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"Gewaltig ist der Blitz in die Dorfkirche gefahren, hat Mauern gespalten und die alten Wandbilder freigelegt. Festliche Gestalten, gekleidet wie Königinnen, enthüllen sich dem Mädchen mit den Zöpfen, das dort Schutz gesucht hat. Aus dem Mädchen wird Rosa, von ihr erzählt das Buch. Von ihrem Mann Cholo, der nachts über sie steigt; von Spiderman, dem Verehrer, der aus New York zurückgekehrt ist; von ihrem einfältigen Bruder Simón, der auf dem von ihm gezähmten Wildpferd erst die drei sagenhaften Ringe durchqueren muß, bevor er bei der molligen Beatriz wieder vorsprechen darf. Und von Misia aus…mehr

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Produktbeschreibung
"Gewaltig ist der Blitz in die Dorfkirche gefahren, hat Mauern gespalten und die alten Wandbilder freigelegt. Festliche Gestalten, gekleidet wie Königinnen, enthüllen sich dem Mädchen mit den Zöpfen, das dort Schutz gesucht hat. Aus dem Mädchen wird Rosa, von ihr erzählt das Buch. Von ihrem Mann Cholo, der nachts über sie steigt; von Spiderman, dem Verehrer, der aus New York zurückgekehrt ist; von ihrem einfältigen Bruder Simón, der auf dem von ihm gezähmten Wildpferd erst die drei sagenhaften Ringe durchqueren muß, bevor er bei der molligen Beatriz wieder vorsprechen darf. Und von Misia aus dem Herrenhaus und ihrer eigentümlichen Freundschaft mit Rosa. In den Alltag der Menschen dringen die bodenständigen Fabelwesen Galiciens mit Selbstverständlichkeit ein. Die Wände scheinen durchlässig für alte Geschichten, die Toten sind nicht tot hier, sie bilden eine nüchtern-phantastische Gesellschaft, eine quirlige Legenden- und Märchenfauna."
Autorenporträt
Rivas, ManuelManuel Rivas (_1957, La Coruña, Spanien) hat Journalismus studiert und sammelte schon als 15jähriger erste Erfahrungen bei einer Tageszeitung. Er schreibt auch heute noch regelmäßig für El País und ist Herausgeber der Kulturzeitschrift Luzes de Galizia. Einen Teil seiner Reportagen publizierte er in zwei Essaybänden, die eine starke Verbundenheit mit seiner Heimatregion bezeugen (Galicia, bonsai atlántico, 1990 und Toxos e flores, 1993). Rivas begann seine literarische Laufbahn mit lyrischen Texten, doch überregional bekannt wurde er in den 90er Jahren mit Romanen und Erzählungen. Der Erzählband Un millón de vacas (1990) wurde ein großer Erfolg. Ein Jahr später erschien sein erster Roman Os comedores de patacas, der zweite folgte 1994, En salvaxe compaña (dt. In wilder Gesellschaft, 1998). Die mehrfach ausgezeichnete Anthologie ¿Qué me queres, amor? (1995) vereint Erzählungen, in denen Rivas Härte und Einsamkeit, aber auch Zärtlichkeit, Verständnis und Humor in zwischenmenschlichen Beziehungen nachzeichnet. Basierend auf drei Erzählungen aus diesem Band entstand der Film »Die Zunge der Schmetterlinge«, der auch in den USA großen Anklang fand. Einen internationalen Erfolg erzielte Rivas 1998 mit dem Roman O lapis do carpinteiro (dt. Der Bleistift des Zimmermanns, 2000) über die Geschichte einer Liebe in den ersten Tagen des Spanischen Bürgerkriegs, der gerade in Spanien verfilmt wird. 1999 erschien Ela, maldita alma, eine Sammlung von Erzählungen, die der Autor selbst als den Endpunkt einer Reise nach innen bezeichnet: vom Gesellschaftsportrait in Un millón de vacas (1990) zu den Abgründen der Seele in Ela, maldita alma. Eine von ihm selbst zusammengestellte Auswahl aus seinen Erzählbänden ist unter dem Titel Die Nacht, in der ich auf Brautschau ging erschienen. Manuel Rivas führt virtuos die Linie der jüngeren Generation spanischer Schriftsteller fort, die im Gefolge Eduardo Mendozas dem Erzählen wieder eine herausragende Stellung verliehen ha

ben. Mit scharfer Beobachtungsgabe und großer Sprachgewandtheit ersinnt er suggestive Geschichten von Geheimnis und Magie, die sich gleichermaßen aus den Begebenheiten des alltäglichen Lebens wie aus der mündlichen Erzähltradition seiner Heimat speisen. Rivas wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und erhielt u.a. 1990 und 1998 den Spanischen Kritikerpreis, 1996 den Torrente Ballester Preis und den Spanischen Nationalpreis der Literatur sowie 2001 den Literaturpreis von Amnesty International. Manuel Rivas lebt mit seiner Familie in dem kleinen Dorf Urroa an der galicischen Costa da Morte.

Wehr, ElkeElke Wehr, geboren 1946 in Bautzen und verstorben 2008 in Berlin, studierte Romanistik in Paris und Heidelberg. Zunächst konzentrierte sie sich auf Italienisch und Französisch, später legte sie ihren Schwerpunkt auf das Spanische. Seit den 1970er Jahren übersetzte sie spanische und lateinamerikanische Prosa ins Deutsche. Elke Wehr lebte in Madrid und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.11.1998

Lasset die Mäuse zu mir kommen
Galicisches Fabelreich: Manuel Rivas in wilder Gesellschaft / Von Paul Ingendaay

Manchmal fragt man sich, wie diese jungen spanischen Autoren das machen: Sie schreiben Romane, Erzählungen, Gedichte, Kolumnen, Reportagen, und dann, wie im Fall des 1957 geborenen Manuel Rivas, verfassen sie auch noch Drehbücher und geben Zeitschriften heraus. An vielen Orten Spaniens arbeiten solche kleinen literarischen Handwerksbetriebe, und eben auch in Galicien, der feuchten Nordwestecke der Iberischen Halbinsel. Manuel Rivas, Sohn eines Schreiners und Enkel eines Mannes, der lesen konnte, lebt mit Frau und Kindern in dem kleinen Küstenort Urroa. Seine Bücher schreibt er auf galicisch und übersetzt sie dann selber ins Spanische, mit Ausnahme des allerneuesten, jüngst im Verlag Alfaguara erschienenen Romans "El lápiz del carpintero" (Der Bleistift des Schreiners), dessen Übertragung er fremden Händen anvertraute.

Jetzt haben wir sein deutsches Debüt vor uns, "In wilder Gesellschaft", einen Roman von 1994. Erzählt wird von dem Fünfzig-Seelen-Dorf Arán. Dort steht ein alter Herrensitz, dem langsamen Verfall preisgegeben, in dem eine etwas sonderliche Señora mit ihrer Schafherde haust. Die Herde lebt wirklich im Haus; morgens treibt die Señora sie nach draußen, abends treibt sie sie wieder hinein. Ob die wolligen Genossen auch ins Wohnzimmer dürfen, bleibt offen. Rosa, die eigentliche Hauptfigur, ein beseeltes, etwas getriebenes Geschöpf mit Kindern und einem viel zu groben Mann, fühlt sich von der Señora angezogen. Sie bringt ihr Kräuter, die Verwünschungen abwenden sollen, und läßt sich aus ihrer bewegter Vergangenheit erzählen, also von der Liebe, die es einmal gab und die in allen Fällen dumm oder tragisch endete, übrigens immer im Ausland, denn Galicien, dieser arme, zugige Winkel Europas, hat seine Leute seit jeher in die Emigration getrieben. Es wird ein weiterer Emigrant sein, Spiderman, der Rosa dann umwirbt und sie unter den Augen einer Füchsin in seine tätowierten Arme nimmt.

Eine anrührende Ahnung von Vergeblichkeit liegt über den Gesprächen, die in diesem Buch geführt werden: Alle wissen, daß Galicien nicht zum Glück einlädt, sei es auf dem Dorf oder in der Hafenstadt La Coruña. Da kann der Kauf eines Tischstaubsaugers, "Made in China", schon zur kleineren Sensation werden. Die Figuren lernt man bei Rivas nicht als gerundete Charaktere kennen, sondern als Skizzen, die mit ein paar Zeilen ganz auf den Füßen stehen: eine Geste, ein Seufzen, Schnitt. Einmal macht jemand auf einer Hochzeit Schnappschüsse. Die Señora weiß nicht, ob ihr das recht ist, sie hat gerade einen vollen Mund. Da sagt jemand: "Später ist es witzig, wenn die Jahre vergangen sind." Und die Señora sagt: "Ja, wenn die Jahre vergangen sind." Solche Pointen klingen wie leises Pochen auf dem Sargdeckel.

"Bei Manuel Rivas", so wird auf dem Umschlag der Schriftsteller John Berger zitiert, "hat man den Eindruck, daß ihm, wo er auch hingehen mag, immer etwas Interessantes oder Spannendes widerfährt. Das ist die Gabe der großen Erzähler." Das ist sicher ein großer Unsinn. Was dem Schriftsteller widerfährt, dafür kann er wenig. Es ist auch nicht so wichtig. Interessant wird das Erlebte doch erst, wenn es sich mit Ausgedachtem vermischt. Gerade hier ist Rivas reich. Eine einzige Seite, und man sieht, daß er ein poetischer Erzähler mit einem völlig unangestrengten Natur- und Menschenblick ist, daß er für seine Szenen, ein bißchen wie der frühe Michael Ondaatje, bevor er sich für die Wüste zu interessieren begann, nur eine Handvoll Worte braucht und diese Handvoll sorgfältig verteilt. Und daß er Tiere mag.

Damit ist es heraus. Der Rezensent muß gestehen, daß er Tieren in der Literatur wenig abgewinnen kann, Wale und Elefanten ausgenommen. Aber es gibt seines Wissens ja auch keinen Elefantenroman, in dem der Elefant viel Text zu sprechen hätte. Bei Rivas sprechen Mäuse, Echsen, Schnecken und anderes Kleintier, dazu Pferde und besonders reichlich Raben. Der Grund liegt darin, daß die Toten von Arán nicht wirklich tot sind, sondern in ein animalisches Zwischenreich kommen und die Belange ihres Dorfes von dort unten verfolgen; sie haben eigentlich nicht mehr zu tun, als Nahrung, vorzugsweise Todesanzeigen, zu sich zu nehmen und sich philosophisch auszutauschen. Hier herrscht große Toleranz, etwa zwischen Priester und Wahrsagerin, wie sie sich der Autor wahrscheinlich schon im Menschenleben gewünscht hätte. Der wahre Erzähler des Romans ist Toimil, ein Rabe, der zu dem dreihundertköpfigen Rabenheer des galicischen Königs (ebenfalls ein Rabe, aber ein weißer) zählt. Es ist hilfreich zu wissen, wie das zusammenhängt: Rivas schöpft aus einer langen Tradition mündlichen Erzählens, die von den Kelten stammt und in der dem Tod ein bevorzugter Platz mitten im Leben eingeräumt wird. Das ist noch heute so. Insofern steht Galicien mit seinem Hang zu Aberglauben und Alltagsmythologie den rauhen nördlichen Seefahrervölkern näher als dem kastilischen Kernland.

Der Leser bekommt das allerdings nicht erklärt, und es würde ihm auch wenig nützen. Mit Wehmut verfolgt er, wie Manuel Rivas seine Fabelwelt ausmalt und den Stoff mehrerer tragfähiger Geschichten durch ein Übermaß an tierischen Fetten verdirbt. Da ist Don Xil, der Pfarrer, der zu Lebzeiten, wie eine Rückblende erzählt, sehr eindringlich vor den Verführungen des Lasters gewarnt und auch an Latein nicht gespart hat; auf einmal entdeckt er in der Gemeinde die junge Rosa, und in ihrem Gesicht erblickt er seine eigene Jugendsünde. Das wäre ein Konflikt gewesen! Doch Rivas kommt nicht mehr darauf zurück, denn Don Xil durchmustert jetzt als Maus die bibliophilen Restbestände des Stammsitzes von Arán und betrachtet dessen drohenden Untergang aus mäuserelevanter Sicht. Es ist aber nicht dasselbe, ob ein Priester mit seiner eigenen Verfehlung kämpft oder als Maus gegen eine hungrige Katze. Die Katze handelt vorhersehbar, die eigene Verfehlung nicht.

So laufen anthropozentrische Leser Gefahr, diesem fein gearbeiteten und sehr klingend übersetzten Buch Unrecht zu tun, aber so ist nun einmal, solange Menschen am liebsten von Menschen lesen. Hätte der Autor doch wenigstens aus der Maus einen Elefanten gemacht.

Manuel Rivas: "In wilder Gesellschaft". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Elke Wehr. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 200 S., geb., 39,80 DM.

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