Produktdetails
  • Verlag: Falter
  • ISBN-13: 9783854393320
  • ISBN-10: 3854393326
  • Artikelnr.: 12871408
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2006

Zu Hause im Kaffeehaus

Der Ruf des Wiener Kaffeehauses hat mythologische Züge. Doch es ist nicht leicht, den Mythos von Orten und Räumen in treffende Worte zu fassen. Ein "Führer durch eine Wiener Institution" versucht es ständig, indem er die Vergangenheit beschwört und berühmte Namen auffährt. "So erzählt man sich, daß der Dichter Peter Altenberg das Café Central sogar als seine Wohnadresse angab." Hier wird allerdings ein Faktum zur Anekdote degradiert, denn die Eintragung hat es tatsächlich in "Kürschner's Deutschem Literatur-Kalender für das Jahr 1897" gegeben. So begegnet man einer Berühmtheit nach der anderen, da einem Ondit von gestern, dort einem "Supermarkttycoon" von heute, der ein Kaffeehaus rekonstruieren hat lassen - die Erneuerung sei zwar etwas kitschig geraten, erfahren wir, aber das passe "irgendwie super zur gehobenen Gastronomie" mit einem Personal in Livrée. Die Hinweise auf frühere Gegebenheiten und die Beschreibung des aktuellen Ambientes, das Zitieren von allerlei Äußerungen aus prominenten Mündern und das Servieren mit gängigen Superlativen von heute ergeben ein Gemisch, hinter dem die Wirklichkeit der gut zweihundert angeführten Lokale geradezu verschwindet. Dem stehen die nüchternen Farbaufnahmen von Gerhard Wasserbauer wirksam entgegen, deren oft einfallsreiche Perspektiven und Ausschnitte mehr von den jetzigen Zuständen erzählen als die Texte. Aber wer denkt schon noch daran, aufgrund welches Tips er in dieses oder jenes Kaffeehaus gegangen ist, nachdem er angekommen ist, eine Tasse Schokolade bestellt und Kakao bekommen hat und auch sonst merken müßte, daß alles ganz anders ist als erwartet. Dann zählt nur mehr, ob man seine Zeitung vorgefunden hat, ein Rendezvous wie erträumt verläuft oder eine Billardpartie zustande gekommen ist. Aber solche Führer werden ohnehin nicht für Einheimische produziert, sondern für Touristen, die den Mythen der k.u.k. Monarchie nachjagen und wissen wollen, wo in der Nähe des Hotels ein "echtes Wiener Kaffeehaus" zu finden ist. Und wann es geöffnet hat.

trs

"Kaffeehäuser in Wien. Ein Führer durch eine Wiener Institution" von Christopher Wurmdobler. Falter Verlag, Wien 2005. 248 Seiten, 173 Abbildungen. Gebunden, 25,50 Euro. ISB 3854393326

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der Rezensent mit dem Kürzel "trs" hält nicht allzu viel von diesem Buch. Zwar gefallen ihm zumindest die Fotos des Bandes wegen ihrer "einfallsreichen Perspektiven" und Detailaufnahmen ganz gut. Weniger gelungen jedoch findet "trs" die Texte, die aus seiner Sicht weder sprachlich noch inhaltlich dem Thema Genüge tun. Naserümpfend werden missratene Flapsigkeiten zitiert und verärgert schließlich zu Protokoll gegeben, dass die Melange aus Beschreibungen des Ambientes, Bonmots und Anekdoten allerlei vergangener und gegenwärtiger Größen das Sujet, die gut 200 Kaffeehäuser nämlich, fast zum Verschwinden bringt. Allerdings mag so ein Buch, räumt "trs" schließlich ein, möglicherweise für Touristen gerade richtig sein.

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