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Eine Stunde am frühen Abend in und um einen Supermarkt. Lichter, Autos, Menschen. Eine Allegorie des Alltäglichen. In ihrem neuen Roman stellt uns Olga Flor eine Reihe von Personen vor, die auf den ersten Blick nichts miteinander verbindet: die 29-jährige Doris etwa, die hier regelmäßig und fast immer kalorienbewusst einkauft; den Rentner Horst, ehedem im Stadtbauamt tätig und nun für die Pflege seiner krebskranken Frau zuständig; Anton, einen Obdachlosen ... Im Takt der Minuten beobachtet die Autorin das Treiben, dem keiner unbeschädigt entkommt. Man folgt den Gedanken und Handlungen dieser Menschen. Ihre Sehnsüchte und Schwächen kommen einem dabei ebenso nahe wie das unmittelbare Geschehen selbst, das in einem Überfall kulminiert. Ein packendes Stück Gegenwartsliteratur von analytischer Schärfe.
Olga Flor, geboren 1968 in Wien. Lebt als Mutter zweier Kinder in Graz. Seit Abschluss des Physikstudiums Arbeit in den Bereichen Konzeption, Design und Produktion multimedialer Lernprogramme. Veröffentlichungen von Prosa und dramatischen Texten in Literaturzeitschriften und im ORF. Einladung zur Werkstattlesung anlässlich des von Günter Grass gestifteten Alfred-Döblin-Preises 2001. Literaturförderungspreis der Stadt Graz 2001. 2012 wurde ihr der "Outstanding Artist Awards" in der Sparte Literatur verliehen und 2013 wurde sie mit dem "Literaturpreis der Österreichischen Industrie - Anton Wildgans" ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Paul Zsolnay Verlag
- Seitenzahl: 206
- Erscheinungstermin: 29. Juli 2008
- Deutsch
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 340g
- ISBN-13: 9783552054400
- ISBN-10: 3552054405
- Artikelnr.: 23799110
Herstellerkennzeichnung
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Kalorienhaltig
Als Film wäre dieses Buch ein Musical. Überdimensionierte Glastüren gleiten seitlich aus dem Blickfeld hinaus wie der Vorhang einer Bühne. Es beginnt eine reichlich absurde Shopping-Center-Choreographie: Von links überholt ein "Hybridgefährt aus Rennauto und Einkaufswagen", rauscht vorbei an einem strammen Wald von Dosen in die "schockgefrorene Glashausarktis aus dichtgeschichteten Nahrungsziegeln". Und während vor der Tür die Gedanken des Obdachlosen Anton darum kreisen, warum seine Gedanken immer im Kreis gehen, kreisen drinnen die Gedanken des einen um die Frage, was man ohne Aufwärmen essen kann, die des anderen um die unappetitliche Operation seiner krebskranken Ehefrau. Doris versucht, sich mit Hilfe
Als Film wäre dieses Buch ein Musical. Überdimensionierte Glastüren gleiten seitlich aus dem Blickfeld hinaus wie der Vorhang einer Bühne. Es beginnt eine reichlich absurde Shopping-Center-Choreographie: Von links überholt ein "Hybridgefährt aus Rennauto und Einkaufswagen", rauscht vorbei an einem strammen Wald von Dosen in die "schockgefrorene Glashausarktis aus dichtgeschichteten Nahrungsziegeln". Und während vor der Tür die Gedanken des Obdachlosen Anton darum kreisen, warum seine Gedanken immer im Kreis gehen, kreisen drinnen die Gedanken des einen um die Frage, was man ohne Aufwärmen essen kann, die des anderen um die unappetitliche Operation seiner krebskranken Ehefrau. Doris versucht, sich mit Hilfe
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ihrer Kalorientabellen "alltagstauglich zuzurüsten", und die PR-Beraterin Luise singt sich ihre persönliche Ballade von der sexuellen Hörigkeit in Endlosschleife vor. Als Morgan zu einem Hindernislauf durch die Regalschneisen des Produkt-Dickichts aufbricht, ruft der erfolglose Lokalreporter Erich in heller Begeisterung den Angriff der Islamisten aus. "Kollateralschaden", der dritte Roman der Grazer Autorin Olga Flor, beschreibt den konzertierten Ausnahmezustand einer ökonomisierten Menschheit, in der vor lauter reibungslosem Funktionieren alles zu Bruch geht. Die Figuren sind Jelineksche Klischeecollagen, aber ohne jeden galligen Beigeschmack. Eine mitleidslose Studie über den Endverbraucher in seinem natürlichen Lebensumfeld. (Olga Flor: "Kollateralschaden". Paul Zsolnay Verlag, Wien 2008. 208 S., geb., 18,90 [Euro].) brey
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Für Paul Jandl war Olga Flors neuer Roman "Kollateralschaden" vielschichtig und äußerst anregend - ein "Werk von subtiler Klugheit". Ein Supermarkt dient als Schauplatz für ein "sich verdichtendes Panorama der Enttäuschungen". Flor, so Jandl, schafft es auf großartige Weise, die Wünsche und Untiefen durch Einzelportraits von etwa einem Dutzend Kunden in diesem Supermarkt zu greifen und auf realistische Art fühlbar zu machen. Es folgt ein ironischer Höhepunkt, der für Jandl durch seine unspektakuläre Art perfekt zur unterkühlten Spannung passt. Das banale Umfeld der Supermarktregale zusammen mit Flors "mitleidloser Empathie" für ihre Figuren bewirken eine unverblümte Ästhetik, die laut Jandl an die Fotografien Andreas Gurskys erinnert. Darüber hinaus war der Supermarkt für den Rezensenten Vehikel für eine Reihe transzendentaler Eingebungen; der Supermarkt als Spiegelbild des Lebens, in dem "der Kollateralschaden der Schöpfung" längst angerichtet ist und sich traurige Zustände wahrnehmen lassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Am Puls der Zeit
Die österreichische Schriftstellerin Olga Flor hat in ihrem dritten Roman mit dem deskriptiven Titel «Kollateralschaden», dem Unwort des Jahres 1999, eine sozialkritische Abrechnung mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der urbanen Konsum-Gesellschaft vorgenommen. …
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Am Puls der Zeit
Die österreichische Schriftstellerin Olga Flor hat in ihrem dritten Roman mit dem deskriptiven Titel «Kollateralschaden», dem Unwort des Jahres 1999, eine sozialkritische Abrechnung mit den Wirkungen und Nebenwirkungen der urbanen Konsum-Gesellschaft vorgenommen. Ort des Geschehens ist ein Supermarkt, der hier als Allegorie auf das heutige Leben dient. Das Cover des Buches deutet auf die Vereinzelung der vom Konsumterror manipulierten Menschen hin. Die Erzählzeit beträgt exakt eine Stunde, von 16:30 bis 17:29 Uhr, der Roman ist dementsprechend in Minuten getaktet, die den 60 Kapiteln ihre Überschrift geben. Man kann all das, was in dieser Dämmerstunde geschieht, schon fast in Echtzeit mitverfolgen.
Ein nacherzählbarer Plot ist nicht vorhanden, es passiert hier praktisch nichts, sieht man von einem die normale Geschäftigkeit erheblich störenden Zwischenfall ganz am Ende ab. Dieser Roman lebt von einem Dutzend bunt zusammen gewürfelter, alltäglicher Figuren, er bildet quasi einen soziologischen Querschnitt ab. Angefangen bei der als Zigeunerin erkennbaren Bettlerin am Eingang des Konsumtempels und dem Obdachlosen, der dort als Flaschensammler sein Glück sucht, bis hin zur toughen PR-Beraterin und zu einer ehrgeizigen Politikerin der Rechtspartei. Da ist ferner die kalorienbewusste 29Jährige, eine Stammkundin, die hier sehr gezielt einkauft, oder der früher beim Stadtbauamt tätige Pensionär, der zuhause eine krebskranke Frau hat, die in Kürze operiert wird, ferner der erfolglose Lokalreporter, der wohl keine Karriere machen wird, aber auch die Frau, die froh ist, ihrem Ekel von Ehemann beim Einkaufen wenigstens für eine Weile entkommen zu sein. Enfant terrible dieses bunt zusammen gewürfelten Roman-Personals ist Mo, ein orientierungsloser Jugendlicher, der einen von seinem Freund aufgezeichneten, als Mutprobe geltenden und eine Spur der Verwüstung hinterlassenden Sturmlauf durch den Supermarkt absolviert, als praktizierter Frust-Abbau quasi. Bei alldem mischt natürlich auch die Belegschaft des Supermarktes als begleitende Akteure kräftig mit.
Die sozusagen im Minutentakt wechselnde Perspektive verbindet das durch kaum mehr als den Konsum miteinander verbundene Figuren-Ensemble jeweils nur für einen kurzen Moment, den flüchtigen Augenkontakt, eine knappe Frage, eine kleine Bitte, eine mehr oder weniger unwirsch vorgebrachte Aufforderung. Die Interaktionen der Figuren sind zufällig, ungewollt, was in geradezu groteske, teilweise irreale Situationen und Momente mündet. Es scheint sich allesamt um Zu-kurz-Gekommene zu handeln, deren Ängste sich in der hektischen Atmosphäre mit all den überquellenden Warenregalen im grellen Neonlicht manifestieren. Der Ort wird neben seiner Funktion zur Befriedigung menschlicher Grund-Bedürfnisse auch als Schauplatz einer unterschwellig vorhandenen Konkurrenz untereinander wahrgenommen. Jeder will schneller, cleverer sein als der andere! Schnäppchenjagd heißt der gemeinsam praktizierte Volkssport in diesem Milieu, gesteuert von einer skrupellosen, schon längst den Alltag beherrschenden Werbung.
Als scharfe Beobachterin einer durch und durch ökonomisch orientierten Gesellschaft seziert Olga Flor die psychischen Befindlichkeiten ihres lose verbundenen Figuren-Ensembles. Sie legt dabei ohne Häme tief verborgene Ängste und hartnäckige Traumata frei. Ihre beißende Kritik richtet sich an die einfallslose Politik und die sensationsgeilen Medien gleichermaßen. Sie selbst hat angemerkt, ihrem Roman liege eine «unterschwellig gegenwärtige Terrorangst zugrunde. Der Supermarkt drängt sich mit der Zeit als Bild auf». Hektisch wie unser Leben ist auch ihr fast durchgängig in Form des Bewusstseinsstroms der Figuren geschriebener Roman. Dass hier reichlich Klischees bemüht werden, stört allerdings ebenso wie die Langeweile, die sich beim Lesen schon bald einstellt angesichts all der Banalitäten, die da frohgemut ausgebreitet werden. Immerhin aber liegt dieser Roman am Puls der Zeit.
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