. Der damals einflussreichste Kritiker der Süddeutschen Zeitung, W.E. Süskind, urteilte euphorisch: Seine Geschichten besaßen »jene Grazie, jene musische Heiterkeit, die sie bis in die Nuancen hinein, bis in den Ablauf des einzelnen Satzes zu legitimen Dichtungen« machen.

Produktbeschreibung
Wolfgang Hildesheimers Erzählungen Lieblose Legenden (die erste Sammlung in Buchform erschien 1952) zählen zu den Klassikern der deutschen Nachkriegsliteratur. Nach dem sozialkritischen und geschichtsphilosophischen Erzählen der Nachkriegszeit wirkte Hildesheimers satirisches Talent umwerfend und belebend. Der damals einflussreichste Kritiker der Süddeutschen Zeitung, W.E. Süskind, urteilte euphorisch: Seine Geschichten besaßen »jene Grazie, jene musische Heiterkeit, die sie bis in die Nuancen hinein, bis in den Ablauf des einzelnen Satzes zu legitimen Dichtungen« machen.
Autorenporträt
Wolfgang Hildesheimer (1916 ¿ 1991) begann 1946 eine Tätigkeit als Simultanübersetzer und Gerichtsschreiber bei den Nürnberger Prozessen. Danach arbeitete er als Schriftsteller und war Mitglied der Gruppe 47.Seine Erzählungen Lieblose Legenden zählen zu den Klassikern der deutschen Nachkriegsliteratur. Für das Prosabuch Tynset (1965) erhielt er den Büchnerpreis. Sein Buch Mozart (1977) wurde zum Bestseller und ist das meistübersetzte Werk Hildesheimers. Marbot. Eine Biographie (1981) ist eine fiktive Biografie und wurde von Zeitgenossen als Markstein der Postmoderne bezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2023

Mit der Eleganz der Nachtigall

Gespiegelter Künstler: Wolfgang Hildesheimers Miniaturensammlung "Lieblose Legenden" erscheint neu in

hinreißend liebevoller Aufmachung.

Diesem Moment, wenn in unseren von Kallax, Ektorp, Billy und ihren Geschwistern ästhetisch zerrütteten Lebenswelten der Blick plötzlich an einem vollendet geschwungenen, lächelnd die Zeiten überdauernden Vollholzmöbel im Midcentury-Stil hängenbleibt, diesem erlösenden Moment kommt es gleich, wenn einem zwischen all den sorglos vollgedruckten Gegenwartstexten plötzlich ein Werk des großen Stilisten (und Malers) Wolfgang Hildesheimer in die Hände fällt. Wenn es sich dann noch um seine ästhetisch ebenso wie erzählerisch vollendeten, lächelnd die Zeiten überdauernden satirischen Kurzgeschichten handelt, die als "Lieblose Legenden" erstmals im Jahr 1952 erschienen sind - und fortgesetzt wurden -, ist die Freude umso größer. Mit einer an Jorge Luis Borges heranreichenden Komik der Selbstreflexion nehmen diese schlackenlosen Texte das prekäre Terrain zwischen Geschmack und Stil in den Blick, handeln von den Zumutungen des Schreibens, Malens und Musizierens im Angesicht der ewigen Antithese von Kunst und Leben.

Immer wieder geistert der fiktive Sekundärdichter Hubertus von Golch durch die Geschichten (der Erzähler will etwa die Biographie dieses Biographen von Biographen liefern), bis Golch schließlich - samt der gesamten traditionellen Kunst - in den Fluten vor Venedig versinkt. Ein anderes Mal wird ein Hund zum Kritiker der Gedichte seines Herrchens und konstatiert kühl: "Mist!" Das ist zwar richtig, aber die "frühere Herzlichkeit" des Verhältnisses ist hin: "Seltsamerweise ist es schwer, sich mit der Kritikfähigkeit eines Hundes abzufinden." Dann wieder verklagt ein Literat, der unter Pseudonym der schärfste Kritiker der eigenen Werke ist, sich selbst wegen Verleumdung. Sogar Mobiliar kommt in den Blick, freilich ist es in diesem Fall der spießige Gründerzeitgeschmack ("aus geflammtem Nußholz"), der zur Bürde wird. Kaum hat sich der Erzähler, eigentlich ein Liebhaber der Abstraktion, zweier geschenkter schwülstiger Landschaftsgemälde nicht erwehrt, überschwemmen bald - Stil ist Kampf - wuchtige Geschmacklosigkeiten seine gesamte Wohnung.

