Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 1,49 €
  • Broschiertes Buch

Als im Jahr 1931 in Paris die Weltausstellung stattfindet, spaziert die zehnjährige Ethel mit ihrem Großonkel Samuel Soliman zwischen den Pavillons, der mit kritischem Blick die Ausstellungen begutachtet. Samuel Soliman stammt von der Insel Mauritius und natürlich sieht er Dinge, die die kleine Ethel noch nicht erkennen kann. Als er den indischen Pavillon entdeckt, möchte er den erwerben, um ihn auf seinem Grundstück wieder aufzubauen. Er nennt ihn das Malvenhaus.

Produktbeschreibung
Als im Jahr 1931 in Paris die Weltausstellung stattfindet, spaziert die zehnjährige Ethel mit ihrem Großonkel Samuel Soliman zwischen den Pavillons, der mit kritischem Blick die Ausstellungen begutachtet. Samuel Soliman stammt von der Insel Mauritius und natürlich sieht er Dinge, die die kleine Ethel noch nicht erkennen kann. Als er den indischen Pavillon entdeckt, möchte er den erwerben, um ihn auf seinem Grundstück wieder aufzubauen. Er nennt ihn das Malvenhaus.
Autorenporträt
Jean-Marie Gustave Le Clézio wurde 1940 in Nizza geboren und studierte in Frankreich und England Literatur. Er veröffentlichte über dreißig Bücher - Romane, Erzählungen und Essays. Der promovierte Literaturwissenschaftler zählt zu den bedeutendsten zeitgenössischen französischen Schriftstellern. 2008 wurde Jean-Marie Gustave Le Clézio der Nobelpreis für Literatur verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2010

Die Jugend meiner Mutter
Lebensverwandlung: Neues von Jean-Marie Le Clézio

Als der Schriftsteller Jean-Marie Gustave Le Clézio im Herbst 2008 den Literaturnobelpreis erhielt, gab sein populärer Kollege Michel Houellebecq im französischen Radio ein Interview. Er bekannte darin, noch nie eine einzige ganze Seite aus der Feder des frisch gekürten Preisträgers gelesen zu haben. Das war zwar eine Frechheit, aber auch bezeichnend für die Art von Literatur, mit der man Le Clézio nicht ganz zu Unrecht in Verbindung brachte. Nach wie vor gibt es nur wenige zeitgenössische französische Autoren, die in so schnörkelloser Sprache beiläufig wirkende Blicke auf die Details des Alltags werfen, um dahinter die Welt neu entstehen zu lassen.

In dem im Jahr 2008 in Frankreich und nun in der vorzüglichen Übersetzung von Uli Wittmann auch in deutscher Sprache vorliegenden Roman "Lied vom Hunger" widmet sich Le Clézio zuvorderst den Jugendjahren seiner Mutter. Als Kind wohlhabender Einwanderer von der Insel Mauritius wächst sie, die im Roman Ethel Brun heißt, in Paris auf. Es ist die Zeit, in der man an den Wochenenden im Bois de Vincennes die Kolonialausstellung besucht und in den Zirkeln der Boheme über den drohenden Bolschewismus, die Volksfront, über Artikel im "Petit Journal" und den Aufstieg Hitlers debattiert. Zuweilen trägt man sich auch Gedichte vor.

All das taugt als Hintergrundmelodie für eine zunächst noch behütete Kindheit, die Ethel überwiegend tagträumend mit ihrem Großonkel Samuel oder ihrer Freundin Xénia verbringen darf. Erst als der wohlhabende Onkel verstirbt und der Vater dessen Erbe antritt, um es in Diamanten aus Südafrika, Edelhölzern aus Kamerun, Hafenanlagen in der Niger-Schleife und in einem Mietshaus in Paris zu versenken, geraten die Dinge in Bewegung.

Ethel wird lernen, für einen zwischen Größenwahn und Faulheit schwankenden Vater sowie eine schwache Mutter die Verantwortung zu übernehmen. Sie wird das alte, vollbepackte Auto lenken, das die Familie auf der Flucht vor den Deutschen nach Nizza bringt. Sie wird ihren Traum vom Leben mit dem Verlobten im fernen Kanada durch ein stetes Gefühl von Übelkeit ersetzen - angesichts "von Gegenständen, die wie Treibeis im Strudel der Ereignisse schwammen, im Durcheinander der lügnerischen Nachrichten, der Falschmeldungen, der Propagandaartikel, des Hasses auf die Ausländer, des Misstrauens vor Spionen, der Gerüchte in den Kneipen, inmitten von Hunger und Leere, ohne Liebe und Stolz".

Die Übelkeit und der Hunger stehen hier somit nicht nur für einen realen Mangel an allem Essbaren, sie verweisen auf ein ebenso existentielles Bedürfnis nach Wahrhaftigkeit und Leidenschaft, das zu stillen einer Frau wie Ethel Brun und ihresgleichen lange verwehrt geblieben ist. Das "Lied vom Hunger" ist deswegen nicht nur das Porträt einer Frau, die am Ende des Buches als "Heldin" bezeichnet wird. Es ist das feinsinnige, kluge Sittenbild eines Landes und einer Gesellschaft, die zwischen imperialistischer Vergangenheit, aggressivem Antisemitismus, "drôle de guerre" und Kollaboration nach einem gangbaren Weg sucht. Nicht jeder wird ihn finden.

LENA BOPP

Jean-Marie Le Clézio: "Lied vom Hunger". Roman. Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. 224 Seiten, geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr