Marktplatzangebote
27 Angebote ab € 1,40 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Ein Roman um das berühmte Paar Odysseus und Penelope. Luigi Malerba läßt den nach zwanzig Jahren heimkehrenden Abenteurer einen Dialog mit seiner ebensolang in Ithaka auf ihn wartenden Frau führen. Am Ende wirft Odysseus das Paar neuer Schuhe, das ihn nach einer Weissagung wieder von der Insel forttragen soll, ins Feuer. Ein Wechselspiel aus Liebe, List und Täuschung, an dessen Ende der Lügner seine Meisterin findet.

Produktbeschreibung
Ein Roman um das berühmte Paar Odysseus und Penelope. Luigi Malerba läßt den nach zwanzig Jahren heimkehrenden Abenteurer einen Dialog mit seiner ebensolang in Ithaka auf ihn wartenden Frau führen. Am Ende wirft Odysseus das Paar neuer Schuhe, das ihn nach einer Weissagung wieder von der Insel forttragen soll, ins Feuer. Ein Wechselspiel aus Liebe, List und Täuschung, an dessen Ende der Lügner seine Meisterin findet.
Autorenporträt
Luigi Malerba (eigentlich Luigi Bonardi) wurde am 11. November 1927 in Berceto bei Parma geboren. Er gehörte zu den Gründern der Gruppe 63, schrieb Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und Romane. Der phantasievolle Geschichtenerzähler, der zu den wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens zählt, lebte in Rom und Orvieto. 2008 verstarb Luigi Malerba.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.1997

Barfuß in Ithaka
Luigi Malerba erfindet Odysseus / Von Burkhard Spinnen

Die Geschichte ist bekannt. Odysseus erreicht nach zehn Jahren Trojanischen Krieges und zehn Jahren Irrfahrt seine Heimat Ithaka. Er entdeckt sich seinem Sohn Telemach; doch seiner Frau Penelope gegenüber nennt er sich sicherheitshalber einen Gefährten des Odysseus. Dessen Leben kenne er aus seinen Erzählungen. So gelangt er in den Palast, in dem die Freier der standhaften Penelope das Staatsvermögen verprassen. Mit List vorbereitet, richtet Odysseus unter ihnen ein Blutbad an, danach gibt er sich seiner Frau zu erkennen; und nachdem mit Hilfe der Götter der Landfrieden wiederhergestellt ist, bleibt er für lange noch König auf Ithaka.

Luigi Malerba, der schon mehrfach historische Stoffe bearbeitet hat, erzählt in seinem Roman "König Ohneschuh" diese Geschichte noch einmal. Er tut das anfangs sehr ruhig und unspektakulär, fast behäbig, in einem ebenso schlichten wie pathetischen, archaisierenden Tonfall, der an die Homerische Vorlage erinnert. Zudem hält sich Malerba anfangs weitgehend an die Geschichte; allerdings läßt er sie in sehr raschem Wechsel von Odysseus und Penelope aus deren jeweiliger und also immer eingeschränkter Sicht erzählen. So rückt Penelope zu einer gleichrangigen Figur auf; und nicht von ungefähr ist anfangs die einzig gravierende Abweichung vom Verlauf des Epos die, daß sie den Odysseus zwar sofort erkennt, dieses Erkennen aber aus Ärger über sein Mißtrauen geheimhält und es damit zu einer gegenseitigen Verstellung kommt.

Doch schwerer als solche Eingriffe in die Story wiegt, daß den Figuren in "König Ohneschuh" - wie in vielen Mythen-Bearbeitungen - ein modernes, sprich ein unglückliches Bewußtsein eingepflanzt ist. Malerbas Odysseus ist nicht mehr allein der Mann der listigen Tat, vielmehr erscheint er als skrupulöser, als verunsicherter und ständig von seiner Vergangenheit eingeholter Spätheimkehrer. Die Tatsachenfixierung des Epos, das sagt, was die Sache sei (Hegel), ist zugunsten einer psychologisierenden Darstellung geschwunden; der Blick des Autors zielt nicht auf den Leib, sondern hinter die Stirnen seiner Figuren. Und dort geht es erstaunlich modern zu.

So könnten Penelopes Ansprüche an ihre "Beziehung" aus einem modernen Ratgeber stammen; und ihre Abscheu vor Krieg und Grausamkeit ist politisch hochkorrekt. Den deutlichsten Ausdruck findet diese Mutation der Figuren freilich in der beständigen Rührung des Odysseus: kaum den Gefahren seiner Seereise entkommen, findet er sich recht nahe am Wasser gebaut. Für diesen Kalauer bitte ich nun gerne um Verzeihung. Aber bis etwa zur Seite 140 (von 220) war ich mir nicht im klaren darüber, ob dies alles mehr sein soll und kann als das weder neue noch unerhörte Experiment einer Kreuzung von Epos und Erzählung, von antikem Held und modernem Charakter, von Mythos und Bewußtsein.

Doch ist nicht Vorsicht geraten? Tut nicht, wenn aus dem Leser ein Autor geworden ist, dieser Autor gut daran, einen gewissen Sicherheitsabstand zu den großen Figuren der Weltliteratur zu wahren? Odysseus und Achill, Tell und Wallenstein, Lotte und Eduard, einerseits reizen sie zwar, die Bekanntschaft mit ihnen zu erneuern und sie dabei gleich komplett neu einzukleiden; außerdem locken sie mit dem Versprechen, daß sie, kaum namentlich herbeizitiert, dem Text dabei helfen wollen, die allerhöchsten Ansprüche auf Sinn und tiefere Bedeutung gewissermaßen unter Umgehung des üblichen Dienstweges anzumelden. In der Tat eine Verlockung! Doch ist es nicht andererseits heikel, die Traditionen so deutlich beim Namen zu nennen? Kann nicht, ganz knapp gesagt, der Wunsch, auf den Schultern von Riesen zu stehen, zum Zwergenwuchs führen?

So waren meine Überlegungen auf Höhe der Seite 140 von "König Ohneschuh"; Überlegungen, die nicht zugunsten des Buches sprachen. Allerdings beginnt Malerbas eigentlicher Text auch erst nach dem Tod der Freier. Nun kommt es nämlich im Gegensatz zur Homerischen Vorlage zu einer Art Duell zwischen den Eheleuten. Odysseus gibt sich, dabei schon an Penelopes Treue zweifelnd und mit stark angeschlagenem Selbstvertrauen, zu erkennen. Doch die standhafte Gattin, die ihn als einzige von allen sofort erkannt hat, zweifelt nun als Bestrafung seines Mißtrauens offen seine Identität an. Geschickt läßt sie dabei alle Versuche des Spätheimkehrers, seine Identität zu beweisen, scheitern: die Geschichte seiner Abenteuer sei so bekannt, sagt sie, daß jeder sie nacherzählen und sich für den Helden ausgeben könne. So scheint Odysseus sein Faible fürs Geschichtenerzählen zum Verhängnis zu werden. Seine Vergangenheit hat sich von ihm gelöst, und damit geht ihm seine Identität verloren.

Und die Verwirrung wächst noch weiter. So erwägt Penelope später, mittlerweile ganz eingesponnen in ihre eigene Komödie, ob ihr gespieltes Mißtrauen nicht im Grunde die angemessene Haltung und der Fremdling tatsächlich ein Betrüger ist. Telemach wiederum läßt sich vom Zweifel seiner Mutter anstecken; eine Begegnung Odysseus' mit seinem alten Vater Laertes will er heimlich zum Test machen; doch der Greis erkennt seinen Sohn nicht auf Anhieb. Kurz droht dann auch ein Aufstand der Ithaker - und kein Gott, keine Göttin mischt sich ein, um die Verwirrung der Sterblichen aufzulösen. Schließlich will ein zutiefst verunsicherter, freilich noch immer bis zum Starrsinn stolzer Odysseus sein nun wieder einiges Land als Vagabund verlassen.

Die Lösung des Ganzen soll hier nicht verraten werden, denn gegen Schluß wird Malerbas "König Ohneschuh" beinahe spannend. Doch soviel muß gesagt sein: Auf vertrackte Art und Weise kehrt der moderne psychologisierende Text zur archaischen Faktenständigkeit des Epos zurück. Zwar ist Gewißheit auf intellektuellem Wege nicht mehr zu haben, alles Reden und Beweisen befördert nur den Zweifel. Doch die Verhältnisse erfordern Eindeutigkeiten. Ithaka braucht einen König, Telemach einen Vater und Penelope einen Ehemann. Daher gilt es, eine Wahrheit zu erfinden und die Erfindung zu akzeptieren. Auf diesem Umweg über die Sachzwänge inszeniert Malerba ein beinahe vollkommenes Happy-End.

So wird, sehr spät und vielleicht etwas zu spät, Malerbas Mythos-Umschreibung zu einer Art Parabel auf die Möglichkeit und den Sinn von Gewißheit. Und spät zeigt sich zum Glück auch, daß das oft genug geradezu erschreckend korrekte Empfinden und Erwägen der Figuren kein gelingendes Leben garantiert.

Luigi Malerba: "König Ohneschuh". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Iris Schnebel-Kaschnitz. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1997. 221 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr