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Als die Fotografie im 19. Jahrhundert auf den Plan tritt, die Träume verfrorener Nordlichter von Italien als, je nach Perspektive, unsterbliches Kunstland der wiederentdeckten Antike oder glückselige Naturlandschaft zu bebildern, und den Vedutenmaler und das eigene Skizzenbuch ablöst, ist Italien noch ein Agrarstaat. Erst 1861 nach einer Reihe von Aufständen und Kriegen aus einem Patchwork von Fürstentümern und Kleinstaaten zur Nation vereint, tut sich das Land schwer mit der Industrialisierung, die sich weitgehend auf den Großraum Mailand, Turin, Genua beschränkt. Von 30 Millionen Einwohnern…mehr

Produktbeschreibung
Als die Fotografie im 19. Jahrhundert auf den Plan tritt, die Träume verfrorener Nordlichter von Italien als, je nach Perspektive, unsterbliches Kunstland der wiederentdeckten Antike oder glückselige Naturlandschaft zu bebildern, und den Vedutenmaler und das eigene Skizzenbuch ablöst, ist Italien noch ein Agrarstaat. Erst 1861 nach einer Reihe von Aufständen und Kriegen aus einem Patchwork von Fürstentümern und Kleinstaaten zur Nation vereint, tut sich das Land schwer mit der Industrialisierung, die sich weitgehend auf den Großraum Mailand, Turin, Genua beschränkt. Von 30 Millionen Einwohnern sind 1880 etwa gerade einmal 400.000 Industriearbeiter.Die zahlreichen Reisenden aus Frankreich, England, Deutschland oder den USA - der Massentourismus steht gerade im Begriff, das Erbe von Grand Tour und Romantik anzutreten - treffen auf eine Bevölkerung, die noch weitgehend im jahrhundertealten Traditionalismus befangen ist, auf scheinbar unberührte Landschaften wie den malerischen Lago Maggiore mit seiner eindrucksvollen Bergkulisse, die ligurische Küste oder die einsame Campagna und Städte, Venedig, Florenz, Bologna, Mailand, Rom, die seltsam entrückt und traumverloren leer wirken.Wie Reiseberichte aus vergangenen Jahrhunderten laden auch die Aufnahmen in diesem Band zu einer Entdeckungsfahrt durch die Zeit ein. Sie folgen der klassischen Besichtigungsroute kunstbeflissener Italienfahrer_innen, nehmen aber auch die soziale Wirklichkeit im Schatten der Monumente und Sehenswürdigkeiten in den Blick. Ein historisches Panorama, das nicht nur erklärte Italienfans fesseln wird.
Autorenporträt
Giovanni Fanelli ist Professor für Architekturgeschichte an der Universität Florenz und Autor zahlreicher Bücher zu architekturhistorischen und stadtgeschichtlichen Themen sowie zur Kunst der Graphik und der Fotografie, die in mehrer Sprachen übersetzt wurden. Er war wissenschaftlicher Leiter der Fondazione Ragghianti in Lucca und ist Herausgeber mehrerer Buchreihen des römischen Verlags Laterza.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.09.2018

REISEBUCH
Der italienische Teint
Unser Bild des Landes ist eine Erfindung der Fotografie
VON STEFAN FISCHER
Wollte man beklagen, dass die Flut der Bilder das Reisen unsinnig macht, weil wir nur noch sehen, was wir ohnehin bereits kennen: Man wüsste weit ausholen in der Geschichte. Denn schon vor mehr als einhundert Jahren, die Fotografie war kaum erfunden, gab es eine Allgegenwart der Bilder, die jede Unvoreingenommenheit beim Reisen von vornherein ausgeschlossen hat.
Jedenfalls gilt das für Italien, wie der großformatige, fulminante Band „Italy around 1900“ belegt, den Giovanni Fanelli, Marc Walter und Sabine Arqué im Taschen Verlag herausgegeben haben. Er zeigt, begleitet von Erklärungen in Englisch, Deutsch und Französisch, eine umfangreiche Auswahl sogenannter Photocrome des Zürcher Photoglob Verlags. Dieser Verlag hat ein gutes Geschäft gemacht mit Bildnissen touristischer Ziele, die er in verschiedenen Formaten und auch auf Postkarten verkauft hat. Es sind Darstellungen, so heißt es in der Einleitung, für „den Touristen des Fin de Siècle, der im Bild bestätigt sehen will, was er schon kennt und was Reiseführer, Prospekte und Fotografien vor seinem inneren Augen haben entstehen lassen“.
Fotografien waren seinerzeit noch Schwarz-Weiß. Im Photocrome-Verfahren ist aus einem Schwarz-Weiß-Negativ in einem aufwendigen Verfahren ein farbiges Bild entwickelt worden, durch die Belichtung mehrerer lithografischer Platten mit den im jeweils gewünschten, transparenten Ton eingefärbten Partien des Motivs. Auch waren Retuschen möglich, so konnten Boote auf Seen verschoben werden und am Tag gemachte Aufnahmen zu Mondschein-Szenerien umgewandelt werden. Auch bekam jede Stadt ihren eigenen Teint – Venedig etwa einen lachsfarbenen. Der Katalog von Photoglob hat 1911 rund 800 Motive nur aus Italien umfasst.
Sehr viele davon, einschließlich solcher aus Gebieten, die vor dem Ersten Weltkrieg noch zum Habsburgerreich gehört haben, sind in diesem sorgsam gestalteten Band zu sehen. Er zeigt, das muss einem beim Betrachten klar sein, kein realistisches Bild von Italien um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Sondern ein Panoptikum touristischer Attraktionen. Eine Sozialgeschichte des Landes lässt sich mit diesen Photocromen nicht erzählen, sie zeigen kaum einmal Alltagsszenen. Wenn, dann eher sogenannte Genreszenen, denen also das für fremde Augen Inszenierte bereits eingeschrieben ist.
Einen Eindruck bekommt man unterdessen von Stadt- und Naturlandschaften. Denn einerseits wurden nicht nur besondere Gebäude zu beliebten Motiven, sondern ganze Straßenzüge sowie urbane Panoramen. Und speziell die heute norditalienischen Landschaften, die vergleichsweise stark bereist worden sind (anders als der Süden Italiens), wurden fantasievoll farbig in Szene gesetzt. Wobei die Fotografen sich damals bereits in hochalpines Gelände vorgewagt haben. Technische Neuerungen sind nur dann von Interesse, wenn sie den Tourismus betreffen, etwa die Zahnradbahnen.
Die Orte haben sich verändert. Aber es sind dieselben Orte, die wir heute noch bevorzugt bereisen. Insofern führt einem der Band deutlich vor Augen, dass wir uns tatsächlich vor allem für das begeistern, was uns vertraut ist.
Giovanni Fanelli, Marc Walter, Sabine Arqué: Italy around 1900 – A Portrait in Color. Italien um 1900 – Ein Porträt in Farbe. L’Italie vers 1900 – Portrait en Couleurs. Dreisprachige Ausgabe: Englisch, Deutsch, Französisch. Taschen Verlag, Köln 2018. 580 Seiten, 150 Euro.
Schon vor hundert Jahren beliebt bei ausländischen Touristen:
die Gassen von Genua, Gardone Riviera am Gardasee sowie das bodenständige, vermeintlich einfache Leben in Italien.
Fotos: Marc Walter Collection / Taschen Verlag
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Die opulente Auswahl der Abbildungen wird in perfekter Druckqualitat vom TASCHEN Verlag in Italien 1900 prasentiert. Giovanni Fanelli erlautert die Motive kenntnisreich. Der Band ist ein asthetisches Vergnügen, denn die so großartig wieder veroffentlichten Photochrome haben nichts von ihrer Wirkung verloren. Natürlich ist der Prachtband nicht nur ein wertvolles Dokument, sondern auch eine Entdeckungsfahrt." Die Presse