Produktdetails
  • Verlag: Wehrhahn, M
  • ISBN-13: 9783865252296
  • Artikelnr.: 33393516
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.07.2011

KURZKRITIK
Dreifacher Mord
Ein Jurist der Spätaufklärung
will die Täter verstehen
In dem Schwarm von Mördern und Selbstmördern, Dieben und Räubern, der in Deutschland die Zeitschriften des 18. Jahrhunderts durchzieht, sind die tiefschwarzen Bösewichter die Ausnahme. Wer in dieser Zeit, die auf der Bühne den Reiz der gemischten Charaktere entdeckte, Fälle aus den Gerichtsakten zog, um sie als Kriminalerzählung dem Publikum bekannt zu machen, gab sich mit dem aus Mordlust begangenen Mord und dem Raub aus Habsucht nicht zufrieden. Er suchte nach Lücken zwischen Tat und Täter, wenn etwa ein junger Mann seine Geliebte aus Mitleid umbrachte oder eine Frau aus Angst und Schwermut ihr eigenes Kind. 
Der Berliner Verwaltungsjurist Karl Müchler (1764-1857) war mit seinen „Kriminalgeschichten. Aus gerichtlichen Akten gezogen“ (1792) ein Pionier dieses aus Frankreich nach Deutschland gewanderten Genres. Wie ein zu spät gekommener Seelenarzt beugt sich der Jurist Müchler noch einmal über die meist längst hingerichteten Täter. Da alles Faktische geklärt ist, leben die Geschichten von der Spannung zwischen Tat und Motiv, die sie im Titel führen: „Mord aus Liebe“, „Raub auf öffentlicher Landstraße aus Mangel an Unterhalt“, „Ermordung einer Person aus verzweiflungsvoller Rachsucht gegen eine andere“, „Raub, von einem Juden verübt, um den Leibzoll bezahlen zu können“. Die „missverstandene Religion“ bringt in diesen Kriminalgeschichten aus der Spätaufklärung im Verein mit der Trunksucht den abgründigsten Titel hervor: „Dreifacher Mord aus Liebe zu Gott und den Ermordeten.“
LOTHAR MÜLLER
KARL MÜCHLER: Kriminalgeschichten. Aus gerichtlichen Akten gezogen. Mit einem Nachwort herausgegeben von Alexander Kosenina. Wehrhahn Verlag, Hannover 2011. 160 S., 16 Euro
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