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Ehrlich, voller Witz, Ironie, zuweilen auch Sarkasmus schildert die berühmte französische Schriftstellerin Benoite Groult ihren Lebensweg, auf dem sie sich weder radikalen Emanzipationstheorien noch gesellschaftlicher Scheinmoral gebeugt hat. Entstanden ist so nicht nur die Geschichte eines bewegten Lebens, sondern auch die Geschichte einer Bewußtwerdung. Nicht umsonst stellt die Autorin ihr Buch unter ein Motto von Simone de Beauvoir: "Als ich über mich schreiben wollte, wurde mir klar, daß ich die Lage der Frauen beschreiben mußte."

Produktbeschreibung
Ehrlich, voller Witz, Ironie, zuweilen auch Sarkasmus schildert die berühmte französische Schriftstellerin Benoite Groult ihren Lebensweg, auf dem sie sich weder radikalen Emanzipationstheorien noch gesellschaftlicher Scheinmoral gebeugt hat. Entstanden ist so nicht nur die Geschichte eines bewegten Lebens, sondern auch die Geschichte einer Bewußtwerdung. Nicht umsonst stellt die Autorin ihr Buch unter ein Motto von Simone de Beauvoir: "Als ich über mich schreiben wollte, wurde mir klar, daß ich die Lage der Frauen beschreiben mußte."
Autorenporträt
Benoîte Groult, 1920 geboren in Paris, arbeitete als feministische Journalistin, unter anderem für die "Elle" und "Marie-Claire". 1980 wurde sie mit dem Prix Femina ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.1998

Die Milchbrüste der Freiheit
Ungeheuer spannend: Benoîte Groult emanzipiert die höhere Tochter

Benoîte Groult ist in Frankreich seit Jahrzehnten als Journalistin, Schriftstellerin und Essayistin bekannt, die sich engagiert mit der Situation der Frauen auseinandersetzt. Internationale Berühmtheit erlangte die 1920 Geborene durch den erotischen Roman "Salz auf unserer Haut" (1988), in dem es ihr Anliegen war, sexuelle Leidenschaft ganz aus weiblicher Perspektive zu schildern. Aufsehen erregte dieses Buch nicht nur aufgrund seines Inhalts, sondern auch wegen seiner Sprache; Benoîte Groult versuchte, Worte für das Verlangen einer Frau zu finden, ohne auf Formulierungen zurückzugreifen, die dem Vokabular von Medizin oder Pornographie angehören.

Zweifellos ist es diesem vor zehn Jahren erschienenen Roman zu verdanken, daß nun auch das neueste Buch von Benoîte Groult schnell einen Platz auf den Bestsellerlisten gefunden hat. Denn was die Verfasserin ihren Leserinnen diesmal anbietet, ist kaum mehr als ein buntes Sammelsurium von Gedanken und Texten, verbunden mit einem Streifzug durch einige ihrer früheren Bücher und angereichert mit zahlreichen handfesten Lebensweisheiten.

Nur teilweise handelt es sich um eine Autobiographie im herkömmlichen Sinne. Im ersten Teil erzählt Benoîte Groult die Geschichte ihrer Jugend und ihrer verschiedenen Ehen, die sie als Prozeß einer wundersamen Verwandlung begreift: Aus dem schüchternen Backfisch, der in einem privilegierten Pariser Künstlerhaushalt aufwuchs, die mütterlichen Extravaganzen immer heftiger ablehnte und zunächst mit Studium und früher Heirat den vorgezeichneten Weg braver Bürgerlichkeit einschlug, wurde im Lauf der Zeit und angesichts etlicher starrköpfiger Männer eine selbstbewußte Schriftstellerin. Am interessantesten fällt dabei die Beschreibung der Kriegs- und Nachkriegszeit aus. Mit beklemmender Anschaulichkeit beschreibt Groult die Einschränkungen während der deutschen Besatzung, den Lebenshunger der jungen Frauen nach Kriegsende und die Not ungewollter Schwangerschaften. Harmlos, ja banal erscheinen demgegenüber die heiteren Plaudereien über ihre Erlebnisse mit den quirligen und unordentlichen Enkeltöchtern.

Die Lebenserinnerungen machen freilich nur einen Teil des Buches aus. Fast zur Hälfte besteht es aus Gesprächen mit der Journalistin Josyane Savigneau, die der Älteren geduldig die passenden Stichworte liefert. Zugleich kommt ausführlich die Essayistin Groult zu Wort: In breiten Ausführungen schildert sie ihren Einsatz für die Belange der Frauen, vor allem ihr jahrelanges Engagement gegen die weibliche Beschneidung. Mit gleicher Vehemenz kämpft sie für die Durchsetzung weiblicher Berufsbezeichnungen gegen ihren größten Gegner, die Académie française - ein Thema, das in Deutschland wohl doch nur begrenztes Interesse finden dürfte, zumal hier eine solche sprachpflegerische Institution nicht existiert.

Benoîte Groult wird nicht müde, sich selbst als überzeugte Feministin zu bezeichnen. Doch zu den intellektuellen feministischen Theorien von Hélène Cixous, Julia Kristeva und Luce Irigaray geht sie auf Distanz. Überhaupt hegt sie tiefes Mißtrauen gegen die Akademiker und deren vermeintlich lebensfernes Treiben; auch mit "Psychomenschen" will sie nichts zu tun haben. Immer wieder beruft sie sich auf ihr Dreigestirn weiblicher Bewußtseinsbildung: George Sand, Virginia Woolf und Simone de Beauvoir. Gerade letztere strahlt so hell als Leitstern an Groults feministischem Himmel, daß ihre persönliche Gretchenfrage "Wie hältst du's mit der Beauvoir?" schnell über das Wohl und Wehe einer Freundschaft entscheiden kann. Weibliche Toleranz stößt hier auf unnachgiebige Grenzen.

Man muß freilich nur wenige Seiten lesen, um einzusehen, daß Benoîte Groult weder mit der gedanklichen Schärfe noch mit der stilistischen Brillanz ihrer ständig zitierten Vorbilder mithalten kann. Schulische Fördermaßnahmen erscheinen ihr als "intelligenz-weckender Sonderheckmeck", munter plaudert sie von den "beiden Milchbrüsten unserer Frauenfreiheit" und findet die eigene Arbeit "ungeheuer spannend". Oder sollten diese Entgleisungen allein durch die Übersetzerin verschuldet sein? Die meint es jedenfalls gut mit dem deutschen Publikum und spickt das Buch mit zahlreichen gelehrten Anmerkungen, die zwar die flüssige Lektüre erschweren, dafür aber manche Besonderheit der französischen Kultur erklären - mitunter gleich doppelt - und zugleich großzügig Literaturhinweise verteilen.

Unentwegt plädiert Benoîte Groult für die sexuelle Freiheit der Frau. Doch bis ins Alter hinein bleibt sie im Grunde eine höhere Tochter. Selbstdisziplin nimmt in ihrem Wertekanon eine große Stellung ein, und der Lippenstift gehört selbstverständlich zur Grundausstattung der Fünfundsiebzigjährigen, sofern sie nicht gerade in der Irischen See auf Fischfang geht. Mit dem Älterwerden kann sie sich nur schwer abfinden, freimütig bekennt sie sich zu einer Schönheitsoperation und empfiehlt allen Frauen das Liften der Gesichtsfalten. Spätestens hier ist Benoîte Groults Buch nicht mehr von Frauenmagazinen zu unterscheiden, die ihre Leserinnen mit praktischen Ratschlägen versorgen. Dazu gehören auch die vielen klugen Merksätze. "Das Leben schätzt es nicht, wenn man sich ihm gegenüber zu viel herausnimmt", kann man hier erfahren, und doch: "Jeder hat Anrecht auf das Schicksal, das er in sich angelegt fühlt." Das sind Sinnsprüche fürs feministische Poesiealbum, mehr nicht. SABINE DOERING

Benoîte Groult: "Leben heißt frei sein".

Aus dem Französischen übersetzt von Irène Kuhn. Droemersche Verlagsanstalt, München 1998. 378 S., geb., 39,90 DM.

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