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Im "Ballroom of Romance" treffen sich samstags die "älteren Mädchen", trauern um ihre verpaßten Heiratschancen und flirten mit den übriggebliebenen Junggesellen, "die bereits mit Bier, Whisky und Faulheit liiert sind". Der 15jährige John Joe ist Einzelgänger, phantasiert von erotischen Erlebnissen mit reifen Frauen und will auf niemanden hören. Teresa heiratet Artie, von dem sie schwanger ist; der Pfarrer hat sie zur Pflichtehe getrieben. Mr. Hagerty tauscht seine Tochter als Dienstmädchen gegen einen Knecht, um seinen Hof zu vergrößern. Professor Flacks blamiert sich auf einem…mehr

Produktbeschreibung
Im "Ballroom of Romance" treffen sich samstags die "älteren Mädchen", trauern um ihre verpaßten Heiratschancen und flirten mit den übriggebliebenen Junggesellen, "die bereits mit Bier, Whisky und Faulheit liiert sind". Der 15jährige John Joe ist Einzelgänger, phantasiert von erotischen Erlebnissen mit reifen Frauen und will auf niemanden hören. Teresa heiratet Artie, von dem sie schwanger ist; der Pfarrer hat sie zur Pflichtehe getrieben. Mr. Hagerty tauscht seine Tochter als Dienstmädchen gegen einen Knecht, um seinen Hof zu vergrößern. Professor Flacks blamiert sich auf einem James-Joyce-Symposion, weil ein Student ihn hereingelegt hat. Und ein Privatdetektiv erzählt seine einsame Kindheit in Südirland. Aus dem Hauptwerk Trevors wurden die besten Erzählungen zum Thema Irland ausgewählt. Mit literarischer Meisterschaft ergibt dies ein anrührendes Bild vom alltäglichen Leben, von Menschen und Landschaften.
Autorenporträt
William Trevor, geboren 1928, verbrachte seine Kindheit im ländlichen Irland. Er besuchte das Trinity College in Dublin und ist Mitglied der Irish Academy of Letters. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. So erhielt er 1999 den 'David Cohen British Literature Prize' für sein Gesamtwerk und 2008 den 'Bob Hughes Lifetime Award'. William Trevor verstarb 2016.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.1998

Der Speckstreifen im Tanzsaal
Alles schon vergeben: William Trevor erzählt aus Irland

Im Tanzsaal der Sehnsucht steht die Zeit ebenso still wie auf der Terrasse des Hôtel Les Galets in Bandol. Seit über vierzig Jahren verbringt Mr. Angusthorpe seine Angelferien im Sommer in einem Dorf der Grafschaft Galway, und seit dreißig Jahren trinkt Mr. Heffernan am frühen Abend bei Toner's in Dublin sein Glas Paddy. Die Menschen in den Kurzgeschichten von William Trevor haben feste Gewohnheiten und viel Zeit, ihnen nachzugehen. Fast unheimlich muten dann die präzisen Zeitangaben in manchen seiner Erzählungen an. Warum ist es wichtig, daß es "im Sommer 1968" war, als Mr. Angusthorpe vom Tod des ihm so liebgewordenen alten Hotelinhabers erfuhr? Was bedeutet es, daß Kanonikus O'Connell ausgerechnet 1953 sich bereit erklärt hatte, für Bridies Vater, nachdem ihm ein Bein amputiert worden war, einen regelmäßigen Hausgottesdienst abzuhalten?

Für die Leute in Drumgawnie - oder wie Trevors irische Dörfer sonst noch heißen - war 1953, wie 1959 oder 1968, natürlich "ein x-beliebiges Jahr". Das irische Jahr, wie Trevor es beschreibt, hat 365 Alltage. Nicht etwa Joycesche "Welt-Alltage", sondern Alltage weit weg von der Welt, in denen für späte Mädchen wie Bridie nur die Hausgottesdienste des Kanonikus, das wöchentliche Tanzvergnügen und die monatliche Einkaufstour in die nächste Kleinstadt die zähe Zeit ein wenig auflockern.

Die Menschen in diesen Geschichten haben viel zuviel Zeit. Das irische Landleben der vierziger, fünfziger und sechziger Jahre war, wenn man Trevor glauben will, von deprimierender Langeweile. Nicht nur von ferne erinnert es an Tschechows Rußland. Gewiß, im Tanzsaal der Sehnsucht spielt am Samtagabend die "Romantic Jazz Band" den "Destiny Waltz", nur gibt es dazu nichts zu trinken. Leider sind auch Jazz, Swing, Rock 'n' Roll und Twist unerwünscht, und die sogenannte Jazzband setzt sich aus "drei Männern mittleren Alters" zusammen, "die ansonsten bei der Fleischkonservenfabrik, bei der Stromgesellschaft und beim Grafschaftsrat beschäftigt waren". Wer wie Bridie im Tanzsaal den Mann fürs Leben zu finden hofft, muß feststellen, daß die wenigen verfügbaren Junggesellen auch schon vergeben sind: nämlich an "Stout, Whisky und Faulheit".

John Joe Dempsey, der Held der gleichnamigen Erzählung, wird an seinem fünfzehnten Geburtstag von der Mutter zum Speckkaufen geschickt. Im Lebensmittelgeschäft trifft er Mr. Lynch, der ihm die erste Flasche Stout spendiert und ihm dann von den "Nutten am Piccadilly Circus" erzählt. Und das ist auch fast schon die ganze Geschichte. John Joe Dempsey trinkt noch zwei Stout und findet irgendwann mitsamt den Speckstreifen den Weg nach Hause. Die Mutter hat schon gewartet, um ihm zum Geburtstag den Füller des toten Vaters zu schenken und John Joe das Versprechen abzunehmen, künftig "nicht mehr mit einem ältlichen Geistesschwachen herumzulaufen und Elritzen mit einem Marmeladenglas zu fangen. Das mindere seine Chancen im Sägewerk." Man ahnt: Auch aus John Joe Dempsey wird ein irischer Junggeselle werden.

William Trevor ist ein behutsamer und mitfühlender Beobachter dieser leise-traurigen Begebenheiten und ihrer Nachwirkungen im Leben der Sägewerker, Dienstmädchen und ewigen Studenten. Er hat für seine Erzählungen die Tonart Moll nicht "gewählt". Die Verhältnisse, die er schildert, lassen keine andere Tonart zu. In ihnen ist der Dreiklang von Katholizismus, Patriarchat und Alkohol absolut beherrschend. Überraschungen sind demnach nicht zu erwarten, weder von Trevors Erzählweise noch von den Taten und Gedanken seiner Figuren. Fast ist man froh, daß inzwischen wohl auch in Drumgawnie die Moderne angekommen ist und wenigstens den Kindern von Trevors Figuren aus dem Tanzsaal der Sehnsucht einen Weg ins Freie zu bieten hat. CHRISTOPH BARTMANN

William Trevor: "Irischer Tanzsaal. Von Kavalieren, Strohwitwen und John Joe Dempsey". Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Gunkel. Rotbuch Verlag, Hamburg 1998, 210 S., geb., 32,- DM.

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