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An illustrated history of propaganda art and design from Nazi Germany, Fascist Italy, the USSR, and Communist China.

Produktbeschreibung
An illustrated history of propaganda art and design from Nazi Germany, Fascist Italy, the USSR, and Communist China.
Autorenporträt
Steven Heller is a Senior Art Director at the New York Times and co-chair of the MFA/Design Program at the School of Visual Arts in New York. A respected authority in the design world, he has written and coauthored numerous publications, include Merz to Emigré and Beyond, also published by Phaidon.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2008

Guter Onkel, böses Monster
Der Bildband „Eiserne Fäuste” zeigt, wie sich die Diktatoren des 20. Jahrhunderts selbst vermarktet haben
Walter Benjamin schrieb einmal, der Faschismus laufe letzten Endes „auf eine Ästhetisierung des politischen Lebens hinaus.” Steven Heller, amerikanischer Kunsthistoriker und ehemaliger Art Director der New York Times, hat diesen Satz auf andere totalitäre System des 20. Jahrhunderts ausgeweitet und zeigt in einem großartigen Bildband, wie stark die ästhetischen Inszenierungen großer Diktaturen modernen Werbekampagnen ähneln. „Iron Fists: Branding the 20th Century totalitarian state” führt vor Augen, wie all die totalitären Systeme sich selbst als Brand verkauften, als totale Marke, mit Logos und Trademarks, symbolischen Narrativen und der Volksmasse als beliebig formbarem Ornament. Dabei geht es Heller nicht darum, auf Pop-Ebene totalitäre Inszenierungen und harmlos neutrales Product Placement miteinander zu vergleichen und so zu nivellieren. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Indem er aufzeigt, dass „das Design und die Marketingmethoden, die benutzt werden um die Menschen ideologisch zu indoktrinieren und um sie zum Konsum zu bewegen, grundlegende Ähnlichkeiten aufweisen”, wird einem die Werbeindustrie nicht gerade sympathischer.
Alle modernen Diktaturen haben ihr zentrales Markenzeichen, sei es das Rutenbündel, das Hakenkreuz, Hammer und Sichel oder der Stern. Zugleich sind sie extrem personenbezogen. Lenin, Hitler, Mussolini und Mao wirkten selbst daran mit, dass sie von ihren Propagandaabteilungen mit geradezu comicartigen Wiedererkennungsmarken versehen werden: Lenins Ziegenbart, Mussolinis Glatze, Maos Mona-Lisa-Lächeln machten aus realen Körpern übermenschliche Ikonen und wirkten zugleich als trade characters des Regimes, gaben sie doch, so Heller, „einem unbeseelten oder gar unmenschlichen Produkt ein menschliches Gesicht.” Hitler ging sogar so weit, dass er sein Bild schützen ließ wie ein eingetragenes Markenzeichen: Der private Vertrieb von Hitlerdevotionalien war verboten, Hitlers Hofphotograph Heinrich Hoffmann hatte das Monopol an den Bildrechten – und die Gewinne gingen direkt an Hitler selbst.
Das Land schwimmt in Rot
Mao dürfte, alleine schon, weil er sich so lange am Ruder hielt, das am öftesten gezeichnete Gesicht der Weltgeschichte sein. Von all den Monstern des 20. Jahrhunderts sieht er mit Abstand am arglosesten aus, mit seinem mondrunden Gesicht, der knubbeligen Kinnwarze und dem leisen Lächeln erinnert er eher an einen freundlichen Onkel als an Big Brother. Um die Illusion vom volksnahen Übervater zu wahren, zeigte er sich nie mit Medaillen oder anderen Ehrenabzeichen und trug auf den meisten Bildern Arbeiterjacke oder Uniform.
Nachdem sein „Großer Sprung nach vorne”, durch den er China quasi über Nacht in eine wirtschaftlichen Großmacht verwandeln wollte, zur größten von Menschen ausgelösten Hungersnot der Geschichte führte, zog er sich geschickt für einige Zeit zurück und entledigte sich so der Verantwortung für dieses Desaster. Seine Rückkehr inszenierte er dann als großes Sportevent: Am 16. Juli 1966 schwamm er durch den Jangtse und erfand sich mit der Kulturrevolution, mittels derer er sich der Loyalität der jüngeren Generationen versicherte und all seine Gegner fortfegte, quasi neu.
Während der Kulturrevolution wurden die Anstecker mit seinem Konterfei beliebt. Lin Biao, Maos Imageberater, sorgte dafür, dass Mitte 1966, als die Kulturrevolution losbrach, diese Badges millionenfach verteilt wurden. Jeder trug Mao am Revers. Gleichzeitig ließ Biao jedem Chinesen „Das kleine Rote Buch”, die Maofibel zukommen. Dieses Buch wurde zu einem optischen Signet auch der westlichen Studentenunruhen: In Jean-Luc Godards „La Chinoise” verschanzen sich Studenten hinter einer Mauer aus roten Maobibeln. 1969, auf dem Höhepunkt der Kulturrevolution, schrieb das Parteibüro begeistert, „das ganze Land schwimmt in Rot”, ein Satz, den man auch als unfreiwilligen Kommentar zu den grausamen Massakern während dieser Jahre lesen kann. In jenem Jahr machte ein treuer Apparatschik auch den Vorschlag, dass in Peking der Straßenverkehr bei Grün stehenbleibe und bei Rot fahre, schließlich heiße die Hymne doch „Der Osten ist rot”.
Mao sah sich – ähnlich übrigens wie Hitler und ja auch der Kitschautor Mussolini – selbst als Künstler und wirkte an der Ästhetik seiner eigenen Inszenierung mit. Während er die meisten Kunstformen als bourgeois-imperialistische Ausdrucksformen verachtete, förderte er die chinesische Kalligraphie, was kein Wunder ist, schließlich war er sehr stolz auf seine eigenen kalligraphischen Fähigkeiten. Seine Schriftzeichen wurden tausendfach kopiert und auf Armbänder der Roten Garden gedruckt.
Bauern auf Weltraumraketen
Vielleicht die groteskeste Ausformung der chinesischen Propaganda waren die kleinen Keramikstatuen, mit denen das Land überschwemmt wurde. Heller zeigt glückliche Bauern und Studenten, die auf Weltraumraketen sitzen, kleine Parteisoldaten mit Maofibel, lächelnde Bäuerinnen. Besonders beliebt war Mao im Bademantel, umringt von Soldaten und Kindern, eine symbolische Darstellung seiner erneuten Machtergreifung 1966.
Diese Statuen zeigen, warum sich in allen Diktaturen der Kitsch so gerne einnistet: Wie aller Kitsch sind sie leicht reproduzierbar; im Gegensatz zum Kunstwerk, das Spielraum für Interpretation zulässt, sind sie nicht auslegbar; und sie wiederholen immer nur, was dem Betrachter bereits geläufig ist. Wie sagte doch Mao Zedong anno 1942: „Die Kunst hat nur einen Zweck: der Revolution zu dienen.” ALEX RÜHLE
STEPHEN HELLER: Iron fists: Branding the 20th Century totalitarian state. Phaidon Verlag, Berlin, 2008. 223 Seiten, 75 Euro. www.phaidon.com
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