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"Knigge für jedermann" ist ein Lesebuch, ein Konzentrat aus Knigges Hauptwerk und gibt einen Überblick über seine biographische Entwicklung.

Produktbeschreibung
"Knigge für jedermann" ist ein Lesebuch, ein Konzentrat aus Knigges Hauptwerk und gibt einen Überblick über seine biographische Entwicklung.
Autorenporträt
Adolph Freiherr von Knigge wurde am 16. Oktober 1752 in Bredenbeck geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen hatte er bis ca. 1780 Hofämter in Kassel und Hanau inne. Knigge war danach als Schriftsteller, Rezensent und Übersetzer tätig und widmete sich verschiedenen Geheimbünden und Logen. Er war Mitglied der Freimaurer, des Illuminatenordens und unterstützte als überzeugter Aufklärer die Französische Revolution. 1788 erschien sein bekanntestes Werk Über den Umgang mit Menschen, das bis heute als Benimmfibel mißverstanden wird. Als eine Abhandlung im Sinne einer angewandten Soziologie sollte das Werk zur Aufklärung über einen harmonischeren Umgang zwischen verschiedenen Bevölkerungs- und Berufsgruppen dienen. Doch wurde dies schon vom Verlag selbst mißinterpretiert, der dem Werk nach Knigges Tod Benimmregeln hinzufügte. Die jeweils neuen Ausgaben wurden im Laufe der Zeit immer wieder um weitere derartige Regeln erweitert. Neben diesem seinem bekanntesten Werk verfasste Knigge weitere Romane, Satiren, Theaterstücke und Essays, die heute kaum bekannt sind. Er starb am 6. Mai 1752.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.1996

Philo ist kein Besenbinder
Bücher zum zweihundertsten Todestag von Adolph Freiherr Knigge

Den Namen "Knigge" hat jeder schon einmal gehört, aber die wenigsten wissen, wer dieser Mann gewesen ist. Und die Allerwenigsten haben etwas von ihm gelesen. Daran ist Knigge nicht unschuldig. In seinem nur dreiundvierzig Jahre währenden Leben hat er es auf ein Gesamtwerk von vierundzwanzig nicht eben schmächtigen Bänden gebracht, bestehend aus Romanen, Theaterstücken, Rezensionen (über tausend in siebzehn Jahren), Übersetzungen, Reisebeschreibungen, politischen Schriften, Predigten und Essays, worunter sein bedeutendstes Werk "Über den Umgang mit Menschen" zu rechnen ist. Der musikalische Freiherr komponierte Cembalosonaten und ein Fagottkonzert. Eine Theaterzeitschrift ("Dramaturgische Blätter") gab er zeitweilig auch noch heraus. Es waren nicht die Küsse der Musen, die ihn zu solchen Höchstleistungen inspirierten, sondern der chronische Geldmangel.

"Mein Hofleben hatte mich viel Geld gekostet; meine Güter waren noch in der nemlichen lage, die Aussicht, Geld zu verdienen, verleitete mich, auf Unkosten meines Rufs, wenigstens viel mittelmäßiges Zeug zu schreiben, da ich doch wohl etwas Besseres hätte liefern können", schreibt er einsichtig an den Verleger und Schriftsteller Friedrich Nicolai in Berlin. Die Schulden waren ihm gleichsam in die Wiege gelegt worden, als er am 16. Oktober 1752 in Bredenbeck bei Hannover geboren wurde. Das Gut seiner Familie hatte schon sein Vater belastet übernommen, und als dessen Tod Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherrn von Knigge zum Eigentümer machte, lagen auf dem Besitz Schulden in Höhe von 120000 Reichstalern, dazu kam noch die ungeheure Zinslast. Da es sich bei diesem Gut um ein Lehen handelte, konnte Knigge es nicht verkaufen.

Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Kammerherr an verschiedenen deutschen Duodezhöfen und ist dabei über ein Jahresgehalt von tausend Talern nicht hinausgekommen. Das war auch damals nicht gerade üppig, und wollte er seine Schuldenlast mindern, so brauchte es Nebeneinkünfte, und Büchermachen brachte eben doch etwas mehr ein als Besenbinden.

Der sonst so lebenskluge Knigge widmete den Freimaurern und Illuminaten einen großen Teil seiner Zeit und bemühte sich auch selbst um die Gründung eigener Orden. Nur hier war das offene Gespräch unter Gleichgesinnten möglich, nur hier ließen sich die Standesschranken überwinden. Die Freimaurerei war eine fast volkstümliche Bewegung, was hier und da zu Entartungen und Mißbrauch führte. Dem suchte Knigge gegenzusteuern und legte sich dabei mit einflußreichen Interessengruppen an, denen es weniger um den ursprünglichen Geist der Freimaurerei ging als um Machterhalt, und das galt erst recht für die Illuminaten, denen auch Goethe zeitweise nahestand, und mit denen der Freiherr (Ordensname "Philo") noch mehr Verdruß bekam.

Die rechtzeitig zum zweihundertsten Todestag Knigges am 6. Mai abgeschlossene Ausgabe der "Ausgewählten Werke" in zehn Bänden enthält auf nicht ganz sechshundert Seiten auch Schriften zum Ordenswesen und - wichtiger - zur Politik. Es sind die bekannten satirischen Romane "Benjamin Noldmanns Geschichte der Aufklärung in Abyssinien" (1791), "Des seligen Herrn Etatsraths Samuel Conrad von Schaafskopf hinterlassene Papiere" und "Josephs von Wurmbrand . . . politisches Glaubensbekenntnis" (beide 1792), die Knigge unter dem Einfluß der Französischen Revolution schrieb.

Die Ereignisse in Frankreich seit dem 14. Juli 1789 machten, so hätte es Goethe wohl gesagt, wahrhaft Epoche in des Freiherrn Dasein, der noch 1789 auf das "von" in seinem Namen verzichtete, den Freiherrntitel indes nicht aufgeben wollte, denn ein freier Herr war er doch im geistigen Sinne. Knigge ist bis zu seinem frühen Ende 1796 den Ideen der Revolution auf seine Art treu geblieben, obwohl ihm diese Sympathien nichts als Unannehmlichkeiten und Schikanen eintrugen und möglicherweise sein von Krankheiten gezeichnetes Leben verkürzt haben.

Der wütende Jakobiner und rigorose Demokrat, als den ihn seine Feinde schmähten und die neuen Freunde von 1968 rühmten, ist er indessen nie gewesen. Letztlich wollte er Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz. Bei aller Kritik an den Versäumnissen des Adels (mit der ja auch der erzkonservative Freiherr Joseph von Eichendorff nicht sparte), wollte Knigge keineswegs die Fürsten von den Thronen stürzen und gar guillotinieren. Durch alle seine Schriften schimmert das konservative Weltbild eines Mannes, dem mehr an Evolution statt Revolution lag und der im Grunde seines Herzens alle Veränderungen der Gesellschaft lieber von oben als von unten bewirkt gesehen hätte.

Seine pädagogischen Ideale, unter denen seine einzige Tochter leiden mußte, erregten zu Recht den Protest damaliger Reformpädagogen wie Joachim Heinrich Campe und Ernst Christian Trapp. Knigges Vorstellungen von der "natürlichen" Bestimmung der Frau und seine Meinungen über die Schädlichkeit der Aufklärung für die Bauern sind alles andere als revolutionär. Und eigentlich fand er gegen den Ständestaat, bei aller Polemik gegen die Aristokratie, nichts einzuwenden.

Karl-Heinz Göttert, dem wir eine kluge Untersuchung über Knigges Weltbild zu danken haben, schreibt zu Recht: "Mitten in seiner Revolutionsbegeisterung träumt er den alten Traum von der ,natürlichen' Ordnung weiter." Knigge sei blind gegenüber jenem Neuen geblieben, "das am Ende des achtzehnten Jahrhunderts heraufzog und jenen Modernisierungsprozeß einleitete, der binnen kurzem alle Gebiete des Denkens und Handelns verändern sollte".

Knigges Tragik bestand darin, ein Revolutionsideal zu vertreten, dessen Ziele gar nicht die seinen waren. Gleichzeitig führte seine unerschrocken demonstrierte Revolutionsbegeisterung zur gesellschaftlichen Ächtung in Deutschland. Wie so viele große Persönlichkeiten im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert saß er zwischen allen Stühlen. Ganz gleich, ob man die Französische Revolution bejahte oder bekämpfte: Gemeinsam mit der von der Aufklärung bewirkten Evolution, gemeinsam mit dem Aufstieg eines selbstbewußten Bürgertums, vollzog sich um achtzehnhundert ein geistiger Umbruch, von dessen Wucht wir uns heute kaum noch eine Vorstellung machen können.

Der Abschlußband der von Wolfgang Fenner herausgegebenen Ausgabe enthält vierzig Briefe Knigges (von rund sechshundert erhaltenen) und eine knappe Biographie des Herausgebers. Es ist schade, daß ein so kenntnisreicher Knigge-Forscher wie Fenner sich nicht hat entschließen können, die große Knigge-Biographie zu schreiben, die es bis heute nicht gibt. Der enorme Dualismus, unter dem Knigges Charakter litt, macht die Persönlichkeit dieses streitbaren, tapferen Mannes für einen Biographen besonders attraktiv. Die Nachwelt hat ihn schäbig behandelt. Sie verhunzte sein Hauptwerk - "Über den Umgang mit Menschen" (1788) - im neunzehnten Jahrhundert durch rücksichtslose Eingriffe in den Originaltext zu einem platten Handbuch der Etikette. Und sie ließ auch dem Autor selbst keinerlei Gerechtigkeit widerfahren.

Man kann bei Göttert nachlesen, mit welchen Charakterisierungen deutsche Literaturwissenschaftler den Schriftsteller Knigge aburteilten - "rein subalternes Talent", "geschmacklos", "geschwätzige Seichtheit", "Phraseur". Dem begegnet man freilich nicht mit einer oberflächlichen Blütenlese von Knigge-Zitaten, wie sie Jörg-Dieter Kogel geschwind zum zweihundertsten Todestag Knigges besorgt hat: unter dem Titel "Knigge für jedermann", womit schon, nebst den anstoßenden Sektgläsern auf dem Schutzumschlag, viel zuviel gesagt ist.

Wenige Wochen nach Knigges frühem Tod erschien postum seine Abhandlung "Über Eigennutz und Undank". Darin findet sich eine seitenlange Polemik gegen einen gewissen Max, der unschwer als Goethe zu identifizieren ist. Er habe seine alten, den nötigen Reformen seines Landes geltenden Ideale geopfert, weil er "nur für seinen sinnlichen Genuß lebte" und "keine Tugend und kein reines Gewissen hatte". Und in einem Brief vom Oktober 1795, als Knigge an dieser Abhandlung arbeitete, findet sich der Satz: "So wie Goethe jetzt schreibt, so lebt er auch - ein höchst üppiges Schlemmerleben, an der Seite seiner Maitresse." Auch Knigge wußte Vorurteile zu pflegen. Vielleicht wirkte da auch die Verbitterung darüber nach, daß Herzog Carl August von Sachsen-Weimar im Jahr von Goethes Berufung an den Hof Knigge zwar den Titel eines Kammerherrn, nicht aber die entsprechende Position hatte gewähren wollen.

Goethes souveräne Sinnlichkeit, ohne die sein Schöpfertum überhaupt nicht vorstellbar wäre, ist Knigge nicht nur fremd, er wirft sie ihm vor als ein öffentliches Ärgernis und bedient dabei nur bürgerliche Vorurteile. Man kann dem Verfasser des Romans "Die Reise nach Braunschweig" (1792) schwerlich Mangel an Humor nachsagen, aber mir scheint, als sei dem Satiriker Knigge der Humor eine eher etwas zu kurz gekommene Eigenschaft gewesen, und die Sinnlichkeit im weitesten Wortgebrauch ist vollends. Es liegt über diesem so sympathischen Mann etwas Unfrohes und Belastendes, was von seinen Lebensumständen freilich nicht zu trennen ist. Die Art, wie er in seinen Briefen die Tochter schulmeistert, zeigt es auch. Sehr viel ist bei ihm von Pflicht die Rede, aber es fehlt dabei Goethes "unendlich mehr die Liebe" und eben jene Leichtigkeit, die Hofmannsthals Marschallin für die rechte Lebensweise voraussetzt.

"Ein deutscher Schriftsteller, ein deutcher Märtyrer! Ja, mein Guter! Sie werden es nicht anders finden", bemerkte Goethe zu Eckermann 1830. Da gehörte Knigge, an den Goethe schwerlich wird gedacht haben, zwar nicht zu den Vergessenen, aber zu den von der Nachwelt als Mensch und Autor entstellten Persönlichkeiten. Und das ist wohl das schlimmere Los. ECKART KLESSMANN

Adolph Freiherr Knigge: "Ausgewählte Werke in zehn Bänden". Herausgegeben von Wolfgang Fenner. Bd. 7: Philosophie II/Ordenswesen. 384 S., 64,- DM. Bd. 8: Politik I. 224 S., 38 DM. Bd. 9: Politik II. 352 S., 48,- DM. Bd. 10: Ausgewählte Briefe/Knigges Leben, 340 S., geb., 64,- DM. Alle Fackelträger-Verlag, Hannover, 1994 bis 1996.

Karl-Heinz Göttert: "Knigge oder: Von den Illusionen des anständigen Lebens". Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. 332 S., br., 26,90 DM.

"Knigge für jedermann". Vom Umgang mit Menschen. Herausgegeben von Jörg-Dieter Kogel. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1996. 198 S., geb., 36,- DM.

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