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Sadegh Hedayat (1903-1951) gilt als Begründer der klassischen Moderne der iranischen Literatur, der nach neuen Ausdrucksformen für die Prosa suchte. In seinen Erzählungen übte er immer wieder Kritik am Islam und den sozialen Verhältnissen im Iran. 1951 setzte er in Paris seinem Leben durch Freitod ein Ende.Karawane Islam beschreibt in satirischer Weise einen Missionszug islamischer Prediger und Rechtsgelehrter nach Europa. Die Reise der Abordnung endet allerdings bereits in Berlin, von wo aus die Bekehrung Europas zum Islam beginnen sollte: nach nur zwei Tagen hat sich die Gruppe in völligem…mehr

Produktbeschreibung
Sadegh Hedayat (1903-1951) gilt als Begründer der klassischen Moderne der iranischen Literatur, der nach neuen Ausdrucksformen für die Prosa suchte. In seinen Erzählungen übte er immer wieder Kritik am Islam und den sozialen Verhältnissen im Iran. 1951 setzte er in Paris seinem Leben durch Freitod ein Ende.Karawane Islam beschreibt in satirischer Weise einen Missionszug islamischer Prediger und Rechtsgelehrter nach Europa. Die Reise der Abordnung endet allerdings bereits in Berlin, von wo aus die Bekehrung Europas zum Islam beginnen sollte: nach nur zwei Tagen hat sich die Gruppe in völligem Chaos aufgelöst, der Missionszug ist gescheitert. Das dritte Kapitel, das zwei Jahre später in Paris spielt, bringt dann eine unerwartete Wende.Die Ablehnung autoritärer Strukturen und Ideologien weist Hedayat als Vertreter der iranischen Aufklärung aus. Ohne seine kulturelle Identität zu verleugnen, orientierte er sich an den Ideen der westlichen Welt, fest überzeugt, daß die Völker des islamischen Kulturkreises sich nur dann emanzipieren könnten, wenn sie die Ideale der Aufklärung aufnähmen. Als einen wesentlichen Faktor für die Rückständigkeit seiner Heimat sah er den Islam und die Macht des Klerus an, gegen die sich seine spitze Feder immer wieder richtete.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2000

Durch die Wüste des Witzes
Sadeq Hedayats "Islamische Mission" verdient mattes Gelächter

Sadeq Hedayat, der bedeutendste iranische Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, war kein Freund des Islam: In nicht wenigen seiner Werke bedachte Hedayat, der sich 1951 das Leben nahm und in seinem Land heute mehr denn je verehrt wird, die Religion seiner Väter mit Invektiven. Sie war ihm "ein Übelkeit verursachendes Gemisch aus unverdauten und sich widersprechenden Meinungen und Überzeugungen, die aus anderen Konfessionen, Religionen und dem alten Aberglauben in panischer Eile stibitzt und zusammengekittet worden sind".

Unter dem Titel "Karawane Islam" haben nun Bahram Choubine und Judith West eine von Hedayats frühen Satiren übersetzt. "Die islamische Mission in die Länder Europas" heißt der 1930 verfasste Text im Original. Der Autor hat ihn als persische Übersetzung von drei Artikeln deklariert, die im Sudan in einer islamischen Zeitschrift namens "Die Kloake" erschienen seien (in der deutschen Ausgabe ist der arabische Titel al-Mandschalab fälschlich mit "Der Sumpf" wiedergegeben und aller Bosheit beraubt). Ein Reporter der "Kloake" begleitet eine Gruppe von vier islamischen Gelehrten, die nach Europa gesandt werden, um die Christenheit zu missionieren. Kaum in Berlin angekommen, erweisen sich die Gelehrten als windige Burschen, die nur Geld, Opium und Blondinen im Sinn haben. Der Gerissenste von ihnen türmt mit der Reisekasse, während die anderen drei sich mit einem Produzenten der UFA treffen, der ihnen die Hauptrollen in einem Film "Die Wege des Pavians" anbietet. Auch der Direktor des Zirkus Krone spricht die seltsam gekleideten Herrschaften an, um sie für ein Engagement zu gewinnen. Am Ende landen die Mullahs, die auf den Straßen Berlins wie Zootiere begafft werden, tatsächlich im Zoo: Gegen Bezahlung führen sie islamische Rituale auf und vergnügen sich dabei am Anblick der zahlenden Besucherinnen. Im letzten der drei Artikel trifft der Reporter die drei Missionare in Paris wieder, wo sie sich als Türsteher, Barkeeper oder Zuhälter verdingen. Sie haben sich inzwischen bestens integriert, fallen äußerlich kaum auf und nennen sich Jean, Jimmy und Job.

Als Dokument einer inneren Kritik am Islam, die sich an Offenheit unschwer überbieten lässt, ist der Text für deutsche Leser vielleicht von Interesse; als Literatur kann er nur mit Mühe bestehen. Das liegt zum Teil daran, dass der spezifische Witz der "Islamischen Mission" sich kaum ins Deutsche übertragen lässt. Der Text lebt von seinem mit religiösen Floskeln durchsetzten Arabo-Persisch sowie von den zahlreichen Referenzen auf Eigenheiten der iranischen Geistlichkeit. Hat man das Klischee eines Geistlichen nicht vor Augen und ihre Sprache nicht im Ohr, ist der Text allenfalls noch kurios, aber nicht mehr witzig. Er gehört ohnehin nicht zu den Glanzlichtern in Hedayats Werk, nicht einmal zu seinen besseren Satiren. Die Beschreibungen werden selten plastisch, die antiklerikale Absicht gerät zu offenkundig, und die Charaktere und Situationen wirken wie mit dem Hammer geschnitzt - kein Vergleich etwa zu der ebenfalls islamkritischen, aber in ihrer Tiefgründigkeit viel schärferen Groteske "Die Morwari-Kanone", die Hedayat 1948 geschrieben hat.

Die Übersetzer haben den Text mit einem ausführlichen Nachwort versehen, in dem sie den Islam als das Hauptübel der iranischen Geschichte vorstellen. Wer an den Islam glaubt, mag sich beleidigt, wer ihn ablehnt, bestätigt fühlen, wer aber an einer nur halbwegs sachlichen Darstellung interessiert ist, den wird die Polemik ob ihrer Verbissenheit und weil sie ohne den anarchischen Spott der Hedayat'schen Feder auskommen muss, gleichgültig lassen. Geärgert hat den Rezensenten, dass Bahram Choubine sich damit brüstet, 1982 in Paris die Erstveröffentlichung der "Islamischen Mission" besorgt zu haben, obwohl das Manuskript bereits 1970 und 1979 in Iran erschien, wenn auch jeweils nach kurzer Zeit verboten wurde.

NAVID KERMANI.

Sadeq Hedayat: "Karawane Islam. Die islamische Mission in Europa". Eine Satire. Aus dem Persischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Bahram Choubine und Judith West. Alibri, 93 S. geb., 26,- DM.

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