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Der Exil-Ungar Ernö Kalmar schlägt sich in den frühen 1920er-Jahren mehr schlecht als recht mit kleinen Gaunereien in Wien durch. Als er die verarmte Baronesse Marianne kennenlernt, die nach dem Tod ihres Vaters plötzlich ganz alleine dasteht, will Ernö den Schiebereien und Betrügereien zunächst abschwören, doch die Gier nach Erfolg und Anerkennung ist größer als seine Liebe. Mit viel Talent und ohne Skrupel wird er in der Inflationszeit zum König der glamourösen Wiener Unterwelt und Gründer einer Bank. Marianne schlägt währenddessen einen eigenen Weg ein und versucht sich zu emanzipieren.…mehr

Produktbeschreibung
Der Exil-Ungar Ernö Kalmar schlägt sich in den frühen 1920er-Jahren mehr schlecht als recht mit kleinen Gaunereien in Wien durch. Als er die verarmte Baronesse Marianne kennenlernt, die nach dem Tod ihres Vaters plötzlich ganz alleine dasteht, will Ernö den Schiebereien und Betrügereien zunächst abschwören, doch die Gier nach Erfolg und Anerkennung ist größer als seine Liebe. Mit viel Talent und ohne Skrupel wird er in der Inflationszeit zum König der glamourösen Wiener Unterwelt und Gründer einer Bank. Marianne schlägt währenddessen einen eigenen Weg ein und versucht sich zu emanzipieren. Doch Ernös Macht scheint inzwischen grenzenlos zu sein ... »Jazz« zeigt die Hyperinflation der 1920er in allen Bereichen: im Geldwert, in der Vergnügungssucht, der Liebe und der Verzweiflung.
Autorenporträt
Felix Dörmann (1870¿1928 in Wien) war Schriftsteller, Librettist und Filmproduzent. Er verfasste eine Reihe von Libretti zu bis heute populären Operetten, etwa 1912 zu »Ein Walzertraum« (zusammen mit Leopold Jacobson) von Oscar Straus. Dörmann zählte aber auch zu den Pionieren der österreichischen Kinogeschichte, gründete die Vindobona-Film und produzierte Filme wie »Die Zirkusgräfin«. Er veröffentlichte zahlreiche Novellen und Gedichte; 1925 erschien sein viel beachteter Roman »Jazz«.
Rezensionen
»Jazz ist ein rasanter, kolportagehafter Stadtroman über Gier, Angst, Inflation und Spekulation, in dem die titelgebende Musik im Hintergrund mitdröhnt.« (Stefan Gmünder, Der Standard)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Auch in Deutschland gab es in den 1920er-Jahren produktive Auseinandersetzungen mit Jazz, weiß Rezensent Jan Wiele, eine davon, nämlich Felix Dörmanns Roman, wird jetzt neu aufgelegt. Der Autor kann eine "abenteuerliche Werkgeschichte" vorweisen, Gedichte und Libretti zählen ebenso dazu wie früher Film, das merkt Wiele auch dem Roman an, den er als Kolportage mit wenig Tiefgang, "dafür viel knalliger Oberfläche" einschätzt. Die Liebesgeschichte zwischen Marianne und Ernö und der Untergang der Vormoderne beschäftigen sich eher indirekt mit Jazz, räumt der Kritiker ein, aber als Metapher für eine krisenhafte, laute, unruhige Zeit taugt der Begriff. Vor allem wenn die Jazzmusik als Aufschrei und Ausdruck der Verzweiflung beschrieben wird, oder, wie Dörmann sie erfährt: als "Cancan der Vernichtung", erlebt der Leser das Aufeinanderprallen von modernen Themen in einem "letztlich antimodernen Roman", resümiert der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.2023

Weltuntergang im Shimmytakt

Grelles Blech, winselnde Geigen, schrille Pfeifen: Felix Dörmanns Roman "Jazz" aus dem Jahr 1925 über Wien in der Krise wird neu aufgelegt.

Die große Literaturgeschichte des Jazz ist noch zu schreiben, und insbesondere in der Frühzeit scheint noch manches (neu) zu entdecken. Man denkt natürlich zuerst an das von F. Scott Fitzgerald ausgerufene "Jazz Age" der Amerikaner, aber auch in Europa und auf Deutsch gab es eine produktive, programmatische Auseinandersetzung mit der neuen Musik in der Literatur. Hans Janowitz veröffentlichte 1927 den Roman "Jazz", René Schickele 1929 den Roman "Symphonie für Jazz" - und nun wird in einem Wiener Kleinverlag Felix Dörmanns ebenfalls schlicht "Jazz" betitelter Roman neu aufgelegt, der sogar schon aus dem Jahr 1925 stammt.

Dörmann hat eine abenteuerliche Werkgeschichte: Geboren 1870, debütierte er 1891 als Dichter ("Neurotica") und verkehrte bald mit Protagonisten der Wiener Moderne wie Bahr, Hofmannsthal und Schnitzler. Karl Kraus sollte später über Dörmann schreiben, dass dieser wohl "gerne ein Wiener Baudelaire geworden wäre und jeden erwürgt hätte, der prophezeien gekommen wäre, dass er bei der Operette enden würde". Tatsächlich schrieb Dörmann nach weiteren Gedichten, Theaterstücken und Romanen vor allem Libretti ("Ein Walzertraum"). Und er wurde, wie das gewitzte und pointierte Nachwort Alexander Kluys zum vorliegenden Buch erhellt, ein Pionier des österreichischen Films, der 1912 eine Produktionsgesellschaft gründete, die sich aber bald schon "selbst mit eindeutigen Erotika wie Badezimmer- und Entkleidungsfilmen nicht mehr halten konnte".

Das Filmische ist auch dem Roman "Jazz" eingeschrieben; er beginnt wie ein Drehbuch: "Ein grauer Novemberabend. Trüb flackern die Lichter durch die schweren Nebel. Die Pflastersteine glänzen feucht." Und dann: "Unsichtbare Lasten liegen schwer auf allen Seelen." Dunkler November der Seele: Man hat den Eindruck, Dörmann zitiere aus Melvilles "Moby-Dick", aber so literarisch avanciert wie dieses Werk ist seines doch nicht: "Jazz" ist ein Kolportageroman, der wenig Tiefe aufweist, dafür viel knallige Oberfläche; die Erzählweise wirkt bisweilen bieder.

Eingeschrieben ist ihm die Trauer über eine verblichene "Welt von gestern", wie sie Stefan Zweig vor seinem Tod noch einmal heraufbeschwor. Das alte Wien vor dem Ersten Weltkrieg wird hier erst mit Wehmut vermisst, dann mit Ressentiment. Der Erzähler dieses Romans trauert nicht nur diesem Wien hinterher, in dem das "Café Imperial" noch "Treffpunkt einer vornehmen Auslese der Wiener Gesellschaft war", sondern er schmäht auch das neue Wien der "Fett- und Marmeladeschieber", bis hin zur aggressiven Fremdenfeindlichkeit: "Wien wird balkanisiert und verzigeunert", konstatiert er.

Der Protagonistin Marianne, Tochter eines verbittert gestorbenen Barons, dem sein Adelstitel aberkannt wurde, hat der Krieg "die Jugend gestohlen", nun aber will sie sich amüsieren. Sie trifft den aus Ungarn geflüchteten Revolutionär Ernö Kalmar - ein wohl sprechender Name für dessen Gier, da er wie mit Krakenarmen nach allem Besitz der Welt greift in einer Zeit der Not. Er wird Gauner, Hehler, Kokain-Dealer und Reporter. In der Baronesse Marianne erkennt er ein "Prachtweib", das er erobern will. Sie widerstrebt kurz, ist aber bald "an ihn verloren". Hat auch keine Wahl, denn im Wien der Inflation geht es ums Überleben. Marianne wird Tänzerin im Ronacher-Varieté, Ernö steigt zum erfolgreichen Spekulanten und Bankier auf. Aber es endet bös mit den beiden. Er wird sie schlagen und anschreien: "Bestie, du wirst tanzen." Und das ist noch nicht das Schlimmste in dieser Geschichte der Krisen und Crashs.

Dass der Roman sich eingehend mit Jazz beschäftige, kann man nicht behaupten. Aber er macht diesen doch zu seiner zentralen Metapher. Als Marianne ihren ersten großen Erfolg auf der Bühne feiert, heißt es: "Ein Blutrausch war es - ein Tanz der Besessenheit, von einer unheimlichen, aufpeitschenden Großartigkeit, der an den Nerven zerrte und die Herzen zertrat. Die Größe und das Grauen der Zeit lag in diesem Tanz. Die Verzweiflung und die grelle Lustigkeit der Verzweiflung im Shimmytakt getanzt. Grelles Blech, winselnde Geigen, schrille Pfeifen - alles war zusammengefaßt zu einem Cancan der Vernichtung - zu einer Jazzband der Verzweiflung, die mit ihrem eigenen Elend Schindluder treibt. Stimmung der Zeit! Terror!"

Ohne Vertun wird Jazz hier (so wie im Englischen umgangssprachlich) gleichgesetzt mit Chaos, Niedergang, gar Terror. Einmal ist von der "unvermeidlichen Jazzband" die Rede, dann heißt es: "Das Salonorchester wird von der Jazzband überschrien und zum Schweigen gebracht." Jazz ist das Synonym für die Moderne in einem letztlich antimodernen Roman. Marianne ist am Ende des modernen Lebens überdrüssig und folgert: "Es hat sich ausgejazzt." JAN WIELE

Felix Dörmann: "Jazz". Roman.

Mit Anmerkungen und einem Nachwort von

Alexander Kluy. Edition Atelier, Wien 2023. 288 S., geb. 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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