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Grenzenlose Weiten, atemberaubende Einsamkeit, Wind aus dem Nirgendwo, Spuren unsichtbarer Bewohner wie Klapperschlangen und Koyoten - das ist die vielleicht rätselhafteste Landschaft der Erde: die Wüste. Welcher Kontrast dazu ein Gebirgsfluss. Vom Quellgebiet stürzt er hinab bis zum Meer. Himmelspiegelnde Buchten, in denen der Lachs steht, täuschen Sanftheit vor, der reglos stehende Reiher Gelassenheit. Doch der Fluss ist gewalttätig wie die Wüste. Barry Lopez findet wunderbar anschauliche Worte für die magischen Orte Wüste und Wasser. Als Naturwissenschaftler und Schriftsteller verfügt er…mehr

Produktbeschreibung
Grenzenlose Weiten, atemberaubende Einsamkeit, Wind aus dem Nirgendwo, Spuren unsichtbarer Bewohner wie Klapperschlangen und Koyoten - das ist die vielleicht rätselhafteste Landschaft der Erde: die Wüste. Welcher Kontrast dazu ein Gebirgsfluss. Vom Quellgebiet stürzt er hinab bis zum Meer. Himmelspiegelnde Buchten, in denen der Lachs steht, täuschen Sanftheit vor, der reglos stehende Reiher Gelassenheit. Doch der Fluss ist gewalttätig wie die Wüste. Barry Lopez findet wunderbar anschauliche Worte für die magischen Orte Wüste und Wasser. Als Naturwissenschaftler und Schriftsteller verfügt er über den wachen Blick des Forschers und die nuancenreiche Sprache des Dichters. So verschmelzen in seinen Geschichten Sprache und Landschaft in einzigartiger Weise.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.1995

Refugium für Masochisten
Barry Lopez schreibt sich ins Paradies zurück

In seinem 1989 entstandenen Chorwerk "Itaipú" hat der amerikanische Komponist Philip Glass den Bau des größten Staudamms der Welt in Südamerika verherrlicht. Trotzdem nennt er seine Komposition ein "Naturporträt", weil es sich in seinem Aufbau am Verlauf des Paraná-Flusses orientiert, der den Stausee von Itaipú speist. So bemüht sich Glass um eine Versöhnung der Gewalten von Natur und Mensch - ein Versuch, der im Zeitalter globaler Umweltprobleme anachronistisch anmuten könnte, jedenfalls aber überholt. Wer möchte angesichts der Bosheit der Moderne noch die Taten des Menschen besingen?

Die literarischen Arbeiten seines Landsmanns Barry Lopez, Ethnologe und Schriftsteller, erscheinen da wesentlich zeitgemäßer. In seinen Textsammlungen "In der Wüste" und "Am Fluß", beide in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre erstmals erschienen und jetzt in einem Buch zusammengefaßt auf deutsch veröffentlicht, errichtet Lopez eine fundamentale Opposition zwischen Natur und Zivilisation. Nur die Menschen, die sich ganz von den Errungenschaften ihrer Spezies entfernen, werden von Wüste und Fluß akzeptiert. Es wimmelt in Lopez' Erzählungen von Initiationsriten, in deren Verlauf sich Wüsten-Aficionados nackt in heiße Quellen legen oder Flußliebhaber sich über Eislöchern die Adern öffnen. Die Wüste ist ein großer FKK-Strand, die Flußaue Refugium für Masochisten. Und immer wieder ist die Selbstaufgabe aller Individualität der lohnende Preis für die Rückkehr zur höchsten Einheit, in das Paradies unberührter und unschuldiger Natur. Staudämme bauen bei Lopez nur die Biber.

In seinen "Notizen", wie der Autor im Original seine kurzen Prosaimpressionen nennt, wird dem Naturzustand keineswegs die ihm eigene Brutalität abgesprochen: Der Reiher ist dem Fisch genauso ein Wolf wie die Klapperschlange dem Kaninchen. "Es ist in mancher Hinsicht die gefährlichste Gegend, von Hoffnung durchschwungen, verführerisch in ihrer Einfachheit." Da jedoch nur vereinzelte Menschen den Schritt zurück an den Busen von Mutter Natur tun, bleibt die letzte, die Hobbessche Konsequenz des Naturzustands unberücksichtigt: Die Vorstellung, was etwa passierte, wenn Horden von zivilisationsmüden Amerikanern sich in den wenigen naturbelassenen Gefilden ihres Kontinents ergingen, paßt nicht in Lopez' einsame Idylle. Sein Wüstenwastl erhebt seine Stimme eben nur in der Wüste, wo ihn außer Kojoten und Raben niemand hört.

Nur bei den Tieren ist der Mensch bei sich. Gehör und Geruch verschärfen sich im Einklang mit der Einsamkeit zu animalischer Intensität, der Mensch versteht die Welt wieder empirisch statt theoretisch. Diese Sinnes-Wandlungen sind mit ermüdender Regelmäßigkeit Thema von Lopez' Erzählungen, die sich ohnehin auf einen kleinen Kreis von Protagonisten beschränken: Reiher und Raben, Gänsesäger und Schlangen sind die Begleiter und Lehrer des Menschen. Durch diese Reduktion sollen Lopez' Texte wohl einen mythischen Anstrich erhalten. Doch seinen Geschichten fehlt die erzählerische Potenz der Indianermythen, deren Duktus Lopez zu imitieren sucht. Er bemüht sich auch gar nicht erst um stringente Handlungen oder phantasiereiche Landschaftsschilderungen, er gibt allein Impressionen von Aussteigern wieder - zu sehr gegen und zu wenig für etwas geschrieben. Deshalb erinnern viele Texte dieses Buches an die bewegte Prosa alternativer Reiseführer, man wartet geradezu auf Hinweise, auf welchem Parkplatz denn die zivilisationsmüde Städterin ihre blanken Brüste am besten in Erdspalten hängen lassen kann oder wo in der Sierra der Trimmdich-Pfad für den entblößten Manager zu finden ist.

Das wirklich Unangenehme an diesem Buch ist jedoch seine Unmenschlichkeit, seine Lobpreisung eines ununterbrochenen Kreislaufs des Lebens, der außer der Aussicht darauf, dereinst den Raben als Nahrung zu dienen, für Hoffnungen oder Ziele keinen Raum läßt. Die Weite der Wüste ist hier tatsächlich vollkommen leer, und kein mythischer Gehalt dieser Skizzen vermag den Horror vacui bei uns zu füllen. Alles, was den Menschen ausmacht, ist hier verboten: "Lach nicht. Als ich das erste Mal herkam, lachte ich sehr laut, und die Sonne schlug mir ins Gesicht, und ich brauchte eine Woche, um mich zu erholen. Mit Lachen wirst du nur Zeit verlieren." Wir haben in der Wüste, am Fluß, bei Lopez' Buch keine Zeit verloren: Sein Erzählstil ist nicht zum Lachen, sondern lächerlich. ANDREAS PLATTHAUS

Barry Lopez: "In der Wüste. Am Fluß". Aus dem Englischen übersetzt von Hans-Ulrich Möhring mit Hilfe von Karen Nölle-Fischer. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1995. 201 S., geb., 30,- DM.

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"Seit Hemingway wurden Landschaften und Tiere nicht mehr mit solcher Eindringlichkeit und Kraft geschildert." (San Francisco Chronicle)