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Produktdetails
  • Verlag: Müller (Otto), Salzburg
  • Seitenzahl: 375
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm x 230mm
  • Gewicht: 1228g
  • ISBN-13: 9783701309603
  • Artikelnr.: 25464638
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.1998

Erdnah im Festspielhaus
Zimmermanns Sohn: Zwei Biographien von Karl Heinrich Waggerl

Karl Heinrich Waggerl, armer Leute Kind, ist einer der populärsten Schriftsteller Österreichs gewesen, ein Salzburger Nationalheiliger. Als sich Anfang der dreißiger Jahre sein Erfolg abzuzeichnen begann, spottete Kurt Tucholsky: "Da gibt es einen jungen Mann, Waggerl heißt er, der schreibt alle Romane Hamsuns noch einmal. Deswegen halten ihn manche Kritiker für Hamsun den Zweiten. Dies ist nicht ganz richtig: Dieser Autor sieht nur in Hamsun Waggerl den Ersten."

Waggerls Epik lag im Trend der Zeit: Das Erdnahe und Kraftvolle und Innerliche, die feste Verankerung in bäuerlicher Welt und das rechte Vokabular ("Schweres Blut") gefielen katholischen Austrofaschisten kaum minder als den Nazis. Obwohl er sich als durchaus unpolitisch verstand, stellte er seinen Antisemitismus nicht unter den Scheffel. Naturgemäß beklagte er die "Überfremdung der deutschen Literatur" und begrüßte den "Abwehrkampf der deutschen Revolution gegen diese geistige Fremdherrschaft". 1940/41 war Waggerl kommissarischer Bürgermeister seiner Wohngemeinde Wagrain. Weit schlimmer scheint anderes: Noch 1944 sprach er als Festredner im Salzburger Festspielhaus "aus tiefstem Herzen schöpfend, in einem heißen Bekenntnis des Glaubens und Vertrauens zum Führer den Dank der Heimat", berichtete ein Lokalblatt von anno dazumal.

All das erfahren wir aus Karl Müllers sorgsam dokumentierter Biographie. Sie zitiert Akten und Fakten kritisch, sie wägt ab und verzerrt nicht. Der Biograph würdigt die Vielfalt von Waggerls künstlerischen Begabungen, er zeigt uns den Bewunderer von Karl Kraus, den Antimilitaristen und frühen Nihilisten ebenso wie den späten Natur-Idylliker und Auflagenmillionär von Kalendersprüchen.

Gewiß, das Lebensbild wirkt insgesamt nicht sehr sympathisch, doch in seiner Gebrochenheit interessant. Leider hat das Waggerl-Jubiläum auch den Waggerl-Verehrer Ernst Pichler zu einem Porträt aus eifernder Liebe bewogen. Ich habe selten ein so peinlich ressentimentgeladenes Buch gelesen. Denn Pichlers Bemühen, seinen Helden ("des Zimmermanns Sohn") reinzuwaschen, ist nicht nur penetrant, sondern auch schamlos. Rabiate Halbbildung riecht in jedem "Sohn aus gutem Haus" einen Juden: Rilke, Franz Blei, Hermann Bahr. "Exildichter" treten in Anführungszeichen auf, der Architekt Josef Hoffmann wird, weil's der Entlastung von Waggerls Umfeld dienen soll, den "entarteten" Künstlern zugerechnet, und der Schweizer Carl J. Burckhardt den "Daheimgebliebenen" (im Gegensatz zu den Emigranten).

Daß Namen wie Bertolt Brecht, Gertrud von Le Fort, Franz Nabl, Friedrich Torberg und Franz Carl Ginzkey falsch geschrieben sind, sei bloß am Rande erwähnt. Hat niemand im Verlag den unerträglichen Zynismus folgender Sätze bemerkt? Über den sozialdemokratischen Politiker Karl Renner meint der Verfasser: Er "wollte zu Hause bleiben, dabei hätte er im KZ viele seiner Genossen treffen können. Waggerl aber nur wenige seiner Kollegen; ein paar jüdische Kabarettisten und Operettentexter, die schon vor dem Anschluß den Anschluß zur Elite ihrer Zunft verloren hatten." Wer wie Karl Heinrich Waggerl Freunde vom Format Ernst Pichlers hat, braucht keine Feinde mehr. ULRICH WEINZIERL

Karl Müller: "Karl Heinrich Waggerl". Eine Biographie mit Bildern, Texten und Dokumenten. Otto Müller Verlag, Salzburg 1997. 376 S., geb., Abb., 69,20 DM.

Ernst Pichler: "Karl Heinrich Waggerl". Eine Biographie. Haymon Verlag, Innsbruck 1997. 320 S., geb., Abb., 42,- DM.

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