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In den Jahren 1781 bis 1785 hat Heinrich Voß "Tausend und eine Nacht" aus dem Französischen übersetzt. Er hat dieses Übersetzung später kaum mehr erwähnt, und die Forschung hat sie ignoriert: Voß blieb im kulturellen Gedächtnis der Deutschen der Übersetzer Homers. Hier wird zum ersten Mal dieses einzige Werke erzählender Prosa, das Voß jemals veröffentlicht hat, analysiert. Der Verfasser versucht dabei, es in die Literaturgeschichte des späten 18. Jahrhunderts einzuordnen und zugleich neue Einsichten in die Orientrezeption jener Zeit zu eröffnen.

Produktbeschreibung
In den Jahren 1781 bis 1785 hat Heinrich Voß "Tausend und eine Nacht" aus dem Französischen übersetzt. Er hat dieses Übersetzung später kaum mehr erwähnt, und die Forschung hat sie ignoriert: Voß blieb im kulturellen Gedächtnis der Deutschen der Übersetzer Homers.
Hier wird zum ersten Mal dieses einzige Werke erzählender Prosa, das Voß jemals veröffentlicht hat, analysiert. Der Verfasser versucht dabei, es in die Literaturgeschichte des späten 18. Jahrhunderts einzuordnen und zugleich neue Einsichten in die Orientrezeption jener Zeit zu eröffnen.
Autorenporträt
Dr. Ernst-Peter Wieckenberg, geb. 23. März 1935 in Kiel, freier Wissenschaftler.
Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik in Nancy und Göttingen Staatsexamen und Promotion (Doktorvater Albrecht Schöne). Von 1961 bis 1966 Lektor der Fischer Bücherei in Frankfurt am Main, danach bis Ende 1999 Lektor der geisteswissenschaftlichen Abteilung des Verlages C.H. Beck. Vorsitzender vom Freundeskreis des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur e. V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Wichtigstes Interessengebiet: deutsche und europäische Literatur der Spätaufklärung.
Veröffentlichungen zur deutschen Literatur des 17., 18.und 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.2003

Tausend und keine Nacht
Märchenhafter Vermittler: Johann Heinrich Voß ist zu entdecken

Johann Heinrich Voß wäre heute vermutlich ganz vergessen, wenn ihn nicht Goethe immer wieder als den vorbildlichen Übersetzer Homers und großen Sprachmeister gepriesen hätte, der die älteren Werke dergestalt darbot, "daß fremde Nationen künftig die deutsche Sprache, als Vermittlerin zwischen der alten und neuen Zeit, höchlich zu schätzen verbunden sind". Die Romantiker aber verspotteten ihn als "Schulmeister Klopfstock", als pedantischen Rationalisten. Daß dieser sich nach seiner Übersetzung der Odyssee von 1781 bis 1785 mit den "kühnsten und trefflichsten Erdichtungen einer morgenländischen Nation, deren feurige Einbildungskraft berühmt ist", nämlich mit einer sechsbändigen Version von "Tausend und eine Nacht" gemüht hatte, wurde von den Zeitgenossen kaum gewürdigt. Nur Christoph Martin Wieland lobte die Übersetzung als "Meisterwerk" von "einem unsrer besten Dichter und gründlichsten Literatoren".

Dabei hätte Voß mit großem Zuspruch rechnen dürfen, denn seine Vorlage, das zwischen 1704 und 1717 erschienene zwölfbändige Werk des Orientalisten Antoine Galland war in Frankreich ein Erfolg sondergleichen gewesen, der freilich seinen Hintergrund in der bereits im späten siebzehnten Jahrhundert von Charles Perrault ausgelösten Mode des Feenmärchens wie der von den Aufklärern gern benutzten Form des "conte oriental" hatte. Auch in Deutschland schien Bedarf an Märchen zu bestehen. So gab Friedrich Emanuel Bierling zwischen 1761 und 1765 in seinem "Cabinet der Feen" neun Bände Übersetzungen französischer Märchen heraus, ohne Sorge haben zu müssen, daß ihm auch "nur ein Exemplar davon zur Makulatur werde". Das wurde verlegerisch zum Vorbild der großen Märchensammlungen der achtziger Jahre, Musäus' "Volksmärchen der Deutschen", Wielands "Dschinnistan" und Friedrich Justin Bertuchs "Die blaue Bibliothek".

Die ausgebliebene Rezeption des Voßschen Werks hat sich auch in der Literaturwissenschaft fortgesetzt. Erst Ernst-Peter Wieckenberg hat es zur Hand genommen, mit der Vorlage verglichen und die "Wirkungsgeschichte, die keine ist" gründlich erforscht. Nach Wieckenberg hätten Voß' Fähigkeiten bei der Übersetzung der Prosatexte wie der eingestreuten Gedichte mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt, aber der Philologe überschätzt seinen Gegenstand nicht und ist sich auch der Diskrepanz zwischen Aufwand und Ergebnis bewußt. Aber gerade in diesem Überschuß an Bemühung um einen vergessenen Text erscheint seine Arbeit als Glanzstückchen philologischer Findelust und literarischen Urteilsvermögens, das die ganze Buntheit des angeblich trockenen achtzehnten Jahrhunderts anschaulich macht. Das Vergnügen, das Wieckenberg bei der Beschäftigung mit beiden Werken hatte, teilt sich dem Leser jedenfalls mit.

Das Vergessen des Textes erklärt Wieckenberg vor allem aus der Dominanz des Griechenkults, den Johann Joachim Winckelmann 1755 mit seiner Aufforderung zu einer erneuerten Nachahmung der griechischen Werke ausgelöst hatte. Die vorklassizistische Literatur sei bei der Beschäftigung mit dem Orientalischen unbefangener und offener gewesen, danach habe sich eine Wertordnung durchgesetzt, in der Homer und die Kunst der Griechen Ursprung und Ideal des schöpferischen Menschen repräsentierten, dem gegenüber "Tausend und eine Nacht" auch in den Augen des Übersetzers selbst "allenfalls noch einen niederen Rang" einnehmen konnte.

Wieckenberg widerspricht hier der in der Forschung gängigen These, es sei im späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert in Deutschland zu einer innigen und dauerhaft nachwirkenden Begegnung von Orient und Okzident gekommen, die eine "besondere Verbundenheit" gerade mit "Tausend und eine Nacht" hergestellt hätte, was sich in den orientalistischen Studien von Herder über die Romantiker und Goethes "Diwan" bis hin zu Hofmannsthals hoher Wertschätzung zeige. Wieckenberg sieht dagegen eine neuhumanistische Voreingenommenheit, die dazu geführt habe, daß die in England und Frankreich verbreitete Ansicht der Gleichrangigkeit der orientalischen und der homerischen Erzählkunst sich in Deutschland nie habe durchsetzen können. Nur vorsichtig deutet Wieckenberg an, daß solche Vorurteile nicht ohne Wirkungen in der Gegenwart geblieben sind. Nur im konjunktivischen "Gedankenspiel" auch will er seine Erinnerung an Johann Heinrich Voß als einen Aufruf zur Verständigung mit der arabischen Welt verstehen.

FRIEDMAR APEL

Ernst-Peter Wieckenberg: "Johann Heinrich Voß und ,Tausend und eine Nacht'". Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2002. 186 S., br., 25,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.01.2003

Scheherezade deutsch
Ernst-Peter Wieckenberg entdeckt Johann Heinrich Voß als Übersetzer der Märchen aus 1001 Nacht
Die „Erzählungen aus den tausendundein Nächten” sind ab 1704 dem westlichen Lesepublikum in zwölf Bänden von dem Pariser Orientalisten Antoine Galland in einer französischen Übersetzung bekannt gemacht worden. Diese Übersetzung hatte einen ungewöhnlichen Erfolg, denn allein bis 1800 mussten zwölf Nachdrucke veranstaltet werden. Die bekannteste deutsche Übersetzung in sechs Bänden stammt von Enno Littmann zwischen 1921 und 1928.
Völlig vergessen ist heute, dass auch Johann Heinrich Voß nach Abschluss der Arbeiten an der ersten Fassung seiner Übersetzung von Homers „Odyssee” zwischen 1781 und 1785 eine sechsbändige deutsche Übersetzung der orientalischen Erzählungen veröffentlichte: „Die tausendundeine Nacht arabische Erzählungen.” Auf den Titelseiten gibt Voß an, dass er aus der französischen Version des „Herrn Anton Galland” übersetzt habe, denn Arabischkenntnisse hatte Voß nicht. Da es „bis heute keinen Essay, geschweige denn ein Buch über diese Veröffentlichung gibt”, hat Ernst-Peter Wieckenberg dies zu seiner Aufgabe gemacht – und er hat sie brillant gelöst. Seine Ausgangsfragen lauten: Warum hat Voß seine Arbeit an der Homer-Übersetzung unterbrochen und warum ist seine Übersetzung von 1001 Nacht nicht nur vergessen, sondern sogar verschwiegen worden von der literarischen Welt wie später von Voß selbst, der 1826 starb?
Wieckenberg hat alles gesammelt, was mit der Übersetzung in einem Zusammenhang gestanden hat (Briefzeugnisse, Rezensionen, Erwähnungen bei anderen Autoren), und so kann er ihre Entstehungsgeschichte genau rekonstruieren. Er vergleicht die Übersetzung dann im Detail mit der französischen Vorlage, um ihre Charakteristika herauszuarbeiten. Und endlich macht er dem Leser plausibel, warum Voß und seine Zeitgenossen von diesem Werk später nichts mehr wissen wollten.
Das Verschweigen hat zu tun mit dem am Ende des achtzehnten Jahrhunderts erstarkten Neuhumanismus von Johann Joachim Winckelmann, für den „die griechische Kunst die höchste Ausprägung menschlicher Kunst und Kultur” war. Nur wer diese nachahmte, war auf der Höhe von Kunst und Zivilisation. Hinzu kam die Abtrennung der klassischen Philologie von dem Alttestamentlichen (und damit dem Orientalischen) durch Friedrich August Wolf. Wer etwas auf sich hielt, wandte sich der klassischen Antike und dem Neuhumanismus zu, das Morgenländische und Orientalische vergaß man lieber.
Nicht den Feenmärchen und den phantastischen Geschichten widmete man sich jetzt, sondern dem reinen Ursprung, der Antike. Wieckenberg vermutet, „daß es gerade ,vorwinckelmannsche Philologie‘ und vorwinckelmannsches Denken waren, die eine unbefangene Beschäftigung mit dem Orient ermöglichten”. (Nicht allein die Übersetzung von Voß wurde vergessen und verschwiegen, sondern auch eine Übersetzung von Johann Gottfried Eichhorn, die er 1782 unter dem Titel „Der Naturmensch”, ein „morgenländischer Roman”, aus dem Arabischen des Ibn Tufail angefertigt hatte.)
Wieckenbergs Untersuchung lebt von spannenden Entdeckungen und ausgebreiteten Details und ist eine aufregende Lektüre. Sie schildert die Wiederentdeckung einer verschütteten Tradition oder auch, um mit Lessing zu reden, eine „Rettung” des Johann Heinrich Voß und des für den Islam begeisterten achtzehnten Jahrhunderts.
Ein kleines Nachspiel hatte die Übersetzung von Voß dennoch: 1809 erschien im Verlag J. W. Schmidt in Berlin ein Buch mit dem Titel: „Tausend und eine Nacht der Gegenwart oder Mährchensammlung im Zeitgewande.” Diese Sammlung, 318 Seiten stark, wird weder von Ernst-Peter Wieckenberg noch von Katharina Mommsen („Goethe und 1001 Nacht”) erwähnt, denn sie findet sich nur in den Altbeständen der Greifswalder Universitätsbibliothek.
Die Kataloge verzeichneten bis zu meiner Recherche am 6. November 2002 als Autor dieses Werkes – Johann Heinrich Voß, was der Titel („Tausend und eine Nacht”) ja auch nahe legt. Am 7. November mussten dann allerdings die Karteikarten geändert werden, denn der Autor heißt zwar Voß, doch vor dem Namen Voß steht im Buch selbst: Julius von. Dieser Julius von Voß hat trotz aller neuhumanistischer Strömungen seiner Zeit die orientalischen Märchen in seine Gegenwart gerettet, auch wenn seine Erzählungen nicht mehr die arabischen Geschichten der 1001 Nacht sind.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
ERNST-PETER WIECKENBERG: Johann Heinrich Voß und „Tausend und eine Nacht”. Johann Heinrich Voß als Übersetzer Antoine Gallands. Königshausen und Neumann, Würzburg 2002. 186 Seiten, 25 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ernst-Peter Wieckenbergs Untersuchung über Johann Heinrich Voß als Übersetzer der Märchen aus 1001 hat Rezensent Friedrich Niewöhner vollauf überzeugt. Als "aufregende Lektüre" preist er Wieckenbergs Untersuchung, die von ihren spannenden Entdeckungen und ausgebreiteten Details lebe. Wie Niewöhner ausführt, geht Wieckenberg der Frage nach, warum Johann Heinrich Voß' Übersetzung von Antoine Gallands französischer Version von "Tausend und eine Nacht" bis heute in Vergessenheit geraten ist. Dem Autor gelingt es nach Ansicht des Rezensenten plausibel zu zeigen, dass dies mit dem Erstarken des Neuhumanismus von Johann Joachim Winckelmann und dessen Begeisterung für das antike Griechenland zu tun hatte. "Wer etwas auf sich hielt", erklärt Niewöhner, "wandte sich der klassischen Antike und dem Neuhumanismus zu, das Morgenländische und Orientalische vergaß man lieber." Dabei sei es für Wieckenberg gerade die "vorwinckelmannsche Philologie" gewesen, die eine unbefangene Beschäftigung mit dem Orient ermöglichte. Wieckenbergs Untersuchung schildert für Niewöhner die "Wiederentdeckung einer verschütteten Tradition oder auch, um mit Lessing zu reden, eine 'Rettung' des Johann Heinrich Voß und des für den Islam begeisterten achtzehnten Jahrhunderts."

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