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Das Drama eines ungelebten Lebens Dieser ungarische Fin-de-siècle-Klassiker führt uns in den Randbezirk der glanzvollen Donaumonarchie. Die fiktive Provinzstadt Sárszeg, fernab aller mondänen k.u.k-Herrlichkeit, dient als Kulisse eines psychologischen Kammerspiels, das der Autor mit verhaltenen Tönen und sparsamen Gesten höchst effektvoll zu inszenieren weiß. Zum ersten Mal seit langen Jahren sind die Eheleute Vajkay unter sich. "Lerche", wie sie ihre längst erwachsene Tochter noch immer zärtlich nennen, ist der Einladung von Verwandten zur Sommerfrische auf dem Lande gefolgt ein wahrhaft…mehr

Produktbeschreibung
Das Drama eines ungelebten Lebens
Dieser ungarische Fin-de-siècle-Klassiker führt uns in den Randbezirk der glanzvollen Donaumonarchie. Die fiktive Provinzstadt Sárszeg, fernab aller mondänen k.u.k-Herrlichkeit, dient als Kulisse eines psychologischen Kammerspiels, das der Autor mit verhaltenen Tönen und sparsamen Gesten höchst effektvoll zu inszenieren weiß.
Zum ersten Mal seit langen Jahren sind die Eheleute Vajkay unter sich. "Lerche", wie sie ihre längst erwachsene Tochter noch immer zärtlich nennen, ist der Einladung von Verwandten zur Sommerfrische auf dem Lande gefolgt ein wahrhaft unerhörtes Ereignis im sonst so gleichförmigen Einerlei des häuslichen Alltags zu dritt. Öd und leer scheint den betagten Eltern das Haus ohne die geliebte Tochter.
Nur widerwillig, da die gewohnte Hilfe im Haushalt fehlt, entschließt man sich zu einem Restaurantbesuch und findet zum eigenen Erstaunen Geschmack sowohl am Essen wie an der Gesellschaft. Das Experiment wird wiederholt, und allmählich taucht das Paar wieder ein ins bewegte Leben der Kleinstadt, von dem es sich so lange abgeschottet hatte. Lerche hingegen, das unansehnliche, altjüngferliche Mauerblümchen, verbringt freudlose Ferientage und schreibt, statt sich zu amüsieren, pflichtschuldig lange Briefe an die Eltern.
Mit feiner Ironie und bestechender Exaktheit im Detail schildert Kosztolányi den unerwarteten Aufbruch der Daheimgebliebenen. Einen bestürzenden Moment lang erkennen die Eltern, wie sehr ihnen die eigene Tochter zur Last geworden ist, und doch sehnen sie den Tag herbei, an dem "ihr kleiner Vogel zu ihnen zurückfliegt". Kaum je wurde das Drama familiärer Abhängigkeiten so schonungslos und dabei mit solcher Leichtigkeit dargeboten.
Autorenporträt
Dezso Kosztolanyi (1885-1936) veröffentlichte nach einem abgebrochenen Philosophiestudium und journalistischer Tätigkeit 1920 seinen ersten Gedichtband. Als Lyriker, Erzähler, Essayist und Übersetzer (u.a. der Werke von Oscar Wilde, Rilke und Stefan George) gehört er zu den prägenden Gestalten der ungarischen Literatur in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren. 1931 war er erster Präsident des ungarischen PEN-Clubs.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2007

Die doppelte Lerche

Ja, natürlich haben sie einander lieb, die Eltern und ihre unverheiratete Tochter, die sie zärtlich "Lerche" nennen. Und natürlich hält man zusammen in der ungarischen Kleinstadt Sárszeg, wo die drei sich eingerichtet haben, wo nichts Bemerkenswertes geschieht und wohin kein Lärm aus den aufgeregten Metropolen der vorletzten Jahrhundertwende dringt. Dann aber reist Lerche im Frühherbst 1899 für eine Woche zu Verwandten, und die trauernden Eltern hören irgendwann auf, sich um die Tochter zu sorgen, sie schütteln nach und nach die Erinnerung an das eiserne Regiment dieser ebenso reizlosen wie schwierigen Person ab. Und eines Abends, der Vater hat unerhörterweise einiges über den Durst getrunken, bricht es aus ihm heraus: "Wir lieben sie nicht. Wir hassen sie. Verabscheuen sie." Dezso Kosztolányis brillanten Roman "Lerche", erstmals 1924 erschienen und schon bald ins Deutsche übertragen, kann man seit diesem Herbst in gleich zwei neuen, wunderlicherweise beide von der "Hungarian Book Foundation" geförderten Übersetzungen lesen. Weil beide ihre Qualitäten haben und von großen Könnern herrühren, kann man nicht einmal dadurch eine Entscheidung für das eine oder andere Buch treffen. Lieber hielte man endlich im Zuge der Kosztolányi-Renaissance der letzten Jahre neben "Lerche" auch eine neuübersetzte Sammlung seiner Erzählungen jenseits von "Kornél Esti" oder auch seiner Gedichte und Kritiken in Händen. Und was ist mit den Feuilletons? (Dezso Kosztolányi, "Lerche". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Christina Viragh. Mit einem Nachwort von Péter Esterházy. Manesse Verlag, Zürich 2007. 304 S., geb., 17,90 [Euro]; "Lerche". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Heinrich Eisterer. Mit einem Nachwort von Ilma Rakusa. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 217 S., geb., 14,80 [Euro].) spre

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2008

Die Musik des leeren Lebens
Dezsö Kosztolányis Roman „Lerche” in zwei Neuausgaben
Gleich in zwei deutschen Neuausgaben liegt Dezsö Kosztolányis Klassiker „Lerche” aus dem Jahre 1924 vor, was den Leser vor eine schwere Wahl stellt. Soll man der Manesse- oder der Suhrkampausgabe den Vorzug geben, der Übersetzung von Christina Viragh oder der von Heinrich Eisterer, und möchte man lieber das Nachwort von Peter Esterházy oder das von Ilma Rakusa lesen?
Auch nach reiflicher Abwägung und kursorischer Prüfung der beiden Übersetzungen (soweit sie in Unkenntnis des ungarischen Originals möglich ist) muss das Votum zu Gunsten der einen und zu Ungunsten der anderen Ausgabe unterbleiben. Umso dringender fällt die Empfehlung aus, Kosztolányis „Lerche” überhaupt zu lesen und damit ein Grundbuch der ungarischen Literatur zur Kenntnis zu nehmen, das es mit anderen Klassikern der europäischen Moderne ohne Mühe aufnehmen kann.
In seinem Nachwort schreibt Peter Esterházy Aufschlussreiches über Kosztolányi, den „lateinisch angehauchten Dandy” und Thomas-Mann-Übersetzer. Er habe „von allen das meiste dafür getan, dass die ungarische Sprache heute so ist, wie sie ist.” Er habe nämlich „den ungarischen Satz”, der bis dahin sorglos mäandrierte, „vereinfacht, ihn gekürzt und gesäubert.” Man möchte Ungarisch können, um die Bewegung des ungarischen Satzes vor und nach Kosztolányi nachzuempfinden. So muss man es Esterházy einfach glauben, und man glaubt es ihm gern. Wie auch die Bemerkung, dass Kosztolányi so etwas wie der Ahnherr aller Modernen sei, weil er seine Welt aus nichts als Sätzen gebaut habe. Außerhalb der Sätze gibt es nichts, und streng genommen auch innerhalb der Sätze nichts, was dringend erzählt werden müsste. Ein solches Programm des Nicht(s)-Erzählens weist voraus in die Moderne und zurück zu Tschechow. Der Stillstand und die Melancholie in den späten europäischen Großreichen (Russland, Österreich/Ungarn) ist merkwürdig verknüpft mit dem Schicksal des literarischen Erzählens. Tschechows oder Kosztolányis Erzählen vom Stillstand reflektiert den Zustand einer Gesellschaft und führt zugleich die Literatur einer neuen, post-realistischen, gleichsam musikalischen Bestimmung zu.
„Lerche” erzählt auf höchst anschauliche Weise vom langweiligen und leer laufenden Leben in der ungarischen Kleinstadt Sárszeg, dem heute in Serbien gelegenen Subotica. „Das Leben ist anderswo”, möchte man mit Rimbaud und Kundera sagen, jedenfalls ist es nicht hier, wo Lerche ihr trostlos-pedantisches Altmädchendasein im Hause ihrer früh gealterten Eltern fristet und wo die einzige Belustigung der Honoratioren in einem alldonnerstäglichen Schwer-Besäufnis besteht, wenn man sehnsüchtigen Bestaunen des Schnellzugs aus Budapest absieht. Alles geht seinen gewohnten Gang, bis Lerche eine Einladung aufs Land erreicht, der sie schweren Herzens folgt. Nur ungern lässt sie die hilfsbedürftigen Eltern allein, die dann aber für die knapp bemessene Spanne von Lerches Aufenthalt in einen wahren Jungbrunnen tauchen. Die Mutter öffnet zum ersten Mal seit Jahrzehnten das Klavier im Wohnzimmer, der Vater spielt Tarock und trinkt gegen ärztlichen Rat Barack, bis ihm schwarz vor Augen wird, und überhaupt entdecken die braven Leute mit einem Mal, dass es sogar in Sárszeg ein Leben zu leben oder zu versäumen gibt. Das Wunder hält nur ein paar Tage an, dann kommt Lerche zurück, und alles ist wieder, wie es immer war. „,Unser Vögelchen‘”, setzte Vater hinzu, ‚ist heimgekehrt’”, heißt der letzte Satz bei Manesse, und bei Suhrkamp heißt er: „,Unser kleiner Vogel’”, ergänzte der Vater, ‚ist heimgeflogen.’”
„Lerche” ist ein herrliches Buch, ein subtiles, satirisches Gesellschaftsporträt aus einer Zeit, in der es noch eine Gesellschaft gab und die Literatur das privilegierte Medium war, sie zu erfassen. Zugleich ist „Lerche” eine radikal undramatische Erzählübung, ein Stück reiner, nahezu handlungsfreier Literatur, eine Prosa, die, wie Esterházy sagt, „leise und scharf” ist. CHRISTOPH BARTMANN
DEZSÖ KOSZTOLÁNYI: Lerche. Roman. Aus dem Ungarischen von Christina Viragh. Nachwort von Peter Esterházy. Manesse Verlag, Zürich 2007. 302 Seiten, 17,90 Euro.
DEZSÖ KOSZTOLÁNYI: Lerche. Roman. Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Mit einem Nachwort von Ilma Rakusa. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 218 Seiten, 14, 80 Euro.
Dezsö Kostolanyi (1885-1936) Foto: European Cultural Review
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ungeachtet seines unbestrittenen Rangs unter den Schriftstellern der Moderne, wird das Werk Dezsö Kosztolanyis hierzulande bislang nicht angemessen gewürdigt, meint Andreas Breitenstein, der es deshalb als wahren Glücksfall bejubelt, dass der 1924 entstandene Roman "Lerche" nun sogar in zwei Neuübersetzungen vorliegt. Beide Übersetzungen haben laut Rezensent ihre Vorzüge, Heinrich Eiserer hat sich an einen nüchterneren Sprachduktus gehalten, während Christina Viragh das Poetische betont. Der Roman erzählt von der abgrundtief hässlichen Lerche, die mit ihren Eltern im ungarischen Kaff Sarszeg zusammenlebt und dort in Sparsamkeit, Einsamkeit und Langeweile ein strenges Regime führt, erklärt Breitenstein. Als Lerche für einige Tage wegfährt, beginnt für die Eltern ein kurzes, wildes Leben in Freiheit, bei ihrer Rückkehr aber versinkt die Familie wieder in alter Trostlosigkeit, so der Rezensent, der hier nicht nur eine traurige Familiengeschichte erzählt sieht, sondern es mit einem "Psychogramm" der ganzen Epoche um die Jahrhundertwende zu tun zu haben meint. Großartig beschreibt Kosztolanyi die Abgründe der Seele und der Gesellschaft, preist Breitenstein, der dessen Präzision des analytischen und dabei dennoch empathischen Blicks besonders schätzt.

© Perlentaucher Medien GmbH