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In Let It Come Down, Paul Bowles plots the doomed trajectory of Nelson Dyar, a New York bank teller who comes to Tangier in search of a different life and ends up giving in to his darkest impulses. Rich in descriptions of the corruption and decadence of the International Zone in the last days before Moroccan independence, Bowles's second novel is an alternately comic and horrific account of a descent into nihilism.

Produktbeschreibung
In Let It Come Down, Paul Bowles plots the doomed trajectory of Nelson Dyar, a New York bank teller who comes to Tangier in search of a different life and ends up giving in to his darkest impulses. Rich in descriptions of the corruption and decadence of the International Zone in the last days before Moroccan independence, Bowles's second novel is an alternately comic and horrific account of a descent into nihilism.
Autorenporträt
Paul Bowles was born in 1910 and studied music with composer Aaron Copland before moving to Tangier, Morocco. A devastatingly imaginative observer of the West's encounter with the East, he is the author of four highly acclaimed novels: The Sheltering Sky, Let It Come Down, The Spider's House , and Up Above the World. In addition to being one of the most powerful postwar American novelists, Bowles was an acclaimed composer, a travel writer, a poet, a translator, and a short story writer. He died in Morocco in 1999.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2001

Haschisch unterm Wüstenhimmel
Paul Bowles' Aussteigerroman "So mag er fallen" · Von Christoph Bartmann

Es hat eine Zeit gegeben, in der amerikanische Bankangestellte hinter ihren Schaltern von Engeln, Kif und neuen Ländern träumten, und das Ziel all ihrer Sehnsüchte hieß bekanntlich Tanger. Als Paul Bowles achtundachtzigjährig am 18. November 1999 in Tanger starb, lagen die Epoche der "internationalen Zone" und die von Bowles' literarischen Erfolgen schon ein halbes Jahrhundert zurück. Aber bis zuletzt empfing der greise Bohemien im Schlafgemach in der abblätternden "Immeuble Itesa" unangemeldete Besucher, um ihnen die immergrünen Geschichten von damals aufzutischen.

Gibt es im zwanzigsten Jahrhundert eine mondänere, morbidere Stadt-Legende als Tanger und ein populärere? Dank Bertoluccis "Himmel über der Wüste" und Stings "Tea in the Sahara" wird der Mythos von Paul Bowles und seiner Stadt womöglich auch die nächste Generation von Bankbeamten bestricken.

Allerdings hat nicht nur die Stadt Tanger, sondern auch der Typus des amerikanischen Bankangestellten einen Wandel erlebt. Dyar, der Mann, der am Anfang von Bowles' zweitem Roman "So mag er fallen" von 1952 mit der Fähre am Dock von Tanger anlegt, ist ein "Nichts" - so hat ihn Bowles in seinem Nachwort charakterisiert. Dyar verkörpert ein beliebiges Exemplar aus dem soeben rekrutierten Millionenheer anonymer amerikanischer Büromenschen. Wenn Dyar träumt, dann keinen amerikanischen Traum, sondern, wie Bowles selbst, den Traum vom Aussteigen, aber nicht mal den besonders heftig. Eigentlich hat Dyar nur eines schönen Herbsttages dem Lockruf aus dem Schaufenster eines Reisebüros auf der Fifth Avenue nachgegeben. Er hat sich an seinen Bekannten Wilcox erinnert, der schon geraume Zeit in Tanger lebt, und kurzerhand die Passage gebucht. Mehr ist über Dyar nicht zu sagen. Er ist das unbeschriebenste Blatt, das man sich als Romanhelden denken kann, und diese Nicht-Eigenschaft macht ihn so wertvoll für Bowles' Roman, für Tanger und die vielen, die mit Dyars Ahnungslosigkeit ihr Spiel treiben werden. Die existentielle Langeweile der Hauptfigur ist die notwendige Voraussetzung dafür, daß die Falle Tanger zuschnappt. Der Mann, der sich mit einem Koffer und fünfhundert Dollar im schäbigen Hotel de la Playa einmietet, will ein Opfer sein und wird es.

Über fast drei Viertel seiner Länge ist Bowles' Roman von einer aufreizenden Müdigkeit, die man umstandslos zu den guten Eigenschaften seines Buches rechnen muß. Dies ist weniger ein Roman über Tanger als ein Roman aus Tanger, ein Roman, dessen existentialistische Weltsicht gesättigt ist von den atmosphärischen Valeurs seines Schauplatzes.

