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Die feministische Auseinandersetzung mit der Bibel hat im letzten Jahrzehnt an Breite und Tiefe gewonnen. Die Bücher der Bibel werden aus der Perspektive von Frauen neu gelesen, die Zeitgeschichte, in der die beiden Teile der christlichen Bibel entstanden sind, wird neu rekonstruiert, die Geschichte der Kanonbildung kritisch hinterfragt. Das Kompendium Feministische Bibelauslegung bündelt diese Ansätze und Ergebnisse erstmals für den deutschsprachigen Raum. An die sechzig Frauen unterschiedlicher konfessioneller/religiöser Orientierung und geographischer Herkunft haben daran mitgearbeitet. Als…mehr

Produktbeschreibung
Die feministische Auseinandersetzung mit der Bibel hat im letzten Jahrzehnt an Breite und Tiefe gewonnen. Die Bücher der Bibel werden aus der Perspektive von Frauen neu gelesen, die Zeitgeschichte, in der die beiden Teile der christlichen Bibel entstanden sind, wird neu rekonstruiert, die Geschichte der Kanonbildung kritisch hinterfragt. Das Kompendium Feministische Bibelauslegung bündelt diese Ansätze und Ergebnisse erstmals für den deutschsprachigen Raum. An die sechzig Frauen unterschiedlicher konfessioneller/religiöser Orientierung und geographischer Herkunft haben daran mitgearbeitet. Als feministisches Projekt will es die frauenzentrierte exegetische Arbeit an der Bibel sichtbar machen. Deshalb besteht das Autorinnenteam ausschließlich aus Frauen, die mit unterschiedlichen feministisch-exegetischen Ansätzen arbeiten. Gemeinsam ist ihnen die Option, dass christlicher Antijudaismus, westlicher Kolonialismus und alle Formen von Rassismus zugleich mit Frauenverachtung bekämpft werden müssen. Das Projekt richtet sich auf eine feministische Bibelauslegung.
Autorenporträt
Dr. Luise Schottroff ist evangelische Theologin. Bis 1999 war sie Professorin für Neues Testament an den Universitäten Mainz und Kassel. Von 2001 - 2005 lehrte sie an der Pacific School of Religion/Graduate Theological Union in Berkeley und am Union Theological Seminary New York, USA. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Neutestamentliche Wissenschaft, Sozialgeschichtliche Theologie und Feministische Theologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Babylon war gar nicht so
Feministische Exegese mehrt den Anstand / Von Hermut Löhr

Die Buchstaben werden sich noch wundern" - so lautete der provokante Titel eines 1994 erschienen Buches zu feministischer Bibel-Hermeneutik. Provokant deshalb, weil er alle Vorurteile zu bestätigen scheint, die man gegen feministische Bibelinterpretation und Theologie allgemein haben mag. Mehr Engagement als Sachverstand? Vergewaltigung der Texte und Indienstnahme zugunsten partikularer politischer Interessen? Exegese als Schüttelreim?

Wie der vorliegende Sammelband - das erste Unternehmen seiner Art im deutschsprachigen Raum - eindrucksvoll vorführt, wird man mit der Sache nicht so einfach fertig. Die feministische Bibelinterpretation ist erwachsen geworden, sie hat die entsagungsvolle Schule historisch-kritischer Bibelkritik mit Erfolg absolviert - und sich dennoch nicht ihren Stachel ziehen lassen. Sie benennt offen die Vorentscheidungen ihrer Interpretation: Allen Autorinnen des Buches (allermeist christlichen Exegetinnen, mur zwei jüdische Forscherinnen konnten gewonnen werden) ist "die Option gemeinsam, daß christlicher Antijudaismus, westlicher Kolonialismus und alle Formen von Rassismus zugleich mit Frauenverachtung bekämpft werden müssen". Das klingt politisch sehr, fast zu korrekt, ist aber deshalb ja noch nicht falsch. Bedenklich wäre es, wenn solches Programm dazu führen würde, daß die Interpretin blind wird für die Aussagen des Textes, verbiegt, damit es paßt. Der Eindruck aber, den die Beiträge des Bandes überwiegend erwecken, spricht für das Gegenteil.

Der Blick ist geschärft für lange Überlesenes, für die ambivalente Wirkungsgeschichte von Texten und für das Ärgernis, das von ihnen ausgehen kann. Speziell für die feministische Lektüre eines biblischen Buches heißt das mit der Hermeneutik von Elisabeth Schüssler-Fiorenza. "Es geht uns nicht darum, dieses biblische Buch zu rechtfertigen, sondern sichtbar zu machen, inwiefern es Frauen, ihre Erfahrungen und ihre Lebenswelt verschweigt oder zur Sprache bringt, inwiefern es heute für Frauen Unterdrückung oder Befreiung bedeutet." Das Ergebnis ernüchtert; zum feministischen Manifest taugt keine der behandelten Schriften: "In der Bibel gibt es keine im strengen Sinn ,feministischen' Texte." Die Texte aus dem Alten (oder: "Ersten") Testament, dem Judentum des Zweiten Tempels, dem Neuen Testament und dem entstehenden Christentum entstammen einem patriarchalisch strukturierten Kulturkreis. Frauenprobleme und -gestalten spielen in ihnen nicht die erste Rolle. Was man in einem Menschheitsbuch erwartet, reflektierte Erfahrung über Mensch und Gott, trägt in der Bibel oft - aber nicht immer - androzentrisches Gepräge: der Mann und sein männlicher Gott.