Legenden sind das in der Tat, unbedingt zu lesende, heiter verspielte und erstaunlich antimoralische Märtyrer-Geschichten, die mitunter blutig ausgehen (wie nah die dunklen Jahre noch waren, wusste der jüdische Remigrant Hildesheimer). So wird ein Redner der "Sozial-liberalen Front ehemals politisch Beleidigter" vom "Kampftrupp" einer gleichlautenden und daher "Ketzerei" witternden Partei totgeschlagen. Letztlich geht es ums Ganze, um die Wahrheit. Gezeigt aber wird immer wieder deren Unmöglichkeit, weil die Absurdität des Lebens so viel mächtiger ist, ein schwarzes Loch, das alles Bemühen einsaugt.

Nur eine Dimension dieser grandiosen Satirensammlung, die materielle, wirkte bislang, nun ja, etwas lieblos. Dem hat der ruhmreiche Leipziger Verlag Faber & Faber nun Abhilfe geschaffen mit einer von Thomas Walther gestalteten, schlichtweg traumhaften Ausgabe in der renommierten Reihe der Graphischen Bücher. Perfekt ergänzt werden die pointierten Miniaturen darin von zahlreichen Linolschnitten Christoph Ruckhäberles (darunter vier Originallinolschnitte), die sich mit viel Witz an die selbstbewusste Eleganz der Illustrationskunst der Fünfziger- und Sechzigerjahre anlehnen. Der klare Strich spiegelt die schnörkellose Modernität von Hildesheimers Erzählkunst, die hier aus jedem Satz spricht, etwa aus diesem Einstieg: "Ich habe mich aus Überzeugung in eine Nachtigall verwandelt." Warum und wie das genau geschieht, ist dann derart phantastisch, allegorisch und hellsichtig, dass darin alle Rückzüge, Fluchten und Verdrängungen einer sich selbst überdrüssigen Menschheit sichtbar werden, aber zugleich der fröhlich-freundliche Witz erhalten bleibt - in Wort und (jetzt auch) Bild. OLIVER JUNGEN

Wolfgang Hildesheimer: "Lieblose Legenden".

Kurzgeschichten.

Mit 30 Reproduktionen nach Linolschnitten und 4 Originallinolschnitten von Christoph Ruckhäberle. Faber & Faber Verlag, Leipzig 2023. 144 S., geb., 90,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie ein Midcentury-Vollholzmöbel unter Kallax-Regalen sticht diese Sammlung von Kurzgeschichten des Künstlers und Schriftstellers Wolfgang Hildesheimer für Rezensent Oliver Jungen aus der großen Masse der zeitgenössischen Literatur heraus. Die im Jahr 1952 erstmals erschienenen Miniaturen nehmen auf humorvoll-selbstreflektierte Weise - der Kritiker fühlt sich an Jorge Luis Borges erinnert - das Verhältnis zwischen Kunst und Leben in den Fokus. Erzählerisch brillant und fantasievoll, so Jungen, setzt sich Hildesheimer in seinen "Legenden" mit Fragen des Geschmacks, der Beziehung zwischen Künstler und Kritiker, aber auch mit der Suche nach der Wahrheit auseinander, die, so sieht es der Künstler, zwangsläufig in der Absurdität des Lebens versanden muss. Hingerissen ist der Rezensent auch von der optischen Gestaltung der "schlichtweg traumhaften" neuen Ausgabe, in der Hildesheimers Texte von Linolschnitten ergänzt werden, die sich in "selbstbewusster Eleganz" an den Illustrations-Stil der fünfziger Jahre anlehnen und sowohl den Witz als auch die "schnörkellose Modernität" der Texte widerspiegeln.

© Perlentaucher Medien GmbH