"Wie eine Fotografie", schreibt Bowles dazu, "ist dieser Roman ein Dokument, das einen bestimmten Ort in einer bestimmten Zeit abbildet und vom Licht dieses besonderen Augenblickes durchflutet wird." Zum Licht dieses Augenblickes, der wohl genau die Jahre des politischen Sonderstatuts zwischen 1923 und 1951 umfaßt, gehören Promiskuität und Haschischorgien, windige Geschäfte, feudale Feste und korrupte Polizisten. Für die Lebenskunst der in Tanger gestrandeten "expats" hält die englische Sprache das Adjektiv "lush" bereit, in dem neben der Trägheit mehr als nur ein Hauch von Luxus mitschwingt. Der Mythos von Tanger ist schon deshalb nicht totzukriegen, weil seine Botschaft der reine Hedonismus ist, ein Touristentraum von Sex, Drogen, Exotik und Sonnenschein, zu dem bei Bowles ein existentialistischer Mehrwert tritt. Wenigstens einmal, denkt man, haben die Hasardeure und Desperados dieses Romans einen klaren Kopf bewiesen, als sie beschlossen, eine Dauerkarte für diesen edelfaulen Club Méditerranée zu lösen.

Freilich gibt es in Tanger, wo Narkotika den allermeisten jede Entschlußkraft geraubt haben, den Unterschied zwischen Spielern und Spielbällen. Dyar ist ein Vakuum, und "ein Vakuum", so belehrt ihn die undurchsichtige Freundin Daisy de Valverde, "hat die Tendenz, sich aufzufüllen. Sei vorsichtig mit dem, was dir begegnet." Der Roman gewinnt sein Drehmoment aus Dyars vorsätzlicher Mißachtung dieses Gebots. Dabei bleibt sein anfängliches Liebesabenteuer mit der kindlichen Prostituierten Hadija beinahe straffrei. In keiner Passage wirkt Bowles' Roman weniger zeitgenössisch als in der Beschreibung dieser Begegnung.

Vor fünfzig Jahren konnte man noch derart naive - wenn auch "freizügige" - Liebesszenen erfinden, ohne daß einem der Hohn der postkolonialen Ideologiekritik entgegengeschlagen wäre. Man wird der Tatsache gewahr, daß Paul Bowles seine Bücher vor der Entdeckung des "Interkulturellen" geschrieben hat; ohne Mühe wäre er auf jeder Seite des Orientalismus im Sinne Edward Saids zu überführen. Vieles an den Haltungen, die Bowles in seinem Roman vorführt, "geht" noch heute und wird immer wieder gehen, wenn auf heroische Zeiten postheroisches "Slackertum" folgt; die Erotik der "internationalen Zone" dagegen scheint dahin.

Wenn für Dyar im weiteren Verlauf des Romans alles schiefgeht, was nur schiefgehen kann, dann hat das neben seinen genannten Charaktereigenschaften noch einen Grund: Der Mann kaut und raucht zu viel majoun. Die Droge verleiht seinen Entscheidungen und Taten eine Kühnheit, der kein Geschick Pate steht. So kann es geschehen, daß Dyar sich von verschiedenen Auftraggebern als Spion und illegaler Geldbote in Dienst nehmen läßt. Sein Entschluß, mit dem Geldkoffer durchzubrennen, ist der Startschuß zu einem atemberaubenden Romanfinale.

Über drei Viertel des Buches hat Bowles seine Leser eingeschläfert, aber dann werden sie geweckt. Nicht mit Lärm, sondern mit einer "anderen Art von Stille". So heißt das letzte Kapitel des Romans, das Bowles nach seiner Rückkehr aus Indien "in der vollkommenen Stille der Bergnächte" des Atlas schrieb, und es ist mit Abstand sein bestes. Wie Dyar auf seiner Flucht tiefer und tiefer in den Strudel seines Haschischrausches gezogen wird, wie sich an den Pforten seiner Wahrnehmung eine andere und für rationale Zwecke ganz unbrauchbare Algebra der Empfindungen auftut, das schildert Bowles aus nächster und faszinierender Nähe. "Auf den Wänden seines Bewußtseins, von den Wänden des Ganges nicht zu unterscheiden, standen Botschaften in arabischer Schrift. Und die ganze Zeit stand die Tür ohne Griff vor seinen Augen und sandte ihre unheilvolle Botschaft aus. Sie war nicht sicher, man konnte ihr nicht trauen. Wenn sie sich öffnete, ohne daß er es selbst wollte, dann würden alle Schrecken des Daseins über ihn hereinbrechen." Ist Dyar noch zu retten? Wie hatte schon viel früher eine Prostituierte in Tanger treffend bemerkt: "No hay remedio."

Paul Bowles: "So mag er fallen". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Maria Wolff. Neu durchgesehen von Pociao. Goldmann Verlag, München 2001. 414 S., geb., 48,- DM.

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