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Die ältliche Lehrerin Anna Levay fristet ein bescheidenes Leben in einer ungarischen Kleinstadt; eines Abends stellt sie fest, dass sie einen Heiligenschein bekommen hat. Entsetzt versucht die Atheistin, die seltsame Erscheinung zu verdrängen. Doch er bleibt, ungeachtet ihrer Bemühungnen. Nur gut, dass niemand ihn zu sehen scheint! Anna richtet sich mit ihrer Gloriole ein, bis sie bemerkt, dass sie übernatürliche Kräfte besitzt, die auch ihren Mitmenschen nicht verborgen bleiben. Als schließlich auch noch eine Heilquelle entspringt, gerät die Stadt vollends aus den Fugen ...

Produktbeschreibung
Die ältliche Lehrerin Anna Levay fristet ein bescheidenes Leben in einer ungarischen Kleinstadt; eines Abends stellt sie fest, dass sie einen Heiligenschein bekommen hat. Entsetzt versucht die Atheistin, die seltsame Erscheinung zu verdrängen. Doch er bleibt, ungeachtet ihrer Bemühungnen. Nur gut, dass niemand ihn zu sehen scheint! Anna richtet sich mit ihrer Gloriole ein, bis sie bemerkt, dass sie übernatürliche Kräfte besitzt, die auch ihren Mitmenschen nicht verborgen bleiben. Als schließlich auch noch eine Heilquelle entspringt, gerät die Stadt vollends aus den Fugen ...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2002

Kein Segen, so ein Heiligenschein!
Ágota Bozai schickt Gnade durch die Wasserleitung

Vielleicht war es "irgendein sonderbarer Lichtbrechungsfehler", womöglich handelt es sich aber auch nur um eine besonders massive Seifenblase, schließlich hat Anna Lévay soeben ein ausgiebiges Schaumbad genossen. Doch auch nach dem Abtrocknen will die bizarre Lichterscheinung über ihrem Kopf einfach nicht verschwinden. Die verwitwete Dorflehrerin muß sich damit abfinden, daß sie auf einmal einen Heiligenschein trägt, dessen grelles Licht ihren Schlaf empfindlich stört. Ihre Sorge gilt aber auch den Nachbarn: Wie soll sie denen die mysteriöse Erscheinung erklären?

Glücklicherweise zeigt sich bald, daß ihre Gloriole nur von Menschen wahrgenommen werden kann, die noch keine Todsünde begangen haben. Babys und Tiere reagieren als einzige auf das Zeichen göttlichen Segens. Die Anziehungskraft allerdings, die Anna Lévay ausstrahlt, erweist sich als überaus lästig: Fremde Kinder wühlen in ihrem Haar, Hunde und Katzen hängen sich an ihre Fersen, Möwen umschwärmen ihr geweihtes Haupt. Als sich dann auch noch ein Schwan bemüht, seinen Kopf zwischen Annas Schenkel zu bohren, wird sie "bei dem Gedanken an den Schwan, in dessen Federn sich Zeus versteckt hatte, um Leda zu befruchten", reichlich nervös. Nicht ganz zu Unrecht: Am nächsten Morgen ist, "wie einst zu Sarah, die weibliche Natur zu Anna Lévay zurückgekehrt", die immerhin kurz vor der Pensionierung steht.

Die Heldin der ungarischen Autorin Ágota Bozai war bis zu ihrer Heiligsprechung eine einfache ältere Frau, die immer überzeugt war, Atheistin zu sein. Unscheinbar ist sie, ein wenig übergewichtig, eher praktisch gekleidet, und voller Grimm den Männern gegenüber. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus kann die Nostalgikerin mit den gewonnenen Freiheiten nichts anfangen, auch weil es ihr finanziell schlechter geht als zuvor.

So zeichnet Bozais Vita einer Heiligen wider Willen auch ein Bild der postkommunistischen Gesellschaft Ungarns, zumal ihre Kritik an der Konsumwelt "durch das Leben selbst" inspiriert sei, wie die Autorin sagt. Allerdings schlägt Bozai, wenn sie von den Übeln der neuen Zeit berichtet, immer wieder einen unangenehm belehrenden Ton an - allzuoft beklagt Bozai die "finanziell orientierte" Gesellschaft, in der "das Maß für den Wert eines Menschen der Besitz bestimmter Statussymbole und die Inanspruchnahme gewisser Dienstleistungen" ist. Dabei ist der 1965 geborenen Autorin die Gratwanderung zwischen Realität und aberwitziger Groteske erstaunlich gut gelungen. Der Gefahr, das Erzählte ins Lächerliche zu verkehren, entzieht sich Bozai geschickt. Zeitweilig droht gar ihre Phantasie die Wirklichkeit völlig zu überlagern, denn die Fiktionen der Autorin erweisen sich als reizvoll und ansteckend.

So spricht die Lehrerin urplötzlich alle Sprachen der Welt, übersteht einen schweren Autounfall vollkommen unbeschadet und erlebt staunend, wie sich Wasser zu Wein wandelt. Als sie ihren Kopf minutenlang unter den eiskalten Wasserhahn hält, dringt die Gnade gar in das Leitungssystem des kleinen Dörfchens und findet ihren Weg in jedes Haus. Nierensteine verschwinden, eine Dame, die ihrem Ehemann gerade ein Sodawasser zubereitet hatte, erfährt am Abend "eine nie gekannte Potenz ihres Mannes", jahrzehntelange Migräne verschwindet, Rheuma ist wie weggeblasen, pickelige Haut wird makellos rein, selbst Krebszellen sterben ab.

Kein Wunder, daß der kleine Ort bald das große Geschäft wittert. Wie die konsumkritische heilige Anna dies allerdings durchkreuzt, ist die eigentliche Pointe des Romans.

CHRISTINA ZINK.

Ágota Bozai: "Irren ist göttlich". Roman. Aus dem Ungarischen übersetzt von Christina Kunze. Kremayr & Scheriau, Wien 2001. 282 S., geb., 19,- [Euro].

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