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Auf dem Schieferdach einer Kirche in Los Angeles arbeiten zwei Männer. Der jüngere von ihnen gerät ins Rutschen. Im letzten Augenblick hält ihn der ältere am Handgelenk fest und rettet ihn.Dieser ältere Mann, Rand, ist Bergsteiger. Eines Tages verlässt er unvermittelt seine Arbeit und die Frau, mit der er zusammenlebt, um nach Genf zu fliegen und in den Alpen zu klettern. Er nimmt sich ein Zimmer in Chamonix und beginnt mit einem Bekannten zu trainieren. Er verabredet sich mit einem amerikanischen Bergsteiger, den Zentralpfeiler des Freney zu ersteigen. Als dieser krank wird, macht Rand die…mehr

Produktbeschreibung
Auf dem Schieferdach einer Kirche in Los Angeles arbeiten zwei Männer. Der jüngere von ihnen gerät ins Rutschen. Im letzten Augenblick hält ihn der ältere am Handgelenk fest und rettet ihn.Dieser ältere Mann, Rand, ist Bergsteiger. Eines Tages verlässt er unvermittelt seine Arbeit und die Frau, mit der er zusammenlebt, um nach Genf zu fliegen und in den Alpen zu klettern. Er nimmt sich ein Zimmer in Chamonix und beginnt mit einem Bekannten zu trainieren. Er verabredet sich mit einem amerikanischen Bergsteiger, den Zentralpfeiler des Freney zu ersteigen. Als dieser krank wird, macht Rand die Tour alleine - eine fast unmögliche Aufgabe. Ein Sturm hält ihn in der Wand fest, aber er überlebt. Den Winter verbringt Rand in einem ungeheizten Zimmer, er hat kaum Geld, ab und zu kann er arbeiten, er lernt eine junge Frau kennen und zieht zu ihr. Im Frühjahr findet ihn ein Freund, der ebenfalls leidenschaftlicher Bergsteiger ist, Cabot. Gemeinsam planen sie, die Nordwand des Dru zu besteigen. In der Wand kommt es zur Katastrophe, Cabot stürzt ab. Zwar erholt sich Cabot, doch nach einem weiteren Sturz bleibt er gelähmt. Rand aber kann das nicht akzeptieren - er reist ihm nach, versucht mit allen Mitteln Cabot beizustehen und ihre gemeinsame Freundschaft zu retten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Die Aura ausgebleichter Bartspitzen
Allzu beredt: James Salters Bergroman "In der Wand"/ Von Hans-Ulrich Treichel

Der Berg ist von jeher eine Verbindung zwischen Himmel und Erde. Wer auf den Berg steigt, der nähert sich den Göttern. Darum eignet sich das Bergsteigen vorzüglich als Metapher für den geistigen und spirituellen Aufstieg. Einschließlich der entsprechenden Gefahren, die so ein Aufstieg mit sich bringt: Die Luft ist dünn in den höheren Sphären, es drohen Schwindelgefühle und Atemnot, die Götter sind unberechenbar und lassen sich Unwetter und Steinschlag einfallen, der Mensch ist schwach oder unaufmerksam, er tritt daneben und stürzt ab. Zum Mythos des Berges gehört der Mythos des Bergsteigers. Letzteren müssen wir uns als einen introvertierten, asketischen, zähen und (von Luis Trenker und Reinhold Messner einmal abgesehen) schweigsamen Menschen vorstellen. Als einen Menschen, der nicht unbedingt auf Gottsuche ist, wohl aber auf der Suche nach einer so genannten Grenzerfahrung oder dem besseren, höheren Selbst.

Wenn man sich als Romanautor auf das Motiv des Bergsteigens einlässt und einen Bergsteiger zum Protagonisten wählt, dann trifft man auf einen bereits komplett existierenden Bildervorrat samt den dazugehörigen tradierten und festgelegten Bedeutungen. Das ist einerseits praktisch, denn alles ist schon da, andererseits aber ein Problem, schließlich will jeder Autor seine Geschichte mit eigenen Bedeutungen versehen. Was also tun, um nicht in die Falle des bloß Vorgefertigten zu tappen? Eine Möglichkeit wäre, den Mythos mit den Mitteln der Ironie, des kritischen Kommentars oder einer konsequent antiillusionistischen Erzählhaltung auf seine menschlichen Erfahrungsgehalte zurückzuführen und zu individualisieren. Die andere Möglichkeit wäre, das vorgegebene Bilder- und Bedeutungsmaterial vorbehaltlos zu akzeptieren, seine Verwendung im eigenen Text aber durch möglichst große Stildisziplin vor jeder Trivialisierung zu bewahren.

James Salter hat sich für Letzteres entschieden. Der 1925 geborene und in New York lebende Autor, der vor seiner Schriftstellerlaufbahn zwölf Jahre bei der Air Force war und während des Koreakrieges zahlreiche Einsätze geflogen ist, schreibt mit so knapper und disziplinierter Gestik, wie Piloten Flugzeuge bedienen oder Bergsteiger Haken einschlagen: "Es gibt Stadtteile, die abseits liegen, unbeachtet wie Treibgut in den Wellen. Einer davon ist Palms. Mit Maschendraht umzäunte Gärten. Zu-vermieten-Schilder. Staubige Fenster." Und auch der Held von Salters 1975 unter dem Titel "Solo Faces" zuerst erschienenem Roman, der Bergsteiger Rand, ist genau so, wie der Heldenmythos es will. Rand ist der Besessene, "ein Leittier" ohne Rudel, der einsame Wolf, der seine Lebensgefährtin in Los Angeles verlässt, um in den französischen Alpen auf die Berge zu steigen.

In Chamonix bezieht er eine Unterkunft und bricht, mal in Begleitung und mal allein, zu verschiedenen Touren auf. Zu den besonderen Herausforderungen gehört der Dru, eine "einzelne Granitwand", eine "mythische Wand", die er mit seinem Freund Cabot besteigt.

Hier kommt es zu einem Unfall, und hier zeigt der Erzähler Salter seine Stärken, wenn er dem dramatischen Geschehen durch Lakonie Atmosphäre und Spannung verleiht und auch über den zu hastigen und gefahrvollen, aber geglückten Abstieg und die Rettung des verletzten Freundes nicht allzu viele Worte verliert: ",Warum die Eile?' Rand griff nach ihm, um ihn zurückzuhalten. ,Lass mich.' ,Du trittst lauter Zeug los.' ,Hör auf, dir Sorgen zu machen', war alles, was er sagte. Am Abend taumelten sie in die Charpouahütte und schliefen achtzehn Stunden." Und auch von der Liebe berichtet der Autor in wenigen Worten, aber auf anrührende Weise: "Er versuchte, sie zu umarmen, aber sie wandte sich ab. ,Was ist?' fragte er. ,Willst du wirklich?' ,Nein, ich mach nur Spaß.' ,Ich bin hier oben sehr flach', sagte sie einfach. ,Praktisch ein Mann.' ,Das ist mir egal.' Nach ein paar Momenten begann sie sich das Hemd auszuziehen. In ihren Bewegungen lag Resignation."

Hätte Salter auf diese Weise seine Geschichte zu Ende erzählt, wir hätten seinen Figuren jede, oder doch beinahe jede Geste, jedes Gefühl und seiner Geschichte jeden Fortgang geglaubt. Auch den, dass Rand irgendwann zum Lebensretter und Medienhelden wird, dann aber die Schweiz verlässt, in den Vereinigten Staaten den inzwischen anderweitig verunglückten und nun gelähmten Cabot besucht, mit diesem eine Runde Russisches Roulett spielt und sich schließlich nach Florida aufmacht, um dort mit einer Frau ein Leben zu führen als "ein Mann und eine Frau, die man durchs Fenster sieht".

Leider hat Salter sich nicht mit der bloßen Beschreibung und wenigen Andeutungen begnügt, sondern seine Geschichte mit Kommentaren und Reflexionen durchsetzt, die das, was wir ohnehin schon wissen oder ahnen, ohne jede Hemmung aussprechen. Wir wissen, dass "ein großer Berg" aufgrund seiner Erdenferne und Himmelsnähe eine erhabene und quasi sakrale Aura besitzt. Aber muss man darum über den ersten Anblick des Montblanc schreiben: "Dieser gewaltige erste Anblick veränderte sein Leben . . . Es gab nichts, das daneben Bestand hatte, nichts, das überleben konnte."