So kann man sich dieser Weltsicht nur demütig beugen oder ihr widersprechen. Die Autorinnen wählen durchgehend die zweite Option. Sie verstehen sich als "resistant reader" und nehmen sich die Freiheit, die heiligen oder nicht so heiligen Texte zu beurteilen, sich zu distanzieren und zu wählen, den in ihnen handelnden Gott zu kritisieren, einen gerechteren oder weiblicheren Gott zu fordern. Ja, hier und da begegnet ein spielerischer Umgang mit den Texten, ein Ausprobieren des "Was wäre wenn?": Was wäre etwa, wenn der 22. Psalm, der Leidenspsalm Jesu am Kreuz, von einer Frau in höchster Bedrängung durch männliche Gewalt gesprochen würde? In der Tat hat ja nach jüdischer Tradition die Jüdin Ester auf dem Weg zum persischen Großkönig Ahasveros (Xerxes) diesen Psalm gebetet.

Das Kompendium ist als Einleitung zu den Schriften des hebräischen wie des christlichen Kanons sowie einiger weiterer frühjüdischer und -christlicher Texte konzipiert, von der Urgeschichte Genesis 1-11 bis zum apokryphen sogenannten Protevangelium des Jakobus. Im einzelnen setzen die Beiträge dann unterschiedliche Akzente, zumeist begegnen (manchmal veraltete) historische Grundinformationen zu den Texten, eine Übersicht über den Inhalt zumal der unbekannteren Schriften sowie Literaturhinweise. Hier und da werden auch diejenigen Themen besonders ausführlich erörtert, die der Text selbst in den Mittelpunkt rückt. So stellt sich etwa der gründliche Beitrag von Gerburgis Feld zum Buch Leviticus den Fragen von Opfer, kultischer Reinheit und Heiligkeit und erkennt hinter den merkwürdigen Einzelbestimmungen eine Art angewandte Schöpfungstheologie der Autoren: "Die Suche nach Gottesnähe führt zur Ausgrenzung all dessen, was mit Gott nicht kompatibel erscheint." Bezogen zum Beispiel auf die heute nicht mehr nachvollziehbaren Sexualgesetze, heißt dies: "Solange Sexualität das Prinzip der Grenzüberschreitung (hier: familiärer Strukturen) beachtet, ist sie buchstäblich kreativ; alles andere ist ein Rückfall ins Chaos, und nur der Tod des Delinquenten kann dies ausgleichen." Besonders eindrücklich ist auch die Auslegung der Gottesreden in Hiob 38 bis 42 durch Christl Maier und Silvia Schroer, die ein mit Ps 104 vergleichbares, nicht-anthropozentrisches Schöpfungskonzept herausarbeiten. Hier wird theologisch tief geschürft.

Im Mittelpunkt steht aber natürlich jeweils die Behandlung der feministischen Frage: Wie kommen Frauen in den Schriften vor? Wie werden sie beschrieben, ihre Probleme und Anliegen wahrgenommen? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Theologie der Texte insgesamt sowie für den heutigen Umgang mit ihnen? Da wird manches zur Verteidigung der Frau vorgebracht, teils mit, teils gegen die Texte. So, wenn die Rolle Evas in der Geschichte vom Sündenfall in Genesis 3 neu beurteilt wird: "Alle gängigen traditionellen Deutungen, daß die Frau verführbar, anfälliger für die Sünde und fleischlicher sei, sind abzulehnen." Daß Eva den Apfel vom Baum der Erkenntnis greift und an Adam - wörtlich nicht "Mann", sondern "Erdling" - weiterreicht, wird mit der verarbeiteten altorientalischen Tradition gleichsam kulturgeschichtlich entschuldigt: "Oft sind Baum und Frau, Baum und Göttin miteinander verbunden, und der Akt des Zu-essen-Gebens ist eine Sache der Frauen: sie sind für die Ernährung zuständig." Der Erzähler "konnte also gar nicht anders, als die Frau unter den Baum zu stellen. Mit einer größeren Affinität von Frau und Sünde hat dies nichts zu tun."

