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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2010

Hamburger Globalisierung
Der Klappentext des fein bebilderten und gut zu lesenden Buches geizt nicht mit Superlativen: Hamburg sei im Gegensatz etwa zu Karthago oder Venedig ein „ständiger Gewinner” der Globalisierung und nach wie vor „on top”. Überhaupt halte man eine Stadtgeschichte Hamburgs in Händen, die „ihresgleichen sucht”. Die Idee, die Geschichte der Globalisierung und die Geschichte Hamburgs zu verknüpfen und nach dem besonderen Erfolgsrezept der Hansestadt zu fragen, ist gut. Allerdings laufen die beiden Erzählstränge mitunter doch recht unverbunden nebeneinander her.
Wolfgang Michalski, ehemals Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und später 20 Jahre lang Leiter des Planungsstabs der OECD, lässt die Geschichte der Globalisierung bei den Phöniziern beginnen, also zwischen dem neunten und sechsten Jahrhundert v. Chr. Es folgen die Hellenisierung, der „Roman way of life”, die Vorherrschaft der Mittelmeerstädte Venedig und Genua, in Nordeuropa die Wikinger, danach die Hanse. Eine neue Qualität des Handels macht Michalski an der europäischen Expansion nach Übersee fest: In zunehmendem Maße umspannte der Globalisierungsprozess seither über mehrere Stadien „die ganze Welt”. Ist es jedoch sinnvoll, den Globalisierungsbegriff so weit zu fassen? Die Unterschiede zwischen der Globalisierung, wie wir sie seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts erleben, und früheren Phasen regionaler wirtschaftlicher Verflechtung geraten dabei leicht aus dem Blick. Michalski erwähnt mit der Institutionalisierung internationaler Strukturen selbst ein Beispiel für grundlegende Veränderungen, die den Gebrauch des Begriffs für Entwicklungen in der Antike problematisch erscheinen lassen.
Diese informative Geschichte der Globalisierung liefert den Hintergrund und den Rahmen für die Wirtschaftsgeschichte Hamburgs, die wiederholt um politik-, sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte erweitert wird. Michalski bringt viele Zahlen und Fakten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Hansestadt, bietet aber im Grunde wenig Neues und blendet mit dem Dritten Reich ausgerechnet jene Phase der Stadtgeschichte weitgehend aus, die in jüngster Zeit intensiv erforscht wurde. Ein weiteres Defizit ist, dass man nur selten erfährt, wer warum wie entschied. Meist handeln nur Gremien wie „der Senat” oder „die Bürgerschaft”. Eine der wenigen Ausnahmen ist Wirtschaftssenator Helmuth Kern, der 1970 ein Entwicklungskonzept für die Region Unterelbe vorlegte. Globalisierung ist jedoch kein Prozess, der sich ausschließlich „hinter dem Rücken” der Politiker, Kaufleute oder Gewerkschafter vollzieht. Ob eine Region zu den Gewinnern gehört, hängt auch von deren Entscheidungen ab.
Es ist eine Stärke des Buches, dass Michalski in der Einleitung differenzierte Überlegungen zu den allgemeinen Ursachen für Erfolg oder Misserfolg im Globalisierungsprozess anstellt. Man hätte sich jedoch eine stärkere Konkretisierung und Personalisierung gewünscht. Damit wäre Michalski seinem im Titel des Buches formulierten Anspruch auch besser gerecht geworden. Schließlich, und das stört wirklich, verfällt der Autor mitunter in einen Jargon, der besser in eine Werbebroschüre passen würde: Hamburg „pulsiert”, ist die „Welthauptstadt der Containerschifffahrt”, „verfügt über mehr Brücken als Venedig oder Amsterdam” und so weiter und so fort. Früher hoben sich „der Hamburger” und „die Hamburgerin” gerade durch ihr Understatement wohltuend von den Bewohnern südlicherer Metropolen der Bundesrepublik ab. Schade, dass diese Zeiten anscheinend vorbei sind. Werner Bührer
Wolfgang Michalski: Hamburg. Erfolge und Erfahrungen in der globalisierten Welt. Murmann Verlag, Hamburg 2010. 510 Seiten. 36 Euro.
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