Wir wissen auch, dass das Bergsteigen sich zur Existenzmetapher eignet. Doch muss man dies so weit auskommentieren, dass sich daraus Lebensweisheiten für Führungskräfte gewinnen lassen? "Es kommt ein Punkt, an dem es einfacher ist, weiter aufzusteigen, ein Punkt, an dem der Gipfel tatsächlich der einzige Ausweg ist." Bekannt ist ebenfalls, dass der Bergsteiger ein Suchender ist, dem es um mehr als um den physischen Kontakt mit einer Erderhebung geht. Doch niemand zwingt einen Autor, der eine Bergsteigergeschichte schreibt, seinen Helden tatsächlich in einen Propheten zu verwandeln: "Sein Haar war lang, er ließ sich einen Bart wachsen - er war schon voller geworden, breit und dicht wie der eines Propheten aus dem Alten Testament." Wobei aus dem Propheten darüber hinaus nicht nur ein Märtyrer - "Verzweiflung glänzte auf ihm" -, sondern auch ein Heiliger zu werden droht, denn die von der Sonne ausgebleichten Spitzen seines Bartes umgaben "seine Lippen wie ein Heiligenschein". In diesem Sinne ist es nur konsequent, wenn Salter schließlich über Rand sagen kann: "Es war, als hätte ihn der Berg geweiht."

Salters rhetorische Beglaubigungen haben den Effekt, dass dem Stoff sein ohnehin gefährdetes Geheimnis ausgetrieben wird. Das ist bedauerlich, denn dort, wo sich der Autor sozusagen mit Pilotenkühle auf das Notwendige konzentriert, gewinnt der Text durchaus an Höhe. Dort aber, wo Salter kommentiert, um uns die Erfahrungsintensität seines Helden glaubhaft zu machen, droht Kitschgefahr. Wobei wir keineswegs abstreiten wollen, dass Rands Erfahrungen möglich und nicht ohne Wahrhaftigkeit sind. Doch nicht alle Wahrheiten taugen dazu, auch geäußert zu werden. Manche entfalten ihre Überzeugungskraft erst dann, wenn man ihnen erlaubt, bei sich und unausgesprochen zu bleiben.

James Salter: "In der Wand". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Beatrice Howeg. Berlin Verlag, Berlin 1999. 236 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2014

Das Herz eines
Leittiers
Bergsteigen und Russisches Roulette, das ist es, womit Männer sich ganz wesentlich beschäftigen, amerikanische Männer, man’s favorite sport. Ganz lakonisch zieht James Salter in diesem Buch – von 1979 – die Spiralen der Einsamkeit auf, ganz zärtlich, ganz unsentimental. Vernon Rand ist ein Wanderer, er wird nie wirklich bei den Frauen bleiben, bei denen er unterkommt, mit denen er schläft, die er liebt. Er geht nach Chamonix, bleibt dort den Winter über, besteigt die Alpengipfel, mit Freunden, auch allein. Er ist unterwegs, zwischen Suche und Davonlaufen. Salters Sätze wechseln die Perspektive rasend schnell, am Ende kommen sie – „Solo Faces“ heißt das Buch im Original – ortlos daher, schwebend: „Er fuhr bei Volta nach Osten, quer durch das Tal. Es war mittlerweile Nachmittag. Er war kein Söldner, der nur auf Zeit kämpfte, sagte er sich. Die Hände auf dem Lenkrad waren Veteranenhände. Sein Herz war ein treues Herz. Dinge haben eine Dauer, die durch ein verborgenes Gesetz bestimmt wird. Das zu begreifen, es zu akzeptieren, heißt, die Weisheit eines Tieres anzunehmen. Er war ein Veteran, ein Leittier, aber sein Rudel war verstreut, verschwunden.“  FRITZ GÖTTLER
    
    
James Salter: In der Wand. Roman. Aus dem Englischen von Beatrice Howeg. Berlin Verlag 2014. 236 Seiten, 9,99 Euro.
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