Wird man hier noch weiter fragen müssen, warum denn die Tradition so ist, wie sie ist - und vielleicht auch, warum sie vom biblischen Erzähler weiter überliefert wird, so ist die Einsicht grundlegend, daß in der Urgeschichte kein historischer Bericht von der Erschaffung des Menschen und seinem Fall gegeben werden soll. Zugespitzt formuliert, sind "die Kapitel als parallele Erzählungen nebeneinander zu lesen: Gen 2 schildert, wie Gott die Erschaffung von Mann und Frau geplant hat, Gen 3 dagegen schildert die Verhältnisse, wie sie de facto sind". Verteidigt wird auch die Frau Hiobs, die etwa der Kirchenvater Augustin als Helferin des Teufels, als diaboli adiutrix, verurteilte, weil sie ihrem mit Leid geschlagenen Mann geraten haben soll, Gott zu fluchen und dann zu sterben. Dagegen stellen die Autorinnen des Beitrags aufgrund des hebräischen Wortlautes fest: "Der Text läßt es bewußt in der Schwebe, wie die beschwörende Geste inhaltlich gefüllt ist, als Fluch im Sinne einer Abwehr des Unheilvollen oder als Segen im Sinne des Lobpreises des Verehrungswürdigen. Es ist möglich, daß die Frau Ijob vorschlägt, Gott noch einmal zu segnen, solange er noch festhält oder festhalten kann an seiner Frömmigkeit, und nach diesem Abschied in Frieden mit Gott zu sterben." Auch dies eine Auslegung, die in der Tradition des jüdischen Midrasch vorgezeichnet ist.

Und verteidigt wird sogar die "große Hure Babylon", das Sinnbild der heidnischen (römischen) Weltmacht und -stadt in der Offenbarung des Johannes. Denn, so ergibt eine "sozialgeschichtliche" Untersuchung des Textes, diese Hure verdient mit ihrer Prostitution kein Geld: "Im Gegenteil, die mit ihr Unzucht treiben, bereichern sich auch noch an ihr." Dieser Textbefund stimmt. Wenn sich Babylon jedoch unter der Hand von Luzia Sutter Rehmann in eine ausgebeutete Sklavin verwandelt, werden dann doch Bild und Sache arg durcheinandergeworfen. Und es ist nicht mehr recht ernst genommen, was den Schlüssel zur Deutung des apokalyptischen Bildes bietet: "Und die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft über die Könige der Erde hat" (Offb 17,18).

Wichtig ist auch die Beobachtung, daß nach Markus die Frauen zwar die ersten Zeugen von Tod und Auferstehung Jesu sind, aber dennoch ambivalent gezeichnet werden: "Je mehr sich der Erzählverlauf von der Hinrichtung entfernt, desto mehr nimmt auch die Treue der Frauen ab." Vorausgesetzt, wir halten den das Ostergeschehen bezeugenden ursprünglichen Schluß des ältesten Evangeliums in den Händen, ist festzustellen: "Obwohl vom Boten ausdrücklich beauftragt, den Zwölfen alles zu berichten, flüchten nun auch die Frauen wie die Männer und schweigen. Mit der erstmaligen Anwendung des Unverständnisses der Jünger auf die Frauen endet das Markusevangelium." Von ideologischen Scheuklappen läßt sich da kaum sprechen.

Gewiß begegnet in den Beiträgen auch manches Fragwürdige aus dem feministischen Repertoire. Lot als Vergewaltiger seiner Töchter (Gen 19,30-38)? Die Autorin zweifelt selbst. "Das Weib schweige in der Gemeinde" (1 Kor 14,34f.) - nicht von Paulus? Schön wär's. Oder unfreiwillig Komisches, wie die Bezeichnung des Galater-Briefes als das "phallozentrischste Dokument des Neuen Testaments" - weil der Text sich mit der Beschneidungsfrage beschäftigt. Das Römische Reich kommt sehr schlecht weg: eine "rassistische Gesellschaft" mit einer "mörderischen Weltwirtschaftsordnung". Da eilt die Bewertung dem historischen Vergleich weit voraus. Doch überwiegt neben der wachen und findigen Textbeobachtung die differenzierende Argumentation und kritische (Selbst-)Reflexion. Versucht wird eine Lektüre, die der Spur der Frauen in den Schriften zwischen biologischem Geschlecht und gesellschaftlicher Rolle, sex und gender, nachgeht und immer wieder auch einen Gegenwartsbezug herstellt.

Der Mut beeindruckt, mit dem Widerstand geleistet wird gegen die - oft frauenfeindliche - Auslegungstradition wie gegen die Heilige Schrift selbst. Der Konflikt zwischen der eigenen Erfahrung und Einsicht und der vorgegebenen und kanonisierten Tradition wird ausgefochten; es gibt weder ein Ausweichen in buchstabengenauen Fundamentalismus noch in vage Harmonisierung. Nimmt solcher Umgang mit den Texten ihre "Heiligkeit" nicht ernster als manche feinsinnige, historisch distanzierte Darstellung? Allerdings ist man nach der Lektüre des Kompendiums begierig zu erfahren, wie die wiederholt geforderten Neuentwürfe feministischer Anthropologie und Theologie aussähen: Was ist heute vom Menschen und von Gott zu sagen? Und wer sagt es uns jetzt?

"Kompendium Feministische Bibelauslegung". Herausgegeben von Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker unter Mitarbeit von Claudia Janssen und Beate Wehn. Verlag Chr. Kaiser / Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1998. 852 S., geb., 125,- DM.

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