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Über Theorie und Praxis der Kurzzeittherapie geben die Herausgeber mit führenden Experten erstmals einen umfassenden Überblick. Es ist eine Einführung in die Kunst, komplizierte Probleme mit Hilfe einfacher Lösungen in kurzer Zeit zu bewältigen - basierend auf komplexen modernen Theorien.

Produktbeschreibung
Über Theorie und Praxis der Kurzzeittherapie geben die Herausgeber mit führenden Experten erstmals einen umfassenden Überblick. Es ist eine Einführung in die Kunst, komplizierte Probleme mit Hilfe einfacher Lösungen in kurzer Zeit zu bewältigen - basierend auf komplexen modernen Theorien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2011

Watzlawicks Befreiungsschlag

Neben den großen Publikumserfolgen wie "Anleitung zum Unglücklichsein" oder "Vom Schlechten des Guten" hat Paul Watzlawick Ende der neunziger Jahre einen Sammelband herausgegeben, der in der Psychotherapie sehr einflussreich wurde, im deutschen Sprachraum aber seit Jahren vergriffen war. Was man umso mehr bedauern mochte, weil in diesem Buch Watzlawicks Grundtheorem des radikalen Konstruktivismus von verschiedenen Disziplinen beleuchtet und sowohl philosophisch als auch psychotherapeutisch fundiert wird. Nun hat der Piper Verlag den Band in einer ungekürzten Taschenbuchausgabe wieder zugänglich gemacht ("Kurzzeittherapie und Wirklichkeit", hrsg. von Paul Watzlawick und Giorgio Nardone. Piper Verlag, München 2012. 329 S., br., 9,99 [Euro]).

Herzstück ist das von Watzlawick selbst verfasste siebte Kapitel "Die psychotherapeutische Technik des Umdeutens", dem sich Marcel Duchamps Diktum "Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt" voranstellen ließe. Hier stellt Watzlawick klar, dass er als Psychotherapeut weniger Psychologie betreibe als Ontologie - eine philosophische Intervention, die er als Theorie des "Was da ist" beschreibt. Was da ist, versteht sich demnach nicht von selbst, sondern ist abhängig von dem begrifflichen und gefühlsmäßigen Rahmen, in dem eine Sachlage erlebt und beurteilt wird. Diesen Rahmen gegebenenfalls "durch einen anderen zu ersetzen, der den ,Tatsachen' der Situation ebensogut oder sogar besser gerecht wird und dadurch ihre Gesamtbedeutung ändert", macht das ontologische Verfahren des Umdeutens aus - jene Erzeugung von Wirklichkeiten zweiter Ordnung, die auf die subjektive Bewertung der sogenannten "reinen Fakten" (der Wirklichkeiten erster Ordnung) zielt.

Watzlawick formuliert den Haupteinwand gegen diese Art, sich zu betragen, gleich selbst: "Wie kann eine so oberflächliche, manipulative Intervention, die das zugrundeliegende Problem unberührt lässt und sich um tiefere Einsicht nicht kümmert, eine dauerhafte Wirkung haben?" Wer so argumentiere, beschreibe jedoch die jeweiligen pathologischen Äußerungsformen lediglich als Oberflächenerscheinungen des "realen" Problems. Dies sei ein Pseudorealismus, der dem Determinismus der "nackten Tatsachen" huldige und dabei übersehe, dass er selbst nur eine Bedeutungszuweisung ist und nicht etwa die korrekte Spiegelung einer objektiven Wirklichkeit.

Indessen plädiert Watzlawick für die totale Theorieabhängigkeit der menschlichen Praxis: "Die ,Existenz' eines zugrundeliegenden Problems ist also nicht ein Aspekt der (objektiven) Natur des menschlichen Geistes, sondern eine notwendige Schlußfolgerung aus der Natur einer psychiatrischen Theorie (in diesem Fall aus der Psychodynamik), und die Theorie bestimmt, was getan werden kann und was nicht getan werden sollte."

Watzlawick ist kein apolitischer Probleme-Leugner, er ruft durchaus zur Veränderung von Lebensverhältnissen, von Wirklichkeiten erster Ordnung auf. Aber die Handelnden erscheinen bei ihm nie als Getriebene der Praxis, sondern als Akteure einer befreienden Theorie. Als solchen gelingt es ihnen vorzüglich, Leben von Gelebtwerden zu unterscheiden.

CHRISTIAN GEYER

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