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Der konservative Bundestagsabgeordnete und Familienpolitiker Frederik Kallenberg stammt aus einem zerrütteten Elternhaus im katholischen Sauerland und möchte alles besser machen als seine Eltern. Er heiratet seine Jugendliebe Julia, bekommt mit ihr zwei Kinder, und als er mit Anfang dreißig auch noch in den Bundestag gewählt wird und nach Berlin aufbricht, scheint sein Glück perfekt. Doch mitten in seiner ersten Legislaturperiode verschwindet er plötzlich, zurück bleiben eine mysteriöse Notiz und viele Fragen. Weshalb wurde er von der Kanzlerin persönlich vorgeladen? Hat die emanzipierte,…mehr

Produktbeschreibung
Der konservative Bundestagsabgeordnete und Familienpolitiker Frederik Kallenberg stammt aus einem zerrütteten Elternhaus im katholischen Sauerland und möchte alles besser machen als seine Eltern. Er heiratet seine Jugendliebe Julia, bekommt mit ihr zwei Kinder, und als er mit Anfang dreißig auch noch in den Bundestag gewählt wird und nach Berlin aufbricht, scheint sein Glück perfekt. Doch mitten in seiner ersten Legislaturperiode verschwindet er plötzlich, zurück bleiben eine mysteriöse Notiz und viele Fragen. Weshalb wurde er von der Kanzlerin persönlich vorgeladen? Hat die emanzipierte, unabhängige Liane, mit der er sich ganz gegen seine moralischen Grundsätze auf eine Affäre eingelassen hat, mit Frederiks Verschwinden zu tun?
Autorenporträt
Markus Feldenkirchen, 1975 in Bergisch Gladbach geboren, studierte in Bonn und New York und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Seither arbeitet er als Redakteur und Reporter in Berlin, zunächst beim "Tagesspiegel", seit 2004 beim "Spiegel", mittlerweile als Autor für Deutsche Politik im Hauptstadtbüro. Seine journalistische Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem "Axel-Springer-Preis" für Nachwuchsjournalisten. Bei Kein & Aber erschien 2010 sein viel gelobter Debütroman "Was zusammengehört" und 2013 "Keine Experimente".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2013

Auf einen Eierlikör mit Angela Merkel

Der Wahlkampf lässt auf sich warten, vielleicht weil es den Beteiligten noch zu heiß ist. In der Literatur aber können wir schon vorglühen: Der Journalist Markus Feldenkirchen beschreibt in seinem Roman "Keine Experimente" eine verhängnisvolle Affäre aus dem Berliner Politikbetrieb. Da wächst zusammen, was partout nicht zusammengehört.

Eine gute Reportage, ein gelungenes Porträt hat auch literarische Qualitäten, und so wagen sich seit einiger Zeit nicht nur die Paradiesvögel vom Feuilleton, sondern auch die Reporter und Hauptstadtbüroleiter des "Spiegel" vermehrt an Grenzüberschreitungen ins belletristische Feld. Nach Alexander Osang und Dirk Kurbjuweit ist jetzt auch Markus Feldenkirchen unter die Romanautoren gegangen. Nach seinem Erstling "Was zusammengehört" (2010) wächst in "Keine Experimente" zusammen, was eher nicht zusammengehört: Sauerland und Kreuzberg, katholisch-provinzieller Konservativismus und urban-autonome Frauenpower, Krawatte und türkisfarbene Leggins, Handkuss und SMS. Mit einem Wort: der Bundestagsabgeordnete Frederik Kallenberg und die Feministin Liane Berg.

Der Titel bezieht sich natürlich auf den alten Wahlslogan der CDU, und damit fängt die Krux auch schon an: Feldenkirchen kann sich nicht recht entscheiden zwischen Komödie und Tragödie, "Spiegel"-Ironie und Politiker-Melodram. Im deutschen Politroman sind, anders als etwa im angelsächsischen, Klarnamen verpönt, und so muss der Autor Zuflucht zu albernen Versteckspielen und umständlichen Verrenkungen nehmen. Auch in "Keine Experimente" finden die nächsten Bundestagswahlen am 22. September statt; aber Kallenbergs Partei wird immer nur "konservativ" genannt und die pragmatisch-brutale Kanzlerin nie Angela Merkel. Frederik Kallenberg wird von der Presse jedenfalls als "letzter Joker" und "Willy Brandt der Konservativen" gerühmt. Er schwärmt von den "gottgegebenen Stärken" der Frau als Mutter und Hauswirtschafterin und reizt die Kanzlerin mit seiner Gesetzesinitiative für ein Müttergeld zur Weißglut.

Dabei ist Kallenberg kein unverbesserlicher Macho, sondern ein Kavalier der alten Schule, ein wenig weltfremd vielleicht, aber immer höflich, nachdenklich, bescheiden, kurz: unglaublich anständig. Der Mann aus Waldhagen hat die Milch der frommen Denkungsart, Werte wie Heimat, Familie und Tradition, auf Schützenfesten und in der Kirche eingesogen; nicht einmal im Traum fiele ihm ein, seine Jugendliebe Julia zu betrügen oder Pfarrer Schmiedebach zu enttäuschen. Für die politisch korrekten Besserwisser aus der Hauptstadt ist der gutmütige Provinzpolitiker natürlich ein leichtes Ziel, aber Kallenberg fährt nicht einmal aus seiner ehrlichen Haut, wenn ihn Dagmar Kappler - ein kaum verhülltes Porträt von Alice Schwarzer - in einer Talkshow nach allen Regeln der Kunst vorführt.

Liane Berg hat ihn auch schon mal bei einer AStA-Diskussion über Fluch und Segen des Feminismus rüde abgekanzelt, aber eigentlich ist die frauenbewegte, linksalternative Studentin schwer beeindruckt von seiner "süßen Unbeholfenheit" und "erfrischenden Gestrigkeit". Gegensätze ziehen sich an, gemeinsame Fontane-Schwärmerei verbindet, und so beginnt Kallenberg wider besseres Wissen, verrückt vor Lust, Scham und Sehnsucht nach einem anderen Leben, eine verhängnisvolle Affäre. Als Gedankenspiel ist das nicht ohne Reiz, als Plot eines Vierhundert-Seiten-Romans ein konstruierter Missgriff. Gewiss, Claudia Roth ist auch Duzfreundin von Günther Beckstein, und Horst Seehofer war auch schon mal einsam in Berlin. Aber dass eine junge, fröhlich-kratzbürstige Autonome erst mit ihrer Freundin wettet, den "reaktionären Sack" zu verführen, und sich dann unsterblich in seinen altmodischen Charme verliebt, kommt selbst in Bayern eher selten vor. Und dass ein strebsamer sauerländischer Parteisoldat, der sich mit Wahlslogans wie "Am Biggesee wählt man das C" oder "Neu-Listernohl für Helmut Kohl" in den Hinterzimmern der Jungen Union nach oben gedient hat, Frau, Kinder und Karriere für eine Femme fatale aus Kreuzberg aufs Spiel setzt, ist auch schwer vorstellbar.

Feldenkirchen, 1975 in Bergisch Gladbach geboren, kennt die Gegend zwischen Schneppsiefen und Waldhagen und den spröden Charme des Politikeralltags mit seinen Ortsvereinsgrillfesten, Karnevalssitzungen und Caritas-Jubiläen. Er spendiert seinem Helden nicht nur eine exemplarisch schwere Dorfjugend mit zerrütteten Familienverhältnissen, pubertärem Mobbing, Mofa-Rennen und handfesten Zwangsneurosen: Er teilt auch seine Abneigung gegen moderne Plagen wie Smartphones, Talkshows, "Happy-Picnic-Cards" und Honeymoonsuiten auf den Malediven. Die Sehnsucht nach Treue, Ehrlichkeit und Verlässlichkeit, die Klagen über den "Verlust an Tiefe, Ernsthaftigkeit, an gedanklicher wie sprachlicher Eleganz", die Idiosynkrasie gegen die Rhetorik des entschiedenen Sowohl-als-auch und Merkels "schlauen Konservativismus" sind ihm offensichtlich nicht fremd. Und vor allem ist Kallenberg ist ein Mann, der seine Überzeugungen nicht gegen einen Staatssekretärsposten mit Dienstwagen eintauscht.

Als Heimatroman und als Satire auf den Berliner Politikbetrieb hat "Keine Experimente" durchaus seine Meriten. Feldenkirchen kann die männlich-verschwitzte Atmosphäre eines Schützenfests so unterhaltsam beschreiben wie die Herrenwitze bei der Parlamentariersause in Warschau; wie die Kanzlerin Kallenberg beim Eierlikör über den Tisch zu ziehen versucht, ist ein feines literarisch-politisches Kabinettsstückchen.

Aber wenn der Willy Brandt der Konservativen sich auf der Suche nach seiner Geliebten wie der letzte Provinztrottel in Berliner Schwulenclubs und "Kötzis Bierstube" verirrt, bevor er in Lianes WG und am Stechlinsee endlich seine Krawatte lockern und sein Herz ausschütten darf, dann nähert sich der clash of civilizations doch dem Format einer romantischen Degeto-Komödie. Friedrich Merz, der auch mal auf seinem Rocker-Mofa durchs Sauerland bretterte und dann von der Kanzlerin ausgebremst wurde, könnte vermutlich nicht darüber schmunzeln.

MARTIN HALTER.

Markus Feldenkirchen: "Keine Experimente".

Roman.

Kein & Aber Verlag, Zürich, Berlin 2013. 399 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Geschichte um einen konservativen Politiker, der über seine eigenen Prinzipien stolpert, erzählt der Autor laut Alexandra von Arx packend und mit Sinn für Dramaturgie, auch mit einer gewissen Breite, die vom Einzelschicksal auf einen gesellschaftlichen Wertewandel verweist, wie die Rezensentin erklärt. Markus Feldenkirchens Kenntnisse über den Politbetrieb, über Machtstrukturen und Zusammenhänge, und seine Fähigkeit, diese pointiert rüberzubringen, beeindrucken von Arx ebenfalls.

© Perlentaucher Medien GmbH