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Das Schicksalsjahr 1933 wurde und wird umfassend erforscht, aber man kann noch Neues entdecken. Zum Beispiel in der katholischen Stadt Münster die von Hitlers Vizekanzler Franz von Papen animierte Gruppe prominenter katholischer Autoren, die zögernde Zentrumswähler dem Nationalsozialismus zuführen sollten. Es waren so prominente Professoren der Theologie wie Michael Schmaus und Joseph Lortz. Auch der katholische Schriftsteller Josef Pieper schrieb kraftvoll mit.Kurt Flasch untersucht ihre Argumentation und beschreibt ihre historische Position. Sie "bewiesen" mit ihren Mitteln die…mehr

Produktbeschreibung
Das Schicksalsjahr 1933 wurde und wird umfassend erforscht, aber man kann noch Neues entdecken. Zum Beispiel in der katholischen Stadt Münster die von Hitlers Vizekanzler Franz von Papen animierte Gruppe prominenter katholischer Autoren, die zögernde Zentrumswähler dem Nationalsozialismus zuführen sollten. Es waren so prominente Professoren der Theologie wie Michael Schmaus und Joseph Lortz. Auch der katholische Schriftsteller Josef Pieper schrieb kraftvoll mit.Kurt Flasch untersucht ihre Argumentation und beschreibt ihre historische Position. Sie "bewiesen" mit ihren Mitteln die providentielle Verwandtschaft von Kirche und Nationalsozialismus. Es geht nicht um Entlarvung oder späte Entnazifizierung. Die schriftstellernden Täter sind bekannt. Sie wurden angesehenste Lehrer in der frühen Bundesrepublik; das macht sie zu einem erforschenswerten Element der deutschen Kontinuität nach 1945.The fateful year 1933 has been and is still being extensively investigated, but one can still make discoveries. For example, in the Catholic city of Münster, the group of prominent Catholic authors animated by Hitler's Vice-Chancellor Franz von Papen to make hesitant centrist voters move over to National Socialism. They were such prominent professors of theology as Michael Schmaus and Joseph Lortz. The Catholic writer Josef Pieper also assiduously made his voice heard. Their common aim was to "prove" what they believed to be the providential kinship of the Church and National Socialism. Kurt Flasch examines their reasoning and describes their historical position. It is not a matter of debunking or late denazification. The perpetrators who wrote are well known. They became most respected teachers in the early German Federal Republic; this makes them an element of post-1945 German continuity worth exploring.
Autorenporträt
Kurt Flasch ist einer der international angesehensten deutschen Mediävisten und Philosophiehistoriker. Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, dem Lessing-Preis für Kritik und dem Joseph-Breitbach-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2021

