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Er genießt das Privileg des erfahrensten Regierungschefs Europas im kleinsten Land der Union. Beides versteht Luxemburgs Ministerpräsident und Finanzminister Jean-Claude Juncker zu nutzen, als Instrument für den europäischen Integrationsprozess, in eigener Sache und - wenn nötig - im Kampf gegen die Großen. Wie kein anderer Politiker gestaltet und beeinflusst Juncker seit vielen Jahren europäische Entscheidungsprozesse. Seit 1974 ist der Christdemokrat in der Politik tätig: Als Abgeordneter, Staatssekretär, Minister und seit 1995 als Premier. Im Kreise der EU-Finanzminister setzte er am Beginn…mehr

Produktbeschreibung
Er genießt das Privileg des erfahrensten Regierungschefs Europas im kleinsten Land der Union. Beides versteht Luxemburgs Ministerpräsident und Finanzminister Jean-Claude Juncker zu nutzen, als Instrument für den europäischen Integrationsprozess, in eigener Sache und - wenn nötig - im Kampf gegen die Großen. Wie kein anderer Politiker gestaltet und beeinflusst Juncker seit vielen Jahren europäische Entscheidungsprozesse. Seit 1974 ist der Christdemokrat in der Politik tätig: Als Abgeordneter, Staatssekretär, Minister und seit 1995 als Premier. Im Kreise der EU-Finanzminister setzte er am Beginn der neunziger Jahre wichtige Impulse für die Wirtschafts- und Währungsunion. Im Ringen zwischen Deutschland und Frankreich für einen harten Euro entwarf er beim EU-Gipfel im Dezember 1996 in Dublin den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Er formulierte den Text auf Ersuchen des damaligen deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl, seines großen Förderers. Nicht nur in diesem Fall, als der Euro auf der Kippe stand, fungierte Juncker als Mediator zwischen Berlin und Paris. Staatspräsident Jacques Chirac ernannte ihn dafür zum "Ritter der Ehrenlegion". Der Luxemburger ist überzeugt von der Erweiterung als Friedensprojekt. Skeptiker der EU-Erweiterung nennt er "kleingeistig" und erinnert an die Verdienste der mittel- und osteuropäischen Völker, Planwirtschaft und Kommunismus, friedlich überwunden zu haben. Auch sonst spricht er gerne Klartext. Als die EU-Regierungschefs am 20. März 2003, dem Tag als der Irak-Krieg begann, zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammenkamen und keinen Weg aus der innereuropäischen Krise wussten, resümierte Juncker, in zwanzig Jahren Europapolitik "noch nie so viel Heuchelei und Scheinheiligkeit erlebt zu haben". Anhand der Positionen und Äußerungen Jean-Claude Junckers sowie Interviews mit Weggefährten - u. a. mit Helmut Kohl - zeichnet Margaretha Kopeinig das Bild eines Politikers, der - wie kein anderer - europäische Entwicklungen prägt. Für seine Leidenschaft, seine Vision von Europa gibt es keine Vorbilder - es sei denn seinen Vater, der Stahlarbeiter im Süden Luxemburgs war. Orientierung ist für Juncker stets die Geschichte Europas, die er "nicht vergessen" will.
Autorenporträt
Margaretha Kopeinig, Mag. phil., Dr. phil., geboren 1956, studierte nach Matura in Klagenfurt Politikwissenschaft (Internationale Beziehungen), Geschichte, Soziologie und Pädagogik in Wien, Genf, Bogota, D.E. (Kolumbien). 1992 - 1994 war sie EU-Korrespondentin der Tageszeitung Kurier in Brüssel, kurze Zeit profil-Redakteurin; seit 1995 Redakteurin des Kurier mit dem Schwerpunkt Europa-Berichterstattung. Es gibt von ihr zahlreiche Veröffentlichungen zur Entwicklungs- und Außenpolitik und zur europäische Integration.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.02.2015

Ein Europäer im besten Alter
Optimale Besetzung: Jean-Claude Junckers Erfahrungen und Entscheidungen

Es gab hässliche Aspekte in der Auseinandersetzung um die Bestellung des Kommissionspräsidenten.

Um das Amt des Kommissionspräsidenten musste Jean-Claude Juncker heftig kämpfen. Zunächst stieß er nicht nur auf Gegenliebe, als er im Dezember 2013 seine Kandidatur für die Position des Spitzenkandidaten der EVP bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ankündigte. Beim EVP-Kongress im März 2014 musste er sich einer Kampfabstimmung mit Michel Barnier stellen. Dann war ein aufreibender Wahlkampf quer durch Europa zu absolvieren. Und schließlich musste Juncker den Nervenkrieg gegen den britischen Premierminister David Cameron bestehen, der mit allen Mitteln verhindern wollte, dass der siegreiche Spitzenkandidat tatsächlich mit dem Präsidentenamt betraut wird.

In der Darstellung von Margaretha Kopeinig kann man das noch einmal nachlesen. Die österreichische Journalistin, seit vielen Jahren auf die Europa-Berichterstattung beim "Kurier" spezialisiert, bietet Instant-Zeitgeschichte, die bis zur Vorstellung der von Juncker nominierten Kommissare am 10. September 2014 geht. Dabei wird auch an die hässlichen Aspekte der Auseinandersetzung um die Bestellung des Kommissionspräsidenten erinnert: die Warnungen vor einem angeblichen Alkoholproblem Junckers, die auf eine höchst missverständliche Talkshow-Äußerung seines Nachfolgers als Präsident der Euro-Gruppe Jeroen Dijsselbloem zurückgehen; die Verunglimpfung seines zwangsrekrutierten Vaters als angeblichen Kollaborateur des Naziregimes; die Diffamierung als altersmüder Vertreter eines Europas von gestern, die auch in seriösen deutschen Medien zu finden war.

Kopeinig liefert leider keine Antwort auf die Frage, warum Juncker sich das eigentlich alles antut. Nach 24 Jahren als luxemburgischer Finanz- beziehungsweise Schatzminister, 18 Jahren als Regierungschef, zweimaliger EU-Ratspräsidentschaft und acht Jahren als Vorsitzender der Euro-Gruppe musste sich der 1954 Geborene nichts mehr beweisen. Nach dem Wechsel der luxemburgischen Sozialdemokraten zu einer Koalition mit Liberalen und Grünen im Oktober 2013, der ihn seine Regierungsämter kostete, bot sich ihm auch eine sehr reizvolle Perspektive als Elder Statesman an. Über Junckers persönliche Motive erfährt man hier aber nichts. Bis auf ein nicht sehr ergiebiges Interview zur Euro-Krise bietet der Band kein Hintergrundmaterial.

Man kann daher nur vermuten, dass Junckers Kandidatur für das europäische Spitzenamt auch auf einem schlechten Gewissen beruhte. 2004 hätte er schon einmal Kommissionspräsident werden können - und er hätte es nach dem übereinstimmenden Wunsch aller Regierungschefs und aller großen Fraktionen des Europäischen Parlaments auch werden sollen. Juncker hat das abgelehnt, weil er seinen Wählern versprochen hatte, in Luxemburg zu bleiben; und er hat an dieser Ablehnung auch festgehalten, als er heftig bedrängt wurde. In der Tat wurde er damals dringend gebraucht. Die Episode zeigt, was den Europapolitiker Juncker auszeichnet. Kopeinig zitiert Helmut Kohl, der in seiner Laudatio zur Verleihung des Aachener Karlspreises betonte, dass "Juncker ein Mann ist, der stets tut, was er sagt, und nicht nur in den Tag, sondern auch in die Zukunft sieht. Er hat sein charmantes und freundliches Wesen bewahrt, scheut sich aber nicht vor unangenehmen und deutlichen Worten."

Dass diese Charakterisierung zutrifft, wird in den Rückblicken auf die Euro-Einführung und die Euro-Krise deutlich. Sie zeigen einen Europapolitiker, der insbesondere zwischen französischen und deutschen Sichtweisen zu vermitteln weiß und so immer wieder tragfähige Lösungen entwirft, die auch die notwendigen Mehrheiten finden. Europapolitischer Ehrgeiz und realistische Herangehensweise ergänzen sich bei ihm scheinbar mühelos. Wer immer noch Zweifel hat, ob das Amt des Kommissionspräsidenten mit Jean-Claude Juncker eine optimale Besetzung gefunden hat, wird durch die Lektüre dieses Porträts eines Besseren belehrt.

WILFRIED LOTH

Margaretha Kopeinig: Jean-Claude Juncker. Der Europäer. Czernin Verlag, Wien 2014. 239 S., 24,90 [Euro].

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