Ordnung, Führung, Bindung
Kurt Flasch wirft einen Blick auf katholische „Brückenbauer“ im Jahr 1933, die die Verwandtschaft
von christlicher und nationalsozialistischer Weltanschauung feierten. Von Hans Maier
Am 5. März 1933 wählten in der Stadt Münster 36,6 Prozent der Wahlberechtigten die Zentrumspartei. In Münster-Land waren es sogar 50,7 Prozent. Die Zahlen für die NSDAP blieben dahinter zurück. Der Zentrums-Turm erwies sich als stabil. Ausgerechnet in dieser Situation erhob sich jedoch in Münster eine Initiative zugunsten der in der Minderheit gebliebenen NSDAP, eine Kampagne, getragen von katholischen Akademikern, die nach Gemeinsamkeiten zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus suchten. Die Professoren Michael Schmaus und Joseph Lortz sowie der freie Schriftsteller Josef Pieper bildeten die Spitze dieser Bewegung, die bald auch an anderen Orten von sich reden machte; von den Zeitgenossen wurden die Autoren „Brückenbauer“ genannt.
Kurt Flasch, erprobter Mittelalterforscher, aber auch subtiler Erkunder des zeitgenössischen Geisteslebens, ist diesen drei Männern noch zu Lebzeiten begegnet und hat ihren Weg im Einzelnen verfolgt. Sie waren im Nachkriegsdeutschland hoch angesehene und vielfach ausgezeichnete Persönlichkeiten. Von ihren Irrtümern hatten sie sich zumindest intern distanziert. „Ich fand mit Schmaus ein freundliches, mit Pieper ein normal-arbeitsmäßiges, mit Lortz gar kein Auskommen“, schreibt Flasch. So wie in dieser Kurzformel fallen denn auch die Akzente in der knappen, spannend zu lesenden Schrift des renommierten Essayisten aus: Über Schmaus, der nach dem Krieg bis zu seiner Emeritierung 1965 Professor für katholische Dogmatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München war und zwischenzeitlich sogar LMU-Rektor, referiert Flasch eher zurückhaltend; „relativ wohlwollend“ versucht er, dessen „Mangel an Wirklichkeitssinn“ zu erklären; die Darstellung wird an einer Stelle von ironischen Lichtern überspielt. Bei Pieper unternimmt Flasch eine eingehende Analyse von dessen Gedanken zu Arbeitsrecht und Sozialpolitik, Positionen, die zum Teil auf Piepers Doktorvater Johann Plenge zurückgehen und die ihn für eine kurze Weile in die Nähe der NS-Ideologie bringen. Bei Lortz hingegen, der von 1950 bis zu seinem Tod 1975 an der Universität Mainz Kirchengeschichte lehrte, setzt Flasch zu einer Generalabrechnung an, wobei er die Schriften zur Reformationsgeschichte, die den Kirchenhistoriker später international berühmt machten, nicht ausspart.
Wo sahen die „Brückenbauer“ Gemeinsamkeiten zwischen dem Nationalsozialismus und der katholischen Welt? An erster Stelle war es wohl ein kämpferischer Antiliberalismus, der beide verband, die aggressive Wendung gegen die moderne, emanzipierte, individualisierte Welt. Mit Hitler, dem Antimodernen, sollten sich gläubige Christen unschwer identifizieren können – dafür plädierte vor allem Joseph Lortz. Ordnung und Gemeinschaft, Führung und Bindung sollten wieder in den Vordergrund treten – eine „völkische Lebensordnung“ sollte den vagen Internationalismus ablösen, der zu nichts verpflichtete, aber Volk und Staat in den Hintergrund treten ließ.
Als Mediävisten orientierten sich die drei Autoren dabei nicht selten an einem fingierten Mittelalter. Ihnen schwebte eine hierarchisch strenge, Schranken setzende Kirche vor – ein Gegenüber zum gleichfalls strengen, die Geister zügelnden Staat. „Wer die so beschriebene, restaurativ rekonstruierte Kirche mit ergriffener Unachtsamkeit liebte, wer wie Lortz die Verdammung der Gewissensfreiheit durch Päpste pries, konnte sie wohl verwandt finden mit dem Dritten Reich in seinem Anfangsstadium.“
Für uns Spätere, die wir den Ausgang kennen, ist das anfängliche Zutrauen der drei Autoren zu Hitler, ihre Hoffnung, dass die guten (konservativen) Kräfte sich gegen SA-Schläger und SS-Verschworene durchsetzen würden, nur schwer zu begreifen. Konnten sich die „Brückenbauer“ die späteren Verbrechen des Nationalsozialismus in seinen Anfängen nicht vorstellen? Sahen sie über das hinweg, was man bereits am Beginn deutlich erkennen konnte: den Abbau der verfassungsmäßigen Ordnung, die Tendenz zur Alleinherrschaft einer Partei, die Schläge gegen Oppositionelle, den Boykott jüdischer Geschäfte?
Die Lage im Sommer 1933 war gewiss in mancher Hinsicht ambivalent, widersprüchliche Phänomene waren zu verarbeiten, einiges mochte die „Brückenbauer“ zu ihrem Optimismus ermutigen. So etwa die Tatsache, dass der bayerische (evangelische) Kultusminister und NS-Gauleiter Hans Schemm Schulgebete obligatorisch machte und die Parole ausgab: „Unsere Religion heißt Christus, unsere Politik heißt Deutschland.“ Oder das zeitweilige Mitgehen von NS-Organisationen bei Gottesdiensten und Prozessionen – und nicht zuletzt die Rede Hitlers vom „positiven Christentum“ als Grundlage des NS- Staates.
Nicht wenige Katholiken klammerten sich an Hindenburg, den greisen Reichspräsidenten, und an Franz von Papen, den katholischen Reichsvizekanzler; sie galten als Schutzschilde christlicher Überlieferung. Freilich, die antichristliche Gegenwelt im Nationalsozialismus – Rosenberg, Himmler – war gleichfalls vorhanden, und sie gewann von Tag zu Tag an Macht. Auch trat die kriminelle Physiognomie des NS-Staates immer unverhüllter hervor. Wie konnten Katholiken da noch nach legitimen Zugängen zur nationalsozialistischen Weltanschauung suchen? War das nicht von Anfang an eine Illusion? In der Tat: „Der Vorgang behält etwas Rätselhaftes. Vielleicht war der Teufel am Werk“, so lautet das bemerkenswerte Fazit des bekennenden Agnostikers Kurt Flasch.
Waren sie nun wirklich „Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus“, wie Flaschs Buchtitel sagt? Hier habe ich Einwände, sie betreffen das Wort, die Semantik des Vorgangs. Im Augenblick wirkt ja die Hohenzollerndebatte differenzierend und verschärfend auf unser historisches Vokabular ein. Wir fragen genauer danach, wie, auf welche Weise, seit wann und wie lange Zeitgenossen unterstützend, fördernd, befürwortend für den Nationalsozialismus tätig waren. Dies im Einzelnen zu klären ist nicht nur vor Gericht von Belang, es beeinflusst auch die historische Urteilsbildung.
Dass die genannten Autoren dem Nationalsozialismus „den Weg bereitet“ hätten – diese Vermutung widerlegt Flasch selbst an mehreren Stellen seines Buches. Wiederholt spricht er davon, dass sie „für die Analyse politischer Prozesse nicht ausgebildet“ waren, dass es sich um „politisch unerfahrene Professoren“ handelte. Wie konnten sie dann Wegbereiter für den Nationalsozialismus sein? Die NS-Größen haben von den Brückenbauern keine Anstöße, keine Anregungen bekommen. Sie konnten nichts von ihnen lernen. Sie übernahmen nirgends eine Führungsrolle. Sie folgten nur.
Und auch wenn man „Wegbereiter“ im engeren Sinne nimmt – als Hinführung speziell der Katholiken zum Nationalsozialismus –, führt das Wort ins Leere. Denn die „Brückenbauer“ haben im deutschen Katholizismus allenfalls ein kurzes Rumoren, nicht aber eine dauerhafte Bewegung ausgelöst. Die Gruppe stürzte mit der Entmachtung des Reichsvizekanzlers 1934 in die Bedeutungslosigkeit ab. Ihre Publikationen blieben vereinzelt und nahezu wirkungslos. Richtig und bleibend angemessen urteilten dagegen andere Katholiken, die Flasch auch nennt: Alois Dempf, Dietrich von Hildebrand, Gustav Gundlach, Waldemar Gurian.
Das freilich sollte niemanden von der Lektüre dieses Buches abhalten. Es wäre ja wohl das erste Buch von Flasch, das ans Licht getreten wäre, ohne (nützliche) Kontroversen auszulösen. Daher wird die Debatte weitergehen, denke ich – der Meister und seine Leser mittendrin!
Der Autor ist Politik- und Religionswissenschaftler. Von 1970 bis 1986 war er bayerischer Kultusminister.
Mit Hitler, dem Antimodernen,
sollten sich gläubige Christen
identifizieren, schrieb Lortz
Mit der Entmachtung
des Reichsvizekanzlers Franz
von Papen stürzte die Gruppe
Kämpferischer Antiliberalismus als verbindendes Element: Nikolaus Bares (3. v. li.), Bischof von Berlin, mit dem päpstlichen Nuntius Cesare Orsenigo (2. v. li.) während der Papstkrönungsfeier 1934 im mit Hakenkreuzen geschmückten Berliner Sportpalast.
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Kurt Flasch: Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus. Michael Schmaus, Joseph Lortz, Josef Pieper. Verlag
Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2021. 192 Seiten, 25 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Marschler folgt Kurt Flaschs Untersuchung intellektueller und spiritueller Motive von Katholiken wie Joseph Lortz und Josef Pieper bei der Stützung des nationalsozialistischen Regimes. Die Anbiederung an Hitler etwa durch den versuchten Schulterschluss gegen den Kommunismus analysiert der Autor laut Marschler weitgehend überzeugend, indem er Lortz, Pieper u.a. politische Naivität, ideologische Verblendung und wissenschaftliche Nachlässigkeit nachweist. Für Flasch handelt es sich um "intellektuelle Verbrechen", stellt Marschler fest. Dass der Autor die einschlägige Literatur zum Thema nur "selektiv" verwendet, bedauert Marschler ebenso wie den Umstand, dass Flasch innerkatholische Kritik an den im Buch vorgestellten Theologen nur kursorisch einbezieht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2021

Dem neuen Reich eine erneuerte Kirche
Kurt Flasch nimmt sich katholische Autoren vor, die ihre Konfession dem NS-Regime andienten

Als Prälat Michael Schmaus, prominenter Dogmatikprofessor und früherer Rektor der Münchener Universität, 1967 seinen siebzigsten Geburtstag beging, widmeten ihm Schüler und Freunde eine voluminöse Festschrift. Die an den Beginn gestellte Bibliographie listet Publikationen des Jubilars aus vier Jahrzehnten auf. An einer Stelle aber ist sie lückenhaft: Es fehlt die in drei Auflagen erschienene Broschüre "Begegnungen zwischen katholischem Christentum und nationalsozialistischer Weltanschauung", die einen Vortrag dokumentiert, den der gerade aus Prag nach Münster gewechselte Theologe am 11. Juli 1933 im Auditorium Maximum seiner neuen Universität gehalten hat.

Schmaus gehörte zu denjenigen Stimmen im katholischen Deutschland, die in den Monaten nach Hitlers Machtergreifung eine Annäherung an den Nationalsozialismus legitimierten, ja zur Pflicht erklärten. Für Wortmeldungen dieser Art, die zuvor kaum vorstellbar gewesen waren, richtete der traditionsreiche Verlag Aschendorff unter dem Titel "Reich und Kirche" eine eigene Schriftenreihe ein. Zu den Autoren der insgesamt fünf Hefte, die 1933/34 erschienen, gehörten neben Schmaus und Hitlers Vizekanzler Papen der Kirchenhistoriker Joseph Lortz und der junge Philosoph Josef Pieper - Persönlichkeiten, die auch nach 1945 den deutschen Katholizismus prägen sollten.

Ihnen widmet Kurt Flasch sein neuestes Buch. Dass die Texte der genannten Reihe bislang "nicht nach Argumentation, Zusammenhang und geschichtlichem Ort untersucht" worden seien, wie es im Vorwort heißt, ist nicht ganz richtig. Martino Patti hat bereits 2008 eine italienische Übersetzung aller Beiträge mit ausführlicher Einleitung vorgelegt. Auch insgesamt berücksichtigt Flasch die umfangreiche Literatur zum Thema "Katholische Theologie im Nationalsozialismus" nur selektiv. Neue Quellen erschließt er kaum. Er selbst charakterisiert seinen Beitrag als "einen wohldokumentierten Essay, kein Handbuch". Das erlaubt die Konzentration auf exemplarische Wortmeldungen und eröffnet Raum für Exkurse und Anekdoten. Seine Bewertungen formuliert der Verfasser in ungefilterter Schärfe. Die selbst auferlegte Vorgabe, Fragen zu stellen, die "ideengeschichtlich, (. . .) nicht moralisch" sind, lässt er zuweilen hinter sich. Spätestens im Resümee gibt Flasch zu verstehen, dass er die von ihm untersuchten Texte als "intellektuelle Verbrechen" einstuft, angesichts derer den Leser auch heute noch "politisch-moralische Abscheu" befalle.

Als "Vorredner" der Hauptakteure werden einflussreiche Katholiken präsentiert, die sich schon im Frühjahr 1933 auf die Seite Hitlers schlugen und deren Impulse nachwirkten: Karl Adam, Karl Eschweiler, Carl Schmitt, Franz von Papen. Die im Hauptteil des Buches behandelten drei Beiträge der "Reich und Kirche"-Serie setzen bereits den Pfingsthirtenbrief der deutschen Bischöfe, den Abschluss des Reichskonkordats und die Auflösung des Zentrums voraus. In seinen kommentierenden Paraphrasen weist Flasch unerbittlich, zuweilen sarkastisch auf, wie die katholischen Brückenbauer nazistische Propagandasprache übernahmen, demokratiefeindliche Überzeugungen äußerten und rassistische Stereotype bedienten. Die antichristlichen Tendenzen der NS-Bewegung wurden heruntergespielt, indem man Hitler von Rosenberg trennte und sich auf Inhalte des Parteiprogramms berief ohne Beachtung der faktischen Entwicklungen in Deutschland. Man bejubelte die Überwindung des politischen Katholizismus und erhoffte sich als Nebenprodukt der Reichseinung die Überwindung der Kirchenspaltung. In der nationalen "Zeitenwende" sollte sich auch die Kirche reformieren.

Anknüpfungspunkte für die Vermittlung von Katholizismus und Nationalsozialismus sahen die Autoren im Kampf gegen den Kommunismus, in der Ablehnung von Liberalismus, Subjektivismus und Intellektualismus, in der Wertschätzung von Volk und Familie, Hierarchie, Opfer und Gehorsam. Wiederholt begegnet man der fixen Idee, dass durch die NS-Weltanschauung eine Restitution jenes "natürlichen Menschen" zu erwarten sei, der dann von der Kirche seine gnadenhafte Vollendung erbitte. Hier wähnten Theologen, den Nationalsozialismus besser zu verstehen als dieser sich selbst.

Flasch entlarvt die politische Naivität solcher Konstrukte und die Haltlosigkeit ihrer abstrakten Begründungen. Eschweilers oberflächlichen Thomismus oder Piepers schablonenhaftes Mittelalterbild lässt er ebenso wenig durchgehen wie die Verzeichnung Kants durch Schmaus und die abschätzige Bewertung des Humanisten Erasmus in der dogmatisch gefärbten Geschichtsanalyse des NSDAP-Mitglieds Lortz. Ideologische Verblendung, so legen Flaschs Analysen nahe, verband sich nicht selten mit schlechter Wissenschaft. Vernichtend fällt das Urteil über den später zum Bestsellerautor avancierten Josef Pieper aus. Flasch beleuchtet nicht bloß Piepers literarischen Anbiederungsversuch von 1934, der das "Arbeitsrecht des Neuen Reiches" pries. Generell attestiert er ihm "ein Defizit an Philosophie und das Aufblasen von Worthülsen" und charakterisiert ihn mit Berufung auf einen Nachkriegsbrief des Habilitationsgutachters Gerhard Krüger als Dilettanten, der in der seriösen Forschung ignoriert werden durfte.

Auf innerkatholische Kritik, mit der sich einige der behandelten Theologen schon während der NS-Zeit auseinanderzusetzen hatten, geht Flasch ebenso nur am Rande ein wie auf die Wirkungsgeschichte ihrer Schriften oder das Verhältnis der Autoren zueinander. Undeutlich bleibt, dass sich damals staatsnahe Rechtskatholiken keineswegs als ultramontane Reaktionäre gerierten, sondern unter der Flagge des theologischen Aufbruchs segelten; kirchenpolitisch sind sie daher nicht leicht einzuordnen.

Flasch kennt die Argumente, die katholische NS-Sympathisanten nachträglich zu ihrer Entschuldigung vorgebracht haben. Gelten lässt er sie nicht, zumal er in der eigenen Familie erlebt hat, was Katholiken erleiden mussten, die ihrer Absage an das Hitler-Regime treu blieben. Dennoch versucht er zu begreifen, wie intellektuelle und spirituelle Motive des antimodernen Katholizismus einige seiner Vertreter dazu brachten, sich als Wegbereiter des Nationalsozialismus anzubieten. Das, so ist Flasch überzeugt, muss auch heute noch "Katholiken beunruhigen und Nicht-Katholiken beschäftigen". THOMAS MARSCHLER

Kurt Flasch: "Katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus". Michael Schmaus, Joseph Lortz, Josef Pieper.

Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2021. 192 S., br., 24,